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Regelmäßige Blutzuckerkontrolle bei Schwangerschaftsdiabetes notwendig

GKV sollte Blutzuckermessgeräte samt Teststreifen für werdende Mütter übernehmen

Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland Jährlich entwickeln über 40.000 Schwangere einen Diabetes mellitus. Damit zählt dieser sogenannte Gestationsdiabetes (GDM) zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft. Nicht oder ungenügend therapiert drohen Mutter und Kind schwere Gesundheitsschäden. Wesentlich für die Therapie ist die regelmäßige Überprüfung der mütterlichen Blutzuckerwerte. Doch bekommen die Patientinnen Blutzuckermessgeräte noch immer nicht von ihren Kassen erstattet. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert den GKV Spitzenverband daher auf, Blutzuckermessgeräte samt Teststreifen auch für Schwangere mit Gestationsdiabetes in den Hilfsmittelkatalog aufzunehmen. Dies sieht auch die Leitlinie zu GDM vor, die die DDG gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) dieses Jahr aktualisiert hat.

"Patientinnen mit Gestationsdiabetes sind eine sehr sensible Patientenklientel", erklärt DDG Präsident Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland. "Von einer optimalen Blutzuckereinstellung der Mutter hängt nicht nur die Gesundheit des ungeborenen Kindes maßgeblich ab. Auch mögliche schwere Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie ein späterer Typ-2-Diabetes der Mutter können sich aus einer schlechten Blutzuckereinstellung heraus entwickeln." Daher fordert die DDG den GKV Spitzenverband erneut auf, Blutzuckermessgeräte für Patientinnen mit GDM erstattungspflichtig zu machen, sodass jede Betroffene ihren Blutzuckerstoffwechsel regelmäßig ohne eigene Kostenbeteiligung kontrollieren kann.

Bereits im vergangenen Jahr regte die DDG an, Blutzuckermessgeräte für Schwangere mit GDM in den Hilfsmittelkatalog (Produktgruppe 21) des GKV Spitzenverbandes aufzunehmen - unabhängig davon, ob der GDM mit Insulin behandelt wird oder nicht. "Weder aus medizinischer noch aus gesundheitsökonomischer Sicht ist nachvollziehbar, dass Blutzuckermessgeräte bei GDM weiterhin nicht erstattet werden", betont Müller-Wieland. "Wir sehen hier ein eindeutiges Gefährdungspotential für betroffene Mütter und ihre Kinder."

Die leitliniengerechte Behandlung sieht zunächst vor, mit einer Lebensstiländerung den Stoffwechsel zu normalisieren. "Um Mahlzeiten und körperliche Aktivität entsprechend dem Stoffwechselbedarf anzupassen, sollte die werdende Mutter ihre Blutzuckerwerte mithilfe eines Blutzuckermessgerätes regelmäßig überprüfen", betont Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG. "Das ist die Grundvoraussetzung, um eine Verschlechterung der Werte und eine eventuell notwendige Insulintherapie rechtzeitig zu erkennen." Dies sei im Übrigen international festgelegter Standard.

Denn in rund 80 Prozent der Fälle lässt sich bei guter Stoffwechsel-Selbstkontrolle und verbessertem Lebensstil mit gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung eine Insulintherapie in der Schwangerschaft vermeiden. "Es ist daher vom GKV Spitzenverband schlicht fahrlässig, dieser Patientengruppe die Grundvoraussetzung für eine gesunde und komplikationsfreie Schwangerschaft zu verweigern", kritisiert Gallwitz. Erst wenn Lebensstilmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um erhöhte Blutzuckerwerte zu verhindern, müssen Schwangere Insulin spritzen. Die Indikation für Insulin ergibt sich aber aus den selbst gemessenen und protokollierten Werten der schwangeren Frauen. Ohne Selbstmessungen können notwendige Insulinbehandlungen übersehen werden.

Patientinnen mit Gestationsdiabetes und ihren ungeborenen Kindern drohen während, aber auch nach der Schwangerschaft enorme Gesundheitsrisiken. So haben Frauen mit GDM ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Ödeme, Nierenerkrankungen, Depressionen während und nach der Schwangerschaft, Herz-Kreislauferkrankungen und chronische Harnwegsinfektionen. Schließlich steigt auch die Gefahr für einen erneuten Gestationsdiabetes bei darauffolgenden Schwangerschaften sowie für einen Typ-2-Diabetes innerhalb der nächsten zehn Jahre.

Für das Kind ergeben sich folgende Gesundheitsrisiken: Frühgeburt mit Verlegung in die Kinderklinik, ein stark erhöhtes Geburtsgewicht, das oft einen Kaiserschnitt oder Geburtsverletzungen von Mutter und Kind bei vaginaler Geburt zur Folge hat und schließlich ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes sowie Übergewicht. "Durch eintretende schwere Komplikationen und mögliche Folgeschäden bei der Mutter und ihrem Kind wird das Gesundheitssystem weitaus mehr belastet als durch eine Erstattung des Messgerätes mit entsprechenden Teststreifen", ergänzt Müller-Wieland.

In den vergangenen 15 Jahren ist in Deutschland die Zahl der Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes stark angestiegen - von knapp 1,5 auf etwa 5,4 Prozent aller Schwangerschaften. Dies zeigen Untersuchungen, die die aktualisierte DDG-Leitlinie zu GDM aufgreift. "Ursache für diese gestiegenen Zahlen ist einerseits die verbesserte Diagnostik", erklärt Müller-Wieland die Entwicklung. "Andererseits nimmt jedoch auch die Zahl an Risikopatientinnen deutlich zu: Hohes Alter und Übergewicht begünstigen erhöhte Blutzuckerwerte der werdenden Mutter."

Weitere Risikofaktoren sind familiäre Diabeteserkrankungen und eine frühere Schwangerschaft mit GDM. Neueste Studien zeigen darüber hinaus, dass Vitamin-D-Mangel sowie eine Schlafapnoe der Schwangeren das Risiko ebenfalls erhöhen können und Schwangerschaftsdiabetes vermehrt bei Frauen auftritt, die ein männliches Kind erwarten.

Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes können sich mithilfe der ebenfalls aktualisierten Patientenleitlinie GDM rund um Diagnose und Therapie umfangreich informieren.

Quellen

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland
Bildquelle: Diabetes-Portal DiabSite

zuletzt bearbeitet: 20.12.2018 nach oben

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