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Schlank trotz reichlich Kalorien
Enzym-Ausschaltung verhindert Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2
Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum identifizierten bei Mäusen ein Enzym das bei der Entstehung von Fettleibigkeit und den damit verbundenen Stoffwechselentgleisungen wie Typ-2-Diabetes beteiligt ist. Schalteten die Forscher das Enzym aus, so nahmen die Tiere trotz fettlastiger, kalorienreicher Ernährung nicht zu und entwickelten keinen Diabetes. Bislang gibt es allerdings erst wenige Hinweise darauf, dass dieser Mechanismus auch beim Menschen eine Rolle spielt.
Stoffwechselexperten sind zunehmend davon überzeugt, dass schweres Übergewicht und viele seiner krankhaften Folgen, etwa das metabolische Syndrom oder Typ-2-Diabetes, eine Folge chronisch-entzündlicher Prozesse im Fettgewebe sind. Im Fettgewebe von krankhaft Übergewichtigen kommen fast alle Arten von Immun- und Entzündungszellen in gehäufter Zahl vor.
"Zwar gehen wir grundsätzlich davon aus, dass Immunzellen zu den krankhaften Folgen der Adipositas beitragen", sagt Professor Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Doch welche Prozesse sich bei der Stoffwechselentgleisung genau abspielen, ist bis heute wenig verstanden." Rodewalds Arbeitsgruppe gelang nun ein erster Schritt, um diese Frage zu klären: Die Forscher identifizierten ein Enzym der Immunzellen, das für die krankhaften Vorgänge erforderlich ist.
Das Enzym Kit ist an der Entwicklung von Blut- und Immunzellen sowie auch von Stammzellen beteiligt. Dr. Dario Gutierrez, Erstautor der aktuellen Arbeit, verglich Mäuse mit funktionsfähigem Kit mit Artgenossen, bei denen das Enzym ausgeschaltet war.
Setzten die Forscher alle Tiere auf eine fettlastige Diät, so waren die Mäuse mit Kit-Defekt vor Adipositas und Insulin-Resistenz geschützt. Die Mäuse mit funktionierendem Kit nahmen dagegen an Gewicht zu und erlitten die damit verbundenen Stoffwechselstörungen.
Kit spielt neben seinen Funktionen in Immunzellen auch bei vielen Immunsystem-unabhängige Prozessen eine Rolle. So reguliert es z. B. auch die Leberfunktion und wirkt auf das zentrale Nervensystem oder auf die Insulinausschüttung. Verantwortlich für die Adipositas und die daraus resultierenden Stoffwechselentgleisungen sind jedoch die Kit-tragende Immunzellen, und nicht die Immunsystem-unabhängigen Effekte, wie die DKFZ-Forscher in weiteren Experimenten zeigen konnten. "Jetzt kennen wir das Schlüsselmolekül für die krankhafte Entwicklung, müssen aber noch herausfinden, welche der vielen verschiedenen Zellarten des Immunsystems tatsächlich beteiligt sind", sagt Hans-Reimer Rodewald.
Das Enzym Kit gehört zur großen Familie der Rezeptor-Tyrosinkinasen, die bereits heute das Ziel hochspezifischer Hemmstoffe sind. Solche als Kinase-Inhibitoren bezeichneten Medikamente bremsen das Zellwachstum verschiedener Krebsarten. So wird etwa Imatinib zur Behandlung bestimmter Leukämien (CML) und Tumoren des Verdauungstrakts (GIST) eingesetzt. "Interessanterweise gibt es einen Bericht über einen Krebspatienten, bei dem sich ein Typ-2-Diabetes unter Behandlung mit Imatinib zurückentwickelte. Dieser Befund spricht dafür, dass es auch beim Menschen eine Verbindung zwischen Kit und dem metabolischen Syndrom geben könnte", vermutet Hans-Reimer Rodewald.
Dario A. Gutierrez, Sathya Muralidhar, Thorsten B. Feyerabend, Stephan Herzig und Hans-Reimer Rodewald: Hematopoietic Kit deficiency, rather than lack of mast cells, protects mice from obesity and insulin resistance. Cell Metabolism 2015, DOI: 10.1016/j.cmet.2015.04.013
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden.
Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.