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Nervenschäden bei Diabetes häufig nicht erkannt
Wissenschaftler warnen: Füße stehen zu wenig im Fokus
Die Zehen kribbeln, die Füße brennen oder fühlen sich taub an und ein drückender Schuh wird nicht wahrgenommen. Diese Symptome treten bei vielen Menschen mit Diabetes auf, weil die sensiblen Nervenfasern in den Füßen geschädigt sind. Doch die meisten Betroffenen wissen nicht, dass sich hinter diesen Beschwerden eine häufige Folgeerkrankung ihres Diabetes verbirgt: eine diabetische Neuropathie. Das zeigt die aktuell veröffentlichte PROTECT-Studie, die der Studienleiter Prof. Dan Ziegler, Stv. Direktor am Institut für Klinische Diabetologie des Deutschen Diabetes Zentrums der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, anlässlich des Diabetes Kongresses in Berlin vorstellte. Die Experten appellierten daher, den Warnsignalen der Füße mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Denn: Je eher eine Neuropathie erkannt und behandelt wird, umso besser lässt sich die Nervenschädigung aufhalten und schwerwiegenden Folgen entgegenwirken.
An der PROTECT-Studie nahmen 1.850 Menschen mit und ohne bekannten Diabetes teil, die ihre Nervenfunktion in den Füßen untersuchen ließen. Das alarmierende Ergebnis: Fast 70 Prozent der Patienten, bei denen eine Nervenschädigung nachgewiesen wurde, wussten zuvor nichts davon. Selbst bei Schmerzen oder Brennen in beiden Füßen war zwei Drittel der Betroffenen nicht bewusst, dass eine Neuropathie hinter den Beschwerden steckt. Noch größer war die Dunkelziffer bei schmerzloser Neuropathie, die sich durch Taubheitsgefühl, eine nachlassende Sensibilität oder Missempfindungen wie Kribbeln in den Füßen äußert: Sie war in 81 Prozent der Fälle nicht diagnostiziert.
Unterschätzt und folgenschwer
Dass die diabetische Neuropathie unterschätzt und häufig nicht erkannt wird, könne schwerwiegende Folgen haben, warnte Ziegler. Unbehandelt schreitet die Nervenschädigung in der Regel voran. Sie kann einerseits zu quälenden Schmerzen und gleichzeitig zu schmerzlosen Wunden an den Füßen führen. Durch unbemerkte Verletzungen kann sich ein diabetisches Fußsyndrom entwickeln, das nicht selten Amputationen zur Folge hat. Ziegler betonte daher, dass Diabetiker ihre Füße regelmäßig selber kontrollieren sowie vom Arzt untersuchen lassen sollten. Denn je eher die Behandlung erfolgt, umso besser lässt sich die Nervenschädigung aufhalten und Fuß-Komplikationen entgegenwirken. Wichtig sei außerdem, so Ziegler, die Früherkennung des Diabetes zu fördern: Denn fast 40 Prozent der Studienteilnehmer, die angegeben hatten, keinen Diabetes zu haben, wiesen auffällige Langzeitblutzuckerwerte auf, die auf eine Vorstufe des Diabetes (Prädiabetes) oder einen Diabetes hinweisen. "Ein unerkannter Diabetes kann eine wesentliche Ursache für eine Neuropathie sein," warnte der Diabetologe.
Nervenschäden stoppen
Sowohl in der Behandlung als auch in der Prävention gilt es, möglichst frühzeitig alle nervenschädigenden Faktoren auszuschalten, erklärte Privatdozent Dr. med. Ovidiu Alin Stirban, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin, Diabetologie und Endokrinologie der Schön Klinik Nürnberg Fürth. Wichtigste Maßnahme gegen Nervenschäden bei Diabetes ist eine möglichst gute Blutzuckereinstellung. Falls Blutdruck und Blutfette ebenfalls erhöht sind, sollten auch diese behandelt werden. Ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung leistet hier einen großen Beitrag.
Vitamin B1-Mangel ausgleichen
Ein Diabetes geht außerdem oftmals mit einem Vitamin B1-Mangel einher, der Neuropathien fördert: Der Bedarf an dem "Nerven-Vitamin" steigt, weil es häufig vermehrt über die Nieren ausgeschieden wird, erläuterte Stirban. In einer britischen Studie wiesen Patienten mit Diabetes um bis zu 76 Prozent niedrigere Vitamin B1-Konzentrationen im Blut auf als Gesunde. Um den nervenschädigenden Mangel auszugleichen, eignet sich eine Vorstufe des Vitamin B1, das Benfotiamin (z .B. milgamma® protekt, Apotheke). Das Provitamin hat den Vorteil, dass es vom Körper fünfmal besser aufgenommen werden kann als das herkömmliche Vitamin B1. So behebt es einen nervenschädigenden Mangel und kann dadurch auch Beschwerden wie Kribbeln, Brennen, Schmerzen und Taubheit in den Füßen lindern.
Bei starken Schmerzen kann der Arzt außerdem Schmerzmittel verordnen. Stirban gab hier aber zu bedenken, dass diese Behandlung zwar Symptome lindern kann, dass sie aber gleichzeitig die nebenwirkungsreichste Behandlungsform sein, die nicht die Grunderkrankung beeinflusse.
Neue Erkenntnisse über Risikofaktoren
In der PROTECT-Studie konnten auch neue Erkenntnisse über den Verlauf und die Ausprägung von Neuropathien gewonnen werden:
- Wie die Datenanalyse zeigte, leiden übergewichtige Patienten mit Typ-2-Diabetes häufiger an einer schmerzhaften Neuropathie, während schlankere eher an einer schmerzlosen Form leiden.
- Eine weitere neue Erkenntnis ist der Zusammenhang zwischen schmerzloser Neuropathie und männlichem Geschlecht, sowohl bei Typ-2- als auch bei Nicht-Diabetikern. Erst kürzlich wurde in einer anderen Studie festgestellt, dass Frauen eher zu schmerzhaften Neuropathien neigen.
Tipps für Betroffene
Fuß-Check: Wie erkenne ich eine Neuropathie? Einen Selbsttest gibt es unter http://www.milgamma.de/fuss-check.html. Hier wird auch erklärt, mit welchen Untersuchungen der Arzt eine Neuropathie diagnostiziert.
Quellen
Symposium "Diabetische Neuropathie: Früher erkennen - besser behandeln" am 9. Mai 2018 in Berlin anlässlich des Diabetes Kongresses 2018, veranstaltet von WÖRWAG Pharma.
Literatur
Ziegler D et. al: Painful and painless neuropathies are distinct and largely undiagnosed entities in subjects participating in an educational initiative (PROTECT-Study). Diabetes Res Clin Pract. 2018;139:147-154
Thornalley PJ et al. High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. Diabetologia 2007; 50: 2164-2170
Schreeb KH et al. Comparative bioavailability of two vitamin B1 preparations: benfotiamine and thiamine mononitrate. Eur J Clin Pharmacol 1997; 52: 319-320
Stracke H et al. Benfotiamine in diabetic polyneuropathy (BENDIP): Results of a randomised, double blind, placebo-controlled clinical study. Exp Clin Endocrinol Diab 2008; 116: 600-605
Haupt E et al. Benfotiamine in the treatment of diabetic polyneuropathy - a three-week randomized, controlled pilot study (BEDIP Study). Int J Clin Pharmacol Ther 2005; 43: 71-77
Stirban et. al. Neurodiab 2016; unveröffentlicht.
Raputova J, Srotova I, Vlckova E et al. Sensory phenotype and risk factors for painful diabetic neuropathy: a cross-sectional observational study. Pain 2017; 158: 2340-2353
Bildunterschrift: Fuß-Check: Diabetiker sollten regelmäßig ihre Füße kontrollieren: Sind unbemerkt Wunden oder Druckstellen entstanden? Ist die Haut trocken und rissig? Werden leichte Berührungen
wahrgenommen?
Bildquelle: Wörwag Pharma GmbH & Co.KG
Foto: "milgamma protekt"