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Menschen mit Diabetes und Behandelnde sehen Krankenhausreform kritisch

Mehr Transparenz ist gut, beseitigt aber keine Versorgungsdefizite

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Nachdem das Krankenhaustransparenzgesetz voraussichtlich am 22. März verabschiedet wird, soll ab dem 1. Mai ein Online-Atlas über die Leistungen der bundesweit mehr als 1.700 Klinikstandorte informieren. Menschen mit Diabetes mellitus unterstützen jedes Instrument, das einen besseren Überblick über Versorgungseinrichtungen gibt. Sie sehen darin jedoch keine Verbesserung ihrer Versorgung. Mehr Transparenz beseitige nicht die bereits jetzt schon spürbaren Behandlungsdefizite in Kliniken, bemängeln die gemeinnützigen Organisationen diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe und Deutsche Diabetes-Hilfe - Menschen mit Diabetes (DDH-M) Landesverband NRW. Laut einer Umfrage unter mehr als 700 Menschen mit Diabetes, diabetologischem Fachpersonal und Angehörigen fürchten viele von ihnen weitere Verschlechterungen der Versorgung im Zuge der anstehenden Krankenhausreform.

Für Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) ist die Einigung zum Krankenhaustransparenzgesetz ein großer Durchbruch im Prozess der Krankenhausreform: Sein für Mai geplantes "Transparenzverzeichnis" soll Patientinnen und Patienten Auskunft geben, welches Krankenhaus welche Leistungen anbietet und ihnen damit bessere Auswahlmöglichkeiten für eine höhere Behandlungsqualität bieten. Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 sind bei jeder medizinischen Behandlung darauf angewiesen, dass ihre chronische Erkrankung mitberücksichtigt wird. Doch in vielen Kliniken fehlt schon jetzt eine grundlegende diabetologische Expertise. Bei einem Notfall, mit dem sie in der nächstgelegenen Klinik behandelt werden müssen, hilft Betroffenen mit Diabetes das geplante Transparenzverzeichnis somit nichts. Ob Akutversorgung oder bei Folgeerkrankung: Diabetologie fehlt jetzt schon vielerorts.

Norbert Kuster, Landesvorsitzender der Selbsthilfeorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe - Menschen mit Diabetes (DDH-M), weiß aus eigener sowie aus Erfahrung mehrerer Mitglieder, wie defizitär Menschen mit Diabetes in Nordrhein-Westfalen in Akutsituationen klinisch versorgt werden: "Aufgrund mangelnder diabetologischer Kenntnisse erlitten mir bekannte Menschen mit Diabetes Typ 1 in Krankenhäusern schwere Stoffwechselentgleisungen, weil sich die Behandelnden beispielsweise mit den modernen Diabetes-Therapien wie Insulinpumpen nicht auskennen. Solche Fälle können tödlich verlaufen, wenn es keine Diabetes-Expertise im jeweiligen Haus gibt." Was von der Politik derzeit zu wenig gesehen werde, ist die Tatsache, dass Menschen mit Diabetes häufig nicht wegen ihres Diabetes, sondern wegen einer anderen Krankheit ins Krankenhaus kommen - und daher in allen Krankenhäusern eine Diabetes-Expertise vorgehalten werden muss.

Menschen mit Diabetes rechnen mit weiterer Verschlechterung der Versorgungslage

Im Januar 2024 fragte diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe mittels des Umfragepanels dialink Menschen mit Diabetes, Behandelnde und Angehörige nach ihrer Meinung zur Krankenhausreform: Insgesamt 737 Menschen nahmen an der Umfrage teil, davon 673 Menschen mit Diabetes, 33 Angehörige und 31 Behandler/innen. Die Mehrheit der dialink-Community sieht die Auswirkungen der Krankenhausreform kritisch. So befürchten 74,2 % der befragten Behandler/innen ein sehr großes Versorgungsdefizit im diabetologischen Behandlungsbereich. Von den befragten Menschen mit Diabetes gaben zwar nur 45 % an, dass sie sehr stark besorgt sind - trotzdem vermutet fast die Hälfte von ihnen, dass es erhebliche Engpässe geben werde. Dabei zeigt sich kein Unterschied zwischen Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Bei den Angehörigen rechneten 51,5 % mit großen Versorgungsdefiziten. "Bei den Antworten schwingen sicherlich auch negative Erfahrungen der Vergangenheit mit. Das Transparenzgesetz trägt jedoch nicht dazu bei, diese Sorgen zu entkräften, da es keine Perspektive für eine bessere Versorgung aufzeigt", sagt Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe.

Ambulante Versorgungsebenen als mögliche Chance?

Die Krankenhausreform soll am 24. April 2024 verabschiedet werden. Noch ist Vieles unklar, doch im Zuge der Reform könnten künftig unter anderem Praxen und Kliniken im Verbund Leistungen erbringen. "Wenn schon keine qualifizierte, dem Versorgungslevel angepasste Diabetesexpertise in allen Krankenhäusern vorgehalten werden kann, muss es zumindest eine tragfähige Strategie für eine adäquate ambulante oder sektorenübergreifende Versorgung geben", betont Kröger.

"Die Zahl der Neuerkrankungen steigt unaufhörlich: Künftig wird mehr denn je eine flächendeckende diabetologische Versorgung gebraucht - in großen und mittleren, aber vor allem auch in kleinen Krankenhäusern. Es ist höchste Zeit, im Sinne der Patientinnen und Patienten jetzt die Weichen in die richtige Richtung zu stellen, statt die Chancen der Krankenhausreform ungenutzt verstreichen zu lassen", mahnt Jens Kröger.

Bildunterschrift: Bundesgesundheitsminister Prof.b Dr. Karl Lauterbach
Bildquelle: www.diabsite.de

zuletzt bearbeitet: 18.03.2024 nach oben

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