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Gefährliche Chemikalien in Alltagsprodukten

DGE fordert strenge gesetzliche Regulierung von endokrinen Disruptoren zur Vermeidung von Diabetes, Krebs und Unfruchtbarkeit

Hoffnung auf neue Medikamente gegen Diabetes und Fettleibigkeit Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordert politische Entscheidungsträger*innen dazu auf, die Belastung durch endokrine Disruptoren (EDCs), also hormonell wirksame Chemikalien, durch strengere Gesetze deutlich zu reduzieren. Diese hormonaktiven Substanzen finden sich in zahlreichen Alltagsprodukten, wie Plastik, Kosmetik sowie Lebensmittelverpackungen, und stehen im Verdacht, schwere Erkrankungen wie Diabetes und Krebs sowie Unfruchtbarkeit auszulösen. Die bestehenden Vorschriften reichen nicht aus, um die Bevölkerung ausreichend zu schützen, warnt die DGE - und fordert eine stärkere Regulierung der Substanzen bereits auf EU-Ebene.

Endokrine Disruptoren, auch als hormonaktive Stoffe bekannt, stören die natürliche Funktion des Hormonsystems im Körper. "Unsere Umwelt ist regelrecht durchsetzt von diesen Chemikalien, sei es in Plastik und Kosmetika, Nahrung und Trinkwasser oder in Alltagsgegenständen und Spielzeug. Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend: In den letzten Jahrzehnten beobachten wir eine Zunahme von Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes, Störungen des Immunsystems, Entwicklungsstörungen des Nervensystems, Unfruchtbarkeit und Krebs. Wissenschaftliche Studien belegen, dass endokrine Disruptoren hierzu beitragen", erläutert Professor Dr. rer. nat. Josef Köhrle, Seniorprofessor am Institut für Experimentelle Endokrinologie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

Besonders gefährdet sind Schwangere, Kinder und Jugendliche, deren Entwicklung sehr empfindlich auf solche Substanzen reagiert. Bereits geringe Mengen an endokrinen Disruptoren können hier zu dauerhaften und irreversiblen Veränderungen führen.

Wirtschaftliche und ökologische Schäden immens

Die gesundheitlichen Schäden durch endokrine Disruptoren verursachen hohe wirtschaftliche Kosten. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen, deren Entstehung und Schweregrad durch akute und chronische EDC-Belastung stark begünstigt werden, erfordern teure medizinische Behandlungen, Krankenhausaufenthalte, Medikamente und Therapien. Viele der Erkrankungen werden zudem chronisch, was mit lebenslanger Therapie und Betreuung einhergeht.

Hinzu kommen erhebliche Ausgaben für Umweltsanierungen, etwa bei der Entfernung persistenter Chemikalien wie per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) aus Boden und Wasser. "Diese Kosten stellen in Verbindung mit den Gesundheits- und Umweltauswirkungen eine untragbare Belastung für die Gesellschaft dar", so Köhrle. "Endokrine Disruptoren können sich auch negativ auf Lebensmittel- und Agrarsysteme auswirken: PFAS sind beispielsweise bereits jetzt so weit in Alltagsgegenständen, Lebensmitteln, Trinkwasser sowie in der Umwelt verbreitet, dass sie Ökosysteme kontaminieren und dadurch Menschen und Tieren gefährlich werden."

Derzeitige Gesetzgebung nicht ausreichend

Aktuell diskutieren politische Entscheidungsträger*innen der EU Vorschläge zur Überarbeitung der Gesetzgebung im Bereich endokrine Disruptoren. Wichtig sind hier insbesondere die CLP-Verordnung, welche endokrine Disruptoren in Gefahrenklassen einteilt, sowie die REACH-Verordnung, welche die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien regelt. Neben REACH soll auch die Kosmetikverordnung überarbeitet werden sowie ein Verbot für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) kommen.

"Die derzeit gültigen EU-Gesetze konnten bisher weder die zunehmende Belastung durch endokrine Disruptoren stoppen noch die steigende Zahl der dadurch ausgelösten Krankheiten verhindern", so Köhrle.

DGE fordert politische Maßnahmen

Die DGE fordert daher gezielte politische Maßnahmen und eine strengere EU-Regulierung, um die Belastung durch endokrine Disruptoren zu verringern. "Wir brauchen eine Überarbeitung der REACH-Chemikalienverordnung und die allgemeine Beschränkung von PFAS, um die Bevölkerung langfristig vor den gravierenden gesundheitlichen Folgen zu schützen", so Professor Dr. rer. nat. Jan P. Tuckermann, Präsident der DGE. Die Fachgesellschaft setzt sich zudem für verpflichtende Tests für chemische Stoffe auf hormonelle Wirkungen und ein generelles Verbot von endokrinen Disruptoren in Konsumgütern ein. "Wir haben jetzt die Chance, künftige Generationen besser zu schützen. Dafür braucht es politischen Willen und schnelles Handeln", appelliert Tuckermann abschließend.

Empfehlungen der DGE im Überblick:

Interessenkonflikte

Professor Dr. rer. nat. Josef Köhrle gibt an, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Professor Dr. rer. nat. Jan P. Tuckermann gibt an, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Quellen

Bulawska N, et al. PFAS (per- and polyfluorinated alkyl substances) as EDCs (endocrine-disrupting chemicals) - Identification of compounds with high potential to bind to selected terpenoids NHRs (nuclear hormone receptors). Chemosphere. 2025;370.

Diamanti-Kandarakis E, Bourguignon JP, Giudice LC, et al. Endocrine-disrupting chemicals: an Endocrine Society scientific statement. J Toxicol Environ Health B Cri  Rev. 2011;14(5–7):328–345. doi:10.1080/10937404.2011.578556

Gore AC, Chappell VA, Fenton SE, et al. Executive Summary to EDC-2: The Endocrine Society's Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals. Endocr Rev. 2015;36(6):E1–E150. doi:10.1210/er.2015-1010

Jaacks M, Prasad S. The ecological cost of continued use of endocrine-disrupting chemicals. The Lancet Diabetes & Endocrinology. 2017 Jan;5(1):14–15.

Trasande L, Attina TM, Blustein J. Association between urinary bisphenol A concentration and obesity prevalence in children and adolescents

Trasande L, Zoeller RT, Hass U, et al. Estimating burden and disease costs of exposure to endocrine-disrupting chemicals in the European Union. Int J Environ Res Public Health. 2019;16(8):1318. doi:10.3390/ijerph16081318

Bildunterschrift: Hormonaktiven Substanzen begünstigen Diabetes, Krebs und Unfruchtbarkeit.
Bildquelle: Monika Gause für www.diabsite.de

zuletzt bearbeitet: 16.07.2025 nach oben

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