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Bain-Studie zum Gesundheitsmarkt 2020, Teil 3 von 5

Auswirkungen auf Krankenversicherer und staatliche Träger

In den nächsten zehn Jahren wird das Gesundheitswesen der Industrieländer neu strukturiert. Die Gestaltung des zukünftigen Gesundheitssystems liegt in der Hand der Regierungen und Krankenversicherer. Sie führen neue Honorierungsarten für medizinische Leistungen ein und nutzen den Trend zur Computerisierung, um im Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik ein Maximum an Leistung und Effizienz zu erhalten. Das zeigt die aktuelle, weltweite Studie "The end of Healtcare… as we know it?" der Unternehmensberatung Bain & Company.

Um ihre neue Rolle auszufüllen, müssen Versicherer das System über Anreize und Honorare steuern - einerseits, um die Prozesse und Leistungen von Praxen und Krankenhäusern nach Qualitäts- und Kostenaspekten zu optimieren, andererseits, um die Versicherten zu gesundheits- und kostenbewusstem Handeln zu motivieren.

In vielen Industrieländern sind Gesundheitskosten heute der größte und am stärksten wachsende Haushaltsposten. Weltweit haben die finanziell bedrängten Staaten deshalb Programme zum Umbau der Gesundheitssysteme auf den Weg gebracht, um zumindest weitere Kostensteigerungen einigermaßen einzudämmen. Der größte Kostenblock im Gesundheitssystem sind die Vergütungen für Ärzte und Krankenhäuser. Auf Druck der öffentlichen Hand und der Kassen werden sich bis zum Jahr 2020 Arztpraxen und Krankenhäuser weitgehend zu Gesundheitsnetzwerken zusammengeschlossen haben und Patienten nach Kosten-Nutzen optimierten Kriterien versorgen.

Versicherer und staatliche Gesundheitssysteme initiieren, lenken und unterstützen diesen Umbauprozess durch Richtlinien und Vertragsgestaltung. Ihre Honorierung medizinischer Leistungen erfolgt in Zukunft immer stärker nach definierten Erfolgskriterien wie Versorgungsqualität, Behandlungskosten und -erfolg; es wird Kopfpauschalen, Belohnungen für kostenbewusstes Verhalten und vorgegebene Behandlungsstandards geben. Einige Versicherer werden sich - wo möglich - vertikal integrieren, um Qualität und Kosten der Versorgung über eigene Ärztenetzwerke und Krankenhäuser kontrollieren zu können.

Versicherer werden bei Ärzten und Patienten ansetzen

Vergleichsstudien zur Effektivität von Behandlungen (Comparative Effectiveness-Studien) unterstützen die Versicherer in Zukunft bei ihrer Arbeit. Über die systematische Auswertung der bis 2020 implementierten elektronischen Patientenakte werden die Versicherer das Kosten-Nutzenverhältnis der gebräuchlichsten Therapien sehr genau kennen. Dieses Wissen werden sie in Form von Behandlungs- und Erstattungsrichtlinien sowie medizinischen Standardprozessen in die klinische Praxis zurückspiegeln. Das Ergebnis sind vereinheitlichte Qualitätsstandards sowie nach Kosten-Nutzengesichtspunkten optimierte Therapien, wenn auch um den Preis einer eingeschränkten ärztlichen Entscheidungsfreiheit.

2020 werden Versicherer Behandlungsnetzwerke etabliert haben, die sie über anreizbasierte Honorarstrukturen steuern, um Qualität und Kosten der Behandlung zu optimieren. Auch werden sie die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch die Versicherten über finanzielle Anreize und Zuzahlungsmodelle steuern.

Um einer alternden Bevölkerung auch langfristig ein akzeptables und bezahlbares Versorgungsniveau bieten zu können, werden die Versicherer zukünftig stärker in die langfristige Gesunderhaltung ihrer Versicherten investieren. Damit breite Präventionsmaßnahmen jedoch erfolgreich sind, müssen die nationalen Gesundheitsbehörden entsprechende Regelungen treffen.

Strategische Prioritäten für Krankenversicherer

Um ihre neue Rolle auszufüllen, müssen Versicherer rechtzeitig neue Kompetenzen aufbauen, um sich für den Gesundheitsmarkt 2020 strategisch zu positionieren:

Netzwerkmanagement: Aufbau und Management eines eigenen, konkurrenzfähigen Ärzte- und Kliniknetzes ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für Versicherer. Wer schnell ist, wird die erste Wahl bei der Gestaltung seines Netzwerks haben; allerdings nur im Rahmen der jeweiligen nationalen Gesundheitspolitik. In einigen Ländern wie den USA integrieren sich Versicherer, Kliniken und Ärzte verstärkt vertikal, wie heute schon bei Intermountain Healthcare.

Kosten-Nutzenmanagement: Ein wesentlicher Aspekt, um das Kosten-Nutzenverhältnis medizinischer Behandlungen zu verbessern, sind effiziente Anreizsysteme. Sie verhindern, dass medizinische Leistungen übermäßig ausgeweitet werden und belohnen kostensparende Behandlungsmethoden und Qualität. Basierend auf dem immer besseren Verständnis von Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien sollten Versicherer standardisierte Behandlungswege vorzeichnen und deren Einhaltung finanziell belohnen.

Patientenmanagement: Ungesundes Leben von Patienten und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sollten mit angemessenen Hürden versehen werden. Erste, bereits in vielen Ländern etablierte Ansätze sind Risikozuschläge etwa für stark Übergewichtige, Patientengebühren und Zuzahlungen. Im Rahmen der nationalen Regelungen und der Akzeptanz bei den Versicherten sind Maßnahmen denkbar, die die Gesunderhaltung und Selbstbehandlungen durch die Patienten fördern.

Konsolidierung: Der Wettbewerb unter den Versicherern steigt, deshalb werden auch Spezialisierungen und Nischenangebote zunehmen. Wer in fragmentierten Märkten wie der Schweiz keine Führungsrolle bei der Konsolidierung übernimmt, droht ihr zum Opfer zu fallen.

"Die Versicherer werden die Dirigenten des Gesundheitsmarkts 2020 sein", sagt Dr. Norbert Hültenschmidt, Leiter der weltweiten Healthcare-Praxisgruppe von Bain & Company. "Sie sorgen dafür, dass das Gesamtsystem innerhalb des jeweiligen nationalen Rahmens ein Optimum an Qualität und Leistung zu einem vertretbaren Preis erbringt."

Auf der Internetseite von Bain & Company steht die Studie "The end of Healthcare… as we know it?" als PDF-Datei (1,9 MB) zum Download bereit.

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zuletzt bearbeitet: 29.08.2011 nach oben

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Dr. phil. Axel Hirsch

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