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Weniger Gewicht für den Numerus clausus

Chirurgen plädieren für Reform der Medizinstudium-Zulassung

Bei der Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin spielt der Numerus clausus derzeit eine beherrschende Rolle. Damit hängt die ärztliche Berufswahl in Deutschland stark von intellektuellen Fähigkeiten ab. "Die Medizin braucht aber nicht nur brillante Denker und Forscher, sondern auch handwerkliche Talente und Menschen mit ausgeprägten sozialen und kommunikativen Kompetenzen", erklärt Professor Dr. med. Joachim Jähne, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Die Chirurgen plädieren deshalb für eine teilweise Revision des Zulassungsverfahrens. Wie eine solche Reform aussehen könnte, erläuterten Experten heute auf einer Pressekonferenz anlässlich des 131. DGCH-Kongresses in Berlin.

Die Regeln der Studienplatzvergabe sehen vor, dass knapp zwanzig Prozent der Plätze an die Abiturbesten vergeben werden, weitere knapp zwanzig Prozent nach Wartezeit und fast 60 Prozent in Auswahlverfahren der Hochschulen. Bei den Auswahlverfahren der Hochschulen wird wiederum anhand des Abiturdurchschnitts eine Vorauswahl getroffen, bei den Wartezeiten nach Notenschnitt sortiert. "Insgesamt erfolgt der Zugang zum Medizinstudium fast exklusiv über den Numerus clausus", erklärt Professor Dr. med. Matthias Anthuber, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).

Dadurch gingen der Medizin viele Talente verloren, kritisiert Anthuber. "Das Auswahlverfahren berücksichtigt beispielsweise handwerklich-manuelle Begabungen nicht, auf die es in der Chirurgie auch ankommt." Intellektuelle Fähigkeiten seien zudem keine Garantie, dass Ärzte mit Patienten gut umgehen könnten. "Das hängt stark von den kommunikativen und sozialen Fähigkeiten ab", so Anthuber. Insgesamt müsse die Medizin auf einen breiten Mix an sozialen und kognitiven Kompetenzen zurückgreifen können. "Selbstverständlich brauchen wir brillante Denker in der Ärzteschaft, die streng akademisch orientiert sind und die Forschung voranbringen", erläutert Matthias Anthuber. "Gefragt sind aber auch praktisch veranlagte technikaffine Tüftler, die Therapie und Diagnostik weiterentwickeln." Ebenso würden regional verbundene Hausärzte benötigt, die ihre Aufgabe in der Flächenversorgung sehen.

Das derzeitige System würde darüber hinaus zu einer ungleichen Geschlechterverteilung in der Medizin führen, kritisiert Anthuber weiter, da Mädchen generell weitaus bessere Abiturnoten erzielen als Jungen. Aktuell sind 70 Prozent der Studienabgänger in der Medizin Frauen. "In meiner Abteilung kommt nur eine von zwanzig Bewerbungen von einem männlichen Kollegen", berichtet Anthuber. Nachdem jahrzehntelang Männer in der Medizin dominierten, drohe jetzt eine Umkehr der Verhältnisse. "Das kann nicht zielführend sein", meint Anthuber. "Die Zukunft gehört gemischten Teams." Die Forschung zeigt, dass gemischte Teams neben einem besseren Betriebsklima mehr innovative Entwicklungen hervorbringen als homogene Teams, weil jedes Geschlecht spezifische Stärken im Bereich Kreativität hat.

Aus den genannten Gründen müsse das System der Zulassung zum Medizinstudium kritisch hinterfragt und einer Revision unterzogen werden, fordert der DGAV-Präsident. Er plädiert dafür, einen Teil der Zulassungen unabhängig vom Numerus clausus erfolgen zu lassen. So könnten beispielsweise Interessierte, die ein halbjähriges Pflegepraktikum absolviert haben, zu einem Eignungsgespräch eingeladen werden. "Wenn sich jemand in der Praxis bewährt, verdient er eine Chance ? unabhängig vom Notendurchschnitt", so Anthuber.

zuletzt bearbeitet: 25.03.2014 nach oben

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