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10 mal "Zeichen setzen" am Weltdiabetestag

Prof. Morotn Schütt Von Morten Schütt (Bild), Simone von Sengbusch, Hans Lauber, Bastian Hauck und Hendrik Lehnert

Mehr als 360 Millionen Erwachsene leiden weltweit an Diabetes. Bereits in kurzer Zeit wird jeder zehnte Mensch weltweit von dieser Erkrankung betroffen sein. Schon jetzt entfallen über 20 Prozent der Gesundheitskosten auf die Erkrankung Diabetes mellitus - Tendenz steigend. Mehr denn je kommt es darauf an, Diabetes besser zu verstehen, um gemeinsame Konzepte für morgen und übermorgen zu finden.

1. Ohne Register keine Ahnung

Wesentliche Basis für die Entwicklung erfolgreicher nationaler Konzepte zur Prävention oder Behandlung von Diabetes stellt ein transparentes und zentral geführtes Register dar. Nur so können Erfolg und Misserfolg frühzeitig erkannt sowie entsprechende Maßnahmen begründet und umgesetzt werden. Nur so kann verhindert werden, dass viel Geld planlos ausgegeben wird und innovative Konzepte aufgrund von Geldmangel verhindert werden. Wir brauchen den politischen Willen für ein einheitliches, deutschlandweites Konzept, um über Diabetes aufzuklären, Diabetes vorzubeugen und Diabetes so früh wie möglich zu erkennen. Wir brauchen jetzt einen nationalen Diabetes-Plan.

2. Jeder Typ ist anders

Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterscheiden sich wesentlich bezüglich Ursachen, Behandlungsoptionen und gesundheitlicher Risiken. Typ-1-Diabetes beginnt plötzlich, zumeist im Kindesalter, und muss mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung lebenslang mit Insulin behandelt werden. Typ-2-Diabetes entsteht nicht über Nacht, sondern stellt das Resultat einer jahrelangen Eingewöhnung in einen Diabetes-fördernden Lebensstil dar. Viele Patienten erleiden bereits in dieser Phase folgenschwere Komplikationen, während die spätere Behandlung erhöhter Blutzuckerwerte allein kein Leben rettet. Medizinische und sozio-ökonomische Entscheidungen erfordern auf jeder Ebene der Versorgung eine klare Differenzierung zwischen beiden Erkrankungen. Dies schließt insbesondere auch die Wahrnehmung einer steten Zunahme an Fällen mit Typ-1-Diabetes ein.

3. Die Zukunft hat längst begonnen

Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität haben kann. Insbesondere Menschen mit einem Typ-1-Diabetes profitieren von technischen Lebenshilfen, die in den letzten Jahren wiederholt verbessert werden konnten. Standard in der Therapie des Typ-1-Diabetes ist die Insulinpumpentherapie, da auf diese Weise der natürliche Insulinbedarf am effektivsten nachgestellt werden kann. Leider wird vielen Patienten, die eine solche Therapie erhalten möchten, die Insulinpumpe durch komplizierte Anträge und Vorgaben verwehrt. Ein solcher Vorgang, der einen Leistungsnachweis und ein Gutachten beinhaltet, gilt auch für Kinder, obwohl diese nicht alleinverantwortlich für ihre Gesundheit sind. Das chronisch kranke Kind muss von dieser Regelung ausgenommen werden und bei der Finanzierung von Hilfsmitteln eine Sonderstellung einnehmen. Vielmehr sollte jedem Betroffenen mit Typ-1-Diabetes unter 18 Jahren ohne besondere Auflagen eine Insulinpumpentherapie zur Verfügung gestellt werden, wenn es sich diese Therapie wünscht und diese nachweislich durchführen kann.

4. Trendalarm Unterzucker

Wiederholte Unterzuckerungen haben erhebliche Konsequenzen für die körpereigene Energieregulation und die Stabilität der Blutzuckerwerte. Gefährlich sind insbesondere schwere Unterzuckerungen, die nicht wahrgenommen werden. Kontinuierliche Messsysteme stellen bereits jetzt eine große Lebenshilfe dar, um auf Knopfdruck 5-minütlich ohne Blutstropfen aktuelle Werte zu erhalten. Vor allem kann in Nachtphasen entsprechend vor einer Unterzuckerung gewarnt zu werden. Während in vielen Ländern derartige Sensoren Patienten mit Typ-1-Diabetes zur Verfügung stehen, gelingt in Deutschland nur in Einzelfällen eine Kostenübernahme. Besonders kleine Kinder mit Typ-1-Diabetes können von kontinuierlichen Messsystemen profitieren und den Eltern regelmäßige Nachtmessungen ersparen. Angesichts der eindeutigen Fortschritte und Vorteile, ist eine Verordnungsfähigkeit für kontinuierliche Sensoren bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes ohne jegliche Vorgaben, sowie, bei entsprechend klaren Indikationen, auch bei Erwachsenen mit Typ-1-oder Schwangerschaftsdiabetes zu fordern. Für Menschen mit Typ-2-Diabetes ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Unterzuckerungen das Risiko für einen Herzinfarkt unmittelbar erhöhen und somit unbedingt vermieden werden müssen. Es ist daher zu fordern, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes Zugang zu modernen Therapieformen erhalten, die nicht mit einem Unterzuckerungsrisiko einhergehen.

5. Individuell schlägt pauschal

Behandlungserfolge in der Diabetologie hängen stark von einer Berücksichtigung individueller Besonderheiten der betroffenen Menschen ab. Therapiekonzepte und Ziele müssen zum Patienten passen, damit sie erfolgreich sind. Eine Leitlinie für alle gibt es nicht. Um diese aktuellen Erkenntnisse bestmöglich umzusetzen, braucht die Versorgung von Menschen mit Diabetes in Deutschland erfahrene und qualifizierte Diabetologen nebst einer konsequenten Nachwuchsförderung. Die Expertise der qualifizierten Diabetologie ist gesundheitspolitisch unverzichtbar. Die Langzeitbetreuung von Kindern mit Diabetes ist nur mit einem spezialisierten Team möglich und bedarf einer adäquaten Finanzierung dieser umfangreichen Leistung

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6. Jeder Zweite hat keine 2. Chance

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben ein sehr hohes Risiko, frühzeitig komplexe Gefäßerkrankungen wie z. B. einen Herzinfarkt zu erleiden. Statistisch ist die Lebenserwartung eines Menschen mit Typ-2-Diabetes trotz umfangreicher therapeutischer Anstrengungen reduziert. Das hohe Risiko für schwerwiegende Gefäßereignisse bei Typ-2-Diabetes trifft auf eine 40 prozentige Wahrscheinlichkeit, innerhalb von 28 Tagen bei akutem Herzinfarkt zu versterben. Eine rechtzeitige Wahrnehmung dieses Risikos kann Leben retten, wenn Konzepte zur Risikoreduktion konsequent verfolgt und durch alle Ebenen im Gesundheitssystem unterstützt werden.

7. Wer alt werden will, muss aktiv etwas dafür tun

Diese Botschaft betrifft grundsätzlich jeden modernen Menschen. Der Zusammenhang zwischen frühzeitiger Sterblichkeit und Blutzucker-Erhöhung, Fettleibigkeit, ungesunder Ernährung und fehlender körperlicher Aktivität ist eindeutig. Auf der anderen Seite stellt diese Information eine vielversprechende Basis dar, um in jeder Phase der Erkrankung das Risiko für Komplikationen positiv zu beeinflussen. Aufgrund der vielversprechenden Effekte der Lebensstil-Interventionen muss in einer Situation, in der bislang etablierte Therapiekonzepte nicht eindeutig erfolgreich sind, eine solche Behandlungsoption konsequent verfolgt und professionell umgesetzt werden. Es geht darum, Lebensstil-Experten in die Behandlungsabläufe aktiv einzubinden, damit betroffene Menschen lernen, einen gesunden Lebensstil eigenverantwortlich und selbstständig umzusetzen. Aktive Menschen, die durch solche Maßnahmen medikamentöse Therapien einsparen, müssen durch das Gesundheitssystem belohnt werden.

8. Wer nicht misst, kann nicht handeln

Der Blutzuckerwert ist bei Menschen mit Diabetes ein unentbehrliches Lenkrad im Alltag. Für Betroffene mit einer Insulintherapie stellt der aktuelle Wert die Basis für eine selbstständige Therapiesteuerung dar. Darüber hinaus kann jeder Mensch mit Diabetes durch die Höhe des Blutzuckerwertes erfahren, welche Verhaltensweisen und Einflüsse des Lebensstils positiv oder negativ auf die Erkrankung wirken. Er hat die Chance, mit Hilfe der Information Blutzucker eigene Erfahrungen zu sammeln und präventiv zu handeln. Die Blutzuckerselbstmessung stellt damit auch für Patienten ohne Insulintherapie ein wichtiges Instrument zur eigenverantwortlichen Umsetzung von Lebensstil-Interventionen dar. Es müssen Wege gefunden werden, den Einsatz von Blutzuckerselbstmessungen adäquat zu kommunizieren und Menschen, die auf diese Weise Ihre Erkrankung positiv beeinflussen, Teststreifen zur Blutzuckerselbstmessung zur Verfügung zu stellen.

9. Gefahr aus dem Supermarkt

Es ist unstrittig, dass stark Zucker- und fetthaltige Lebensmittel das Risiko für Übergewicht und Diabetes erhöhen. Damit haben Hersteller, die solche Produkte ohne entsprechende Hinweise vertreiben, eine wesentliche Verantwortung für die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung. Der Zugang zu ungesunden Produkten muss durch eine Gesundheitssteuer auf stark Zucker- und/oder fetthaltige Lebensmittel, z.B. Fast Food, Süßigkeiten und gesüßte Getränke, unmittelbar kontrolliert und erschwert werden. Dies gilt auch für die Werbung für ungesunde Produkte. Der Gewinn sollte direkt in das Gesundheitssystem fließen und Projekten zur Gesundheitsförderung zugutekommen.

10. Fokus alternde Menschen

Es wird erwartet, dass bis 2030 die Anzahl an Fällen mit einem Typ 2 Diabetes in der Altersgruppe 55 bis 74 Jahre um ca. 1,5 Millionen zunehmen wird. Bereits jetzt hat jeder 4. Mensch in Pflegeeinrichtungen einen Diabetes. Die adäquate Versorgung dieser Patientengruppe stellt eine besondere Herausforderung dar, da viele der Betroffenen eine Insulintherapie erhalten und durch Unterzuckerungen gefährdet sind. Es geht darum, Pflegeberufe und Angehörige so fortzubilden, dass Krankenhauseinweisungen aufgrund von Nebenwirkungen der Diabetestherapie verhindert werden können. Hierzu zählen auch die eindeutige Kommunikation individueller Zielwerte und eine kritische Diskussion der eingesetzten Therapiekonzepte. Ferner muss auf eine Zunahme an geriatrischen Patienten mit einem Typ-1-Diabetes eingegangen werden.

Die Autoren

Prof. Dr. med. Morten Schütt
Bereichsleiter Diabetes & Stoffwechsel, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.
Dr. med. Simone von Sengbusch
Oberärztin Mobile Diabetesschulung Schleswig-Holstein, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.
Bastian Hauck
Segler und Buchautor, Gründer von www.abenteuer-diabetes.de, Berlin.
Hans Lauber
Lebensstiländerer und Buchautor, Gründer von www.lauber-methode.de, Beirat Deutsche Diabetes-Stiftung DDS, Köln.
Prof. Dr. med. Hendrik Lehnert
Ärztlicher Direktor, UKSH Campus Lübeck, Direktor Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

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Bildunterschrift: Prof. Dr. med. Morten Schütt
Bildquelle: Privat

zuletzt bearbeitet: 08.11.2012 nach oben

Wir danken Herrn Professor Schütt vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) für die freundliche Publikationsgenehmigung.

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