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Steuerfreiheit für Obst und Gemüse kann Übergewichtswelle stoppen

Studie der Universität Hamburg zeigt: Gesunde Ernährung scheitert bisher auch am Preis

Experten fordern Mehrwertsteuersystem "Ampel Plus"

Professor Hans Hauner Ein gestaffeltes System der Mehrwertsteuer für Lebensmittel kann die Zunahme der Fettleibigkeit in Deutschland stoppen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Hamburg im Auftrag mehrerer Gesundheitsorganisationen. Berechnet wurden Ernährungsverhalten und Gewichtsentwicklung der Bevölkerung, wenn Obst und Gemüse gar nicht, ungesunde Lebensmittel aber höher als bisher besteuert werden. Ergebnis: Ulf Fink, Vorsitzender Gesundheitsstadt Berlin Der Anteil stark übergewichtiger Menschen würde nicht weiter ansteigen, sondern sogar um zehn Prozent sinken. "Die Studie zeigt, dass die Bürger durchaus mehr gesunde Lebensmittel kaufen wollen, bisher aber auch am Preis scheitern", sagt der Ernährungsmediziner Professor Hans Hauner von der Technischen Universität München. "Die Politik muss daher die Bedingungen schaffen, um eine gute Ernährung für alle zu erleichtern", fordert CDU-Gesundheitspolitiker Ulf Fink, Vorsitzender Gesundheitsstadt Berlin.

Bisher gilt für die meisten Lebensmittel der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent, auch für ungesunde Produkte mit viel Fett und Zucker. Die Studie des Hamburger Ökonomen Dr. Tobias Effertz untersucht als Alternative Szenarien mit verschiedenen Staffelungen. Am erfolgversprechendsten und politisch realistischsten erweist sich dabei das System "Ampel Plus" mit folgenden Steuersätzen:

Zusätzlich könnte der Steuersatz für die besonders gesundheitsschädlichen Softdrinks wie Cola oder Fanta von heute 19 auf 29 Prozent erhöht werden. Dieses Plus ist Hans Hauner zufolge notwendig, weil Softdrinks oft eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer Adipositas spielen - noch mehr als Süßigkeiten. Das gilt auch für Drinks mit Zuckerersatzstoffen. Fruchtsäfte ohne Zuckerzusatz würden hingegen in die Kategorie gelb mit sieben Prozent Mehrwertsteuer fallen.

"Beim Thema Ernährung spielen die Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle", sagt Ulf Fink. "Natürlich soll jeder selbst entscheiden, was er kauft. Günstige Preise erleichtern es dem Verbraucher aber, seine Gesundheit zu fördern." Dies haben viele Länder bereits erkannt und die Steuern für ungesunde Produkte erhöht. Mit Erfolg: So ist in Berkeley/Kalifornien der Absatz von Softdrinks um 21 Prozent zurückgegangen. Zudem änderten Hersteller von Fertigprodukten nach Steueranpassungen häufig ihre Rezepturen und reduzierten Fett und Zucker. "Die Bürger bekommen also bessere Produkte zum gleichen Preis", sagt Hauner. Vor allem einkommensschwächere Gruppen profitieren davon. "Auch für Deutschland sind Steueranpassungen ein effektiver Weg, um die Bürger vor Adipositas zu schützen", so Hauner.

25 Prozent der deutschen Bevölkerung gelten derzeit als adipös, haben also einen Body-Mass-Index von 30 kg/m² oder mehr, Tendenz steigend. Starkes Übergewicht bedeutet ein erhöhtes Risiko für viele Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Krebs. Trotz aller Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, den Anstieg der Adipositas zu stoppen, geschweige denn umzukehren. "Das liegt nicht zuletzt an dem bisherigen Fokus der deutschen Politik, die hauptsächlich an die Verantwortung des Einzelnen appelliert und beispielsweise Kurse zur allgemeinen Aufklärung über gesunde Ernährung finanziert", kritisiert Ernährungsexperte Hauner. Wissenschaftlich gilt dieser individuelle Ansatz als gescheitert, weil dadurch nur selten eine dauerhafte Gewichtsreduktion erreicht wird.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt stattdessen, die Rahmenbedingungen für gesundes Verhalten zu verbessern. Zu diesen Maßnahmen der Verhältnisprävention gehören Steueranpassungen, ferner ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, sowie verbindliche Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen. Diese Forderungen vertritt in Deutschland ebenfalls die Deutsche Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), ein Zusammenschluss von zwanzig großen medizinischen Fachorganisationen.

Die Studie wurde beauftragt und finanziert von (in alphabetischer Reihenfolge)

Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Deutsche Diabetes Stiftung (DDS), diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe, Gesundheitsstadt Berlin e.V., Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD), Universität Kiel.

Bildunterschriften: Professor Hans Hauner und Ulf Fink
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (Bild 1) und Diabetes-Portal DiabSite

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zuletzt bearbeitet: 13.11.2017 nach oben

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