Home > Aktuelles > Diabetes-Nachrichten > Archive > 2015 > 150808
Medikamentenversorgung bei Diabetes Typ 2 im Alter
Abstract zum Vortrag von Dr. med. Dr. Univ. Rom Andrej Zeyfang, Leiter der AG Diabetes und Geriatrie der DDG, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Geriatrie, Ärztlicher Direktor, Agaplesion Bethesda Krankenhaus, Stuttgart, im Rahmen einer Pressekonferenz zur 50. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 15. Mai 2015 in Berlin.Welche Therapien brauchen ältere Menschen (nicht)?
"Mit dem sturem Abarbeiten von Leitlinien kann man ältere multimorbide geriatrische Patienten problemlos umbringen.?
In einer aufrüttelnden Arbeit wurde bereits vor 10 Jahren von Cynthia Boyd in JAMA die Auswirkung der unreflektierten Anwendung von Leitlinien an einer 79-jährigen fiktiven Patientin mit 5 verschiedenen Diagnosen - u. a. Typ-2-Diabetes - dargestellt. Bei konsequenter Anwendung der Leitlinien für die Einzelerkrankungen müsste die Patientin 12 unterschiedliche Medikamente in 19 Dosierungen zu 5 unterschiedlichen Tageszeiten einnehmen. Nicht nur Therapiekosten von 406 $ pro Monat, sondern auch schwerste Erkrankung bis hin zum Tod aufgrund von Neben- und Wechselwirkungen wären zu erwarten. Also: statt eines unreflektierten Einsetzens von immer noch mehr pharmakologischen Vorgehensweisen für Symptome und Einzelerkrankungen nach Kochbuch, verlangt es gerade beim geriatrischen Patienten bei der Diabetesbehandlung nach einer altersmedizinischen Expertise und auch der Bereitschaft, sich von dem harten Studienendpunkt "Mortalität" abzuwenden und den im Alter wesentlich wichtigeren Endpunkt "Lebensqualität" zu priorisieren.
Wir brauchen Medikamente, deren Wirkung, Nutzen und Verträglichkeit bei alten multimorbiden Menschen gesichert ist. Hierzu sind weitere Studien bereits bei der Zulassung erforderlich, die auch die spätere Zielgruppe, den alten multimorbiden Menschen, mit einbeziehen. Geriatrische Leitlinien für multimorbide Menschen und Einbeziehung dieser klinischen Besonderheiten - auch bei den Zulassungsverfahren im AMNOG - wären hierfür eine wichtige Unterstützung. Beispiele für sinnvolle Entwicklungen in der Diabetestherapie Älterer sind:
- Kombi-Präparate (z .B. Metformin plus DPP4-Hemmer) dabei wird die Zahl der einzunehmenden Tabletten deutlich reduziert,
- moderne Insuline weniger Hypoglykämie-Gefahr, diese hängt dabei aber auch von den Einstellungszielen und vom Umgang mit dem Insulin selbst ab
- Therapiestrategien des Blutzuckers, die eine Hypoglykämiefreiheit als oberes Behandlungsziel haben.
Forderungen an eine optimale Diabetestherapie im Alter
- geringe Hypoglykämiegefahr
- altengerechte Darreichungsformen
- maximale Verträglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität
- individualisierte Therapie
- insgesamt weniger Tabletten
Im Bereich der Insulintherapie ist klar festzustellen, dass sich die immer wieder gefundene hohe Rate an Hypoglykämien bei Älteren unter Insulintherapie auch mit falschen bzw. nicht vorhandenen Schulungsmaßnahmen und der undifferenzierten Selbstverabreichung von Insulin trotz möglicherweise bestehender kognitiver Defizite erklären lässt. Auch waren in den meisten Ländern die HbA1c-Zielkorridore in den letzten Jahren viel zu niedrig angesetzt.
Mit angemessenen Schulungsmaßnahmen, individualisierten Therapiezielen und modernen Therapien lassen sich ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes hinsichtlich ihrer Blutzuckerziele oft bis ins hohe Alter gut behandeln. Bei der Therapie von Begleit- und Folgeerkrankungen ist besonders bei hochbetagten Menschen mit äußerstem Augenmaß vorzugehen. Primär präventive, aber auch sekundär präventive Vorgehensweisen sind kritisch zu überdenken.
Bildunterschrift: Dr. med. Dr. Univ. Rom Andrej Zeyfang
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)
Das könnte Sie auch interessieren:
- Diabetes im Alter - Ein Interview mit Dr. med. Andrej Zeyfang im DibSite Diabetes-Radio.