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Teststart für neues Medikament gegen Typ-1-Diabetes

Aktuelles von der DDG-Jahrestagung in Stuttgart

Wird es bald eine Heilung für Typ-1-Diabetes geben? Prof. Dr. Eckhard Lammert vom Kompetenznetz Diabetes mellitus (KKNDm) konnte an Mäusen einen Zusammenhang von Parkinson und Diabetes nachweisen. Lammert testet an Mäusen ein für Parkinson zugelassenes Medikament auf seine mögliche Eignung als Heilmittel gegen Typ-1-Diabetes.

Vorgeburtlicher Stress bedingt häufig ein niedriges Geburtsgewicht. "Diese Kinder haben ein doppelt so hohes Diabetes Risiko wie normalgewichtige Neugeborene", so Dr. Teresa Tamayo vom KKNDm.

Feinstaubbelastung und Infektionen mit Enteroviren erhöhen das Diabetesrisiko, so Dr. Wolfgang Rathmann (KKNDm) und Dr. Mikael Knip von der Universität Helsinki.

Wird es in absehbarer Zukunft eine Heilung für Typ-1-Diabetes geben? Noch liegt eine Genesung dieser Autoimmunerkrankung, bei der körpereigene Antikörper die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zerstören, in ferner Zukunft. Einen kleinen Hoffnungsschimmer vermittelte jedoch der Vortrag von Prof. Dr. Eckhard Lammert, Koordinator des Themenbereiches "Prä-Klinik" des Kompetenznetzes Diabetes mellitus, auf der Frühjahrstagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) vor einer Woche in Stuttgart.

An Mäusen konnte er einen Zusammenhang von neurogenerativen Erkrankungen - insbesondere Parkinson - und dem Diabetes nachweisen. "Betazellen ähneln den Zellen des Zentralen Nervensystems", berichtete Lammert. "Beide reagieren empfindlich auf oxidativen Stress und erholen sich nur schwer." Die Betazellen produzieren Insulin, das für die Regulation der Blutzuckerkonzentration verantwortlich ist. Mäuse, denen das bei der Zellantwort gegen oxidativen Stress (z. B. durch freie Radikale) benötigte Protein DJ1 fehlt, wiesen eine geringere Betazellmasse auf als diejenigen Mäuse ohne diesen Gendefekt.

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes - insbesondere bei Diabetikern über 70 Jahre - wurde bereits nachgewiesen, dass sie über weniger DJ1 als Gesunde verfügen. Der Nachweis für Typ-1-Diabetiker steht noch aus. Das Protein DJ1 spielt auch bei der Entstehung der Parkinson Erkrankung eine Rolle. Lammerts Studiengruppe testet daher aktuell an Mäusen ein für Parkinson zugelassenes Medikament auf seine mögliche Eignung als Heilmittel gegen Typ-1-Diabetes.

Diabetes beginnt im Mutterleib

Für die Entstehung von Diabetes mellitus werden neben Erbanlagen auch Umweltfaktoren verantwortlich gemacht. Nach neuesten Erkenntnissen entsteht Diabetes bereits im Mutterleib: Fehlernährung, Rauchen, Stress und ein niedriger beruflicher Status der Mutter (manuelle Tätigkeit) während der Schwangerschaft können das Risiko für die Stoffwechselerkrankung Typ-2-Diabetes beim Ungeboren erhöhen. Dies legte Dr. Teresa Tamayo vom Kompetenznetz Diabetes mellitus dar. Diese vorgeburtlichen Stressfaktoren bedingten häufig ein niedriges Geburtsgewicht.

"Kinder mit einem niedrigen Geburtsgewicht haben ein doppelt so hohes Risiko an Diabetes zu erkranken wie normalgewichtige Neugeborene", so Tamayo. "In der Bauchspeicheldrüse dieser Kinder lässt sich bereits eine verringerte Betazellmasse nachweisen." Bei Typ-2-Diabetes entsteht im Verlauf der Erkrankung eine verminderte Insulinempfindlichkeit der Betazellen (Insulinresistenz) - die Betazellleistung lässt nach. Das Insulin kann nicht mehr ordnungsgemäß im Zielorgan wirken. Aus diesem Grund ist Übergewicht im späteren Kindes- und Erwachsenenalter für Personen mit niedrigem Geburtsgewicht besonders schädlich.

Feinstaubbelastung und Infektionen als Auslöser für Typ-2-Diabetes

Zu den Umwelteinflüssen, welche die Entstehung von Diabetes mellitus begünstigen, zählt auch die Luftverschmutzung: So referierte Dr. Wolfgang Rathmann, ebenfalls Mitglied des Kompetenznetzes Diabetes mellitus, eigene Daten und Ergebnisse weiterer internationaler Studien, die ein erhöhtes Typ-2-Diabetesrisiko in Gegenden mit einer hohen Konzentration an Feinstaub und Stickstoffoxiden nachweisen. Gleiches gilt bei einer Wohnentfernung von weniger als 50 Metern zu einer dicht befahrenen Straße. Als mögliche Ursache nannte Rathmann Entzündungsprozesse im Körper, die durch eine Exposition mit Feinstaub ausgelöst werden. Diese spielen eine Rolle bei der Entwicklung der Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes.

Umweltfaktoren spielen auch bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes eine Rolle. Dr. Mikael Knip, finnischer Gastredner des Kompetenznetzes Diabetes mellitus von der Universität Helsinki, erwähnte in seinem Überblick zur Pathogenese von Typ-1-Diabetes die Beteiligung von Infektionen mit Enteroviren an der Entwicklung der Autoantikörper, die die Entstehung der Erkrankung einleiten. Am häufigsten trat im Abstand von sechs Monaten nach einer Enterovirus-Infektion eine Serokonversion (Entwicklung der Autoantikörper) auf. Zu den Enteroviren zählen beispielsweise verschiedene Polio- und Coxsackieviren. Sie verursachen vielfältige Symptome, unter anderem die "Sommergrippe" und Brechdurchfälle, Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) oder Meningitis (Hirnhautentzündung).

Während Typ-1-Diabetes die bei Kindern und Jugendlichen am weitesten verbreitete Stoffwechselerkrankung darstellt, galt Typ-2-Diabetes lange Zeit als "Altersdiabetes". Heute betrifft diese chronische Erkrankung jedoch auch Kinder und Jugendliche. Dr. Joachim Rosenbauer stellte - basierend auf dem nordrhein-westfälischen Diabetesregister, das sich unter anderem auf die bundesweite DPV-Datenbank stützt - die Neuerkrankungsraten bei Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und 19 Jahren in Nordrhein-Westfalen vor. Im Zeitraum zwischen 2002 und 2010 wurden dort 276 Betroffene dieser Altersgruppe mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes registriert. Die DPV-Datenbank ist mit 280.000 erfassten Diabetikern das größte Patientenregister Deutschlands. 370 Zentren aus Deutschland und Österreich sind daran beteiligt (weitere Informationen: http://www.d-p-v.eu).

In der Gesamtbevölkerung erkranken jeden Tag mehr als 700 Personen neu an Typ-2-Diabetes, wie der Privatdozent Dr. Bernhard Kulzer vom Kompetenznetz Diabetes mellitus ausführte. Fast jeder dritte Deutsche über 70 Jahre ist nach seinen Angaben Diabetiker. Doch die Dunkelziffer ist hoch. "In der Altersgruppe der 35- bis 74-Jährigen kommt auf einen diagnostizierten Diabetesfall ein unentdeckter", so der Psychodiabetologe.

Das Kompetenznetz Diabetes mellitus wird seit 2008 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziele des Kompetenznetz: den Ursachen von Diabetes auf den Grund zu gehen, Entstehungsbedingungen zu erforschen und die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern. Momentan laufen im Kompetenznetz Diabetes Interventions- und Beobachtungsstudien zu den Themen Schwangerschaftsdiabetes und Diabetes bei Kindern und Erwachsenen.

Weitere Informationen unter http://www.kompetenznetz-diabetes-mellitus.net.

zuletzt bearbeitet: 30.05.2012 nach oben

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