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Medizin vor Ökonomie

Behandlung betreuungsintensiver Volkskrankheiten wie Diabetes betroffen

Mit dem Klinik Kodex zurück zum Kern ärztlichen Handelns

Als Reaktion auf die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens hat die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) den neuen Klinik Codex "Medizin vor Ökonomie" ins Leben gerufen. Mit dieser Verhaltensmaxime verpflichten sich Mediziner, ihr ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten mit "absolutem Vorrang gegenüber ökonomischen Überlegungen". Gleichzeitig sollen sich Ärzte im beruflichen Alltag und insbesondere in der Argumentation gegenüber rein wirtschaftlich orientierten Handlungsvorgaben auf das Konsenspapier berufen können. Ziel ist zudem, mit dem Klink Codex das Vertrauen von Patienten und Bevölkerung in eine werteorientierte Medizin und Ärzteschaft zu stärken. Die genaue Ausgestaltung des Klinik Codex war Gegenstand einer Pressekonferenz der DGIM heute in Berlin.

Wenn die Klinik zum Wirtschaftsunternehmen wird und vor allem Gewinne erzielen soll, leidet die Qualität der Medizin und damit vor allem der Patient. "Wachsender Kostendruck und ökonomisch orientierte Zielvorgaben im Klinikbetrieb behindern den ureigenen Auftrag von Ärzten, dem Wohl aller Patienten nach bestem ärztlichen Wissen zu dienen und Jedem eine leitliniengerechte und fürsorgliche Medizin sowie solidarische Hilfe zukommen zu lassen", sagt Professor Dr. med. Petra Maria Schumm-Draeger, Direktorin des Zentrums/Innere Medizin/Fünf Höfe in München und stellvertretende Vorsitzende der DGIM. "Die Folgen für Patienten sind gravierend." Die wirtschaftlichen Fehlanreize führten zu einer Überversorgung in gut bezahlten Domänen, etwa der Gerätemedizin mit MRT, CT oder Röntgen. Gleichzeitig haben sie Unterversorgung in der nicht ausreichend vergüteten sprechenden Medizin mit Ärztemangel und langen Wartezeiten zur Folge. Stark betroffen hiervon ist beispielweise die Behandlung betreuungsintensiver Volkskrankheiten wie Diabetes oder Rheuma. Vertrauensverlust im Arzt-Patientenverhältnis und Personalmangel im Gesundheitswesen sind weitere Folgen.

"Wir beobachten diese Entwicklungen als Fachgesellschaft seit Jahren mit Sorge", sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel. Daher hat die DGIM bereits 2014 zu dem Thema auch ihre Mitglieder befragt: Die daraus entstandene Studie "Ärzte - Manager" bescheinigte, dass Klinikärzte von Kostendruck und Zielvorgaben massiv in ihrer Handlungsfreiheit als Mediziner eingeschränkt sind. Der Klinik Kodex sei ein weiterer Vorstoß der DGIM, um Ärzte und Patienten vor der Entwicklung hin zur ökonomisch geleiteten Medizin zu schützen.

Trotz der veränderten, ökonomisch dominierten Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre üben die meisten Ärzte ihren Beruf nach den ethischen Prinzipien ihres Berufsstandes aus. Diese gegen die Vorgaben von kaufmännischen Geschäftsleitungen und Kostenträgern durchzusetzen, verursacht ihnen heute aber deutlich mehr Schwierigkeiten als in der Vergangenheit, stellt Schumm-Draeger fest: "Klinikärztinnen und -ärzte müssen im klinischen Arbeitsalltag zum Teil viel Zeit und Kraft in Rechtfertigungen und Begründungen investieren, warum sie sich im Sinne ihrer Patienten entscheiden", sagt sie. Durch den neuen Klinik Codex wolle man Orientierung und Solidarität bieten, auch indem er konkret auf den heutigen Klinikalltag zugeschnittene Haltungs- und erste Verhaltensempfehlungen gebe. Auf diese sollen sich die angesprochenen Akteure im beruflichen Alltag und insbesondere in bedrängenden Situationen berufen können.

"Es gilt das zu verteidigen, was schon immer oberste und letztendlich einzige Pflicht der Ärzte und Ärztinnen war, ist und sein wird: Patienten mit ihren Krankheiten, Sorgen und Hoffnungen zur Seite zu stehen und zu begleiten, sie zu behandeln und - wenn möglich - zu heilen," sagt Professor Schumm-Draeger.

zuletzt bearbeitet: 19.09.2017 nach oben

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