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Bain-Studie zum Gesundheitsmarkt 2020, Teil 1 von 5

Umbau der Gesundheitssysteme verlangt neue Strategien

Weltweit stehen die Gesundheitssysteme vor einem tiefgreifenden Wandel. Technische Neuerungen, der medizinische Fortschritt und vor allem finanzielle Zwänge werden bis zum Jahr 2020 zu mehr Veränderungen im Gesundheitswesen führen als in den vergangenen 50 Jahren. Ein neuer Gesundheitsmarkt mit neuen Bedingungen entsteht. Die aktuelle, weltweite Studie "The end of Healthcare… as we know it?" der Unternehmensberatung Bain & Company zeigt, welche Veränderungen zu erwarten sind und vor welchen strategischen Herausforderungen Kliniken und Ärzte, Apotheken, Pharma- und Medizintechnikhersteller sowie Versicherer stehen.

In den Industrieländern steigen die Gesundheitsausgaben stetig und entwickeln sich zu einem der größten Kostenblöcke der öffentlichen Haushalte. Diese Entwicklung wird durch den medizinischen Fortschritt beschleunigt und der demographische Wandel treibt die Kosten weiter nach oben. Die Bain-Studie "The end of Healthcare… as we know it?" rechnet damit, dass strukturelle Reformen und effizienzsteigernde Technologien in den kommenden Jahren mit Nachdruck durchgesetzt werden.

"In den letzten Dekaden waren die Gesundheitssysteme in allen großen Industrienationen sehr resistent gegen drastische Veränderungen. Immer fanden sich politische, soziale oder emotionale Argumente, die gegen sinnvolle Neustrukturierungen sprachen", sagt Dr. Norbert Hültenschmidt, Leiter der weltweiten Healthcare-Praxisgruppe von Bain & Company. "Doch jetzt sind die Haushalte der Industrieländer am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angekommen, weltweit sind die Gesundheitssysteme die größten noch wachsenden Budgetposten."

Vier grundlegende Marktströmungen bis 2020

Die Gesundheitssysteme des Jahres 2020 werden in allen Ländern eine schnelle Evolution der heute bestehenden Strukturen sein. Die Richtung, in die sie sich entwickeln, ist weltweit ähnlich. Bain & Company hat die bestehenden Trends in Politik, Technologie und Wissenschaft analysiert und vier zentrale Marktströmungen identifiziert, die den Gesundheitsmarkt 2020 bestimmen werden.

Der engagierte Patient: Er steht im Mittelpunkt des Gesundheitsmarktes 2020, denn er wird in Zukunft viel mehr aus eigener Tasche zahlen müssen - seien es Praxis- und Medikamentengebühren, Zuzahlungen, Zusatzversicherungen oder privat zu tragende Behandlungskosten. Dadurch wächst die Marktmacht des Patienten. Parallel dazu ermöglicht ihm das rasch wachsende Angebote im Internet, sehr viel mehr über Gesundheit, Krankheiten und Behandlungsmethoden zu erfahren. Das macht die Ausrichtung auf spezifische Patientengruppen zu einem der zentralen kritischen Erfolgsfaktoren für alle Anbieter im künftigen Gesundheitsmarkt, egal ob Ärzte, Apotheken, Pharmahersteller oder Krankenversicherer.

Datenrevolution: Computerisierung und Vernetzung werden im Gesundheitssektor eine Datenrevolution auslösen. Universell verfügbare elektronische Patientendaten machen den Erfolg von Behandlungen transparent und optimieren die Prozesse zwischen Haus- und Fachärzten, Kliniken und Versicherungen. Standardisierte online verfügbare Behandlungsleitlinien werden die Arbeit von Ärzten und Kliniken verändern.

Im Jahr 2020 bestimmen Studien, Empfehlungen, Protokolle, Leitfäden und Erstattungsrichtlinien, welche Diagnosen, Therapien und Medikamente verordnet werden. Der Freiheitsgrad ärztlicher Entscheidungen wird deutlich eingeschränkt. Im Gesundheitsmarkt 2020 verliert der Arzt als Entscheider an Bedeutung, welche Medikamente, Behandlungsmethoden oder Geräte eingesetzt werden. Für die Hersteller von Pharmazeutika und Medizintechnik wird der Kosten-Nutzennachweis ihrer Produkte anhand elektronischer Real-Life-Patientendaten zu einem entscheidenden Erfolgskriterium; statt klinischer Studienergebnisse zählen 2020 wirklich erzielte Behandlungsergebnisse.

Integrierte Behandlung: Weltweit versuchen Gesundheitspolitiker, die Effizienz der Gesundheitssysteme durch Konzepte der integrierten Behandlung zu verbessern. Ob Health Maintenance Organizations in der Schweiz, Accountable Care Organizations in den USA oder Gesundheitszentren in Deutschland: 2020 wird eine stärkere Vernetzung der Praxen, Kliniken und Versicherer die Behandlungswege optimieren, Doppeluntersuchungen vermeiden und Behandlungszentren mit stärkeren Einkaufsvorteilen und besser ausgelasteten Einrichtungen hervorbringen.

Die Honorierung der Behandlung bemisst sich zukünftig an Behandlungsqualität und -erfolg sowie den Einsparerfolgen. Hausärzte und Gesundheitszentren steuern die integrierte Behandlung. Gleichzeitig führen stärker vernetzte Organisationen zu neuen Nachfragestrukturen und -machtverhältnissen, die von Zulieferern und Dienstleistern rechtzeitig erkannt und bedient werden müssen.

Gesundheitsökonomische Innovation: Die starken Kosten-Nutzenabwägungen zwingen Pharma- und Medizintechnikhersteller zukünftig zu gesundheitsökonomischen Innovationen. Eine neue Generation von Gut-Genug-Produkten wird zum Standard in Medizintechnik und Pharmazie. Daneben wird es weiterhin Spitzenprodukte geben, die jedoch mehr und mehr auf Nischen und spezielle Patientengruppen zugeschnitten sind. Medizintechnik und Pharmazeutik stehen vor der Aufgabe klassische Design-to-Cost-Konzepte für den Gut-Genug-Sektor zu entwickeln und gleichzeitig im Premiumsegment die Kosten für Forschung und Entwicklung für den zunehmend kleinteiligen Medizinmarkt zu reduzieren.

Umverteilungen im Gesundheitsmarkt 2020

In den Industrieländern prognostiziert die Bain-Studie einen weiter wachsenden Gesundheitsmarkt, der nicht mehr nur vom medizinischen Fortschritt geprägt sein wird, sondern auch von den demographischen Veränderungen. Der hohe Kostendruck sorgt dafür, dass die Margen praktisch aller Branchensegmente im Durchschnitt zurückgehen. Unter Druck geraten vor allem die Pharmaumsätze in den USA; hier erwartet Bain, dass sich das noch sehr hohe Preisniveau an internationale Standards angleichen wird.

Für neues Wachstum sorgen die Schwellenländer. Deren Gesundheitsausgaben befinden sich derzeit noch auf einem niedrigen Niveau: In Indien werden 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit ausgegeben, in China 4,7 Prozent. Die Gewinner des Jahres 2020 werden Unternehmen sein, die sich heute bereits auf den Zukunftsmarkt vorbereiten, neue Geschäftsmodelle pilotieren und so den Wandel aktiv mitgestalten.

"Der Gesundheitsmarkt 2020 kommt nicht über Nacht, vieles hängt von der nationalen Politik ab", sagt Bain-Experte Hültenschmidt. "Doch der Veränderungsdruck ist inzwischen so groß, dass der Umbau nur eine Frage der Zeit ist."

Auf der Internetseite von Bain & Company steht die Studie "The end of Healthcare… as we know it?" als PDF-Datei (1,9 MB) zum Download bereit.

zuletzt bearbeitet: 23.08.2011 nach oben

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