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Abgezählt: Ein Blutzuckerteststreifen für dich, zwei für mich …

KVen entscheiden über Menge der Teststreifen für Diabetiker

Die Krankenkassenärztlichen Vereinigungen (Kven) reglementieren die Verordnung von Blutzuckerteststreifen für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker bundesweit. Je nach "Schweregrad" der Krankheit, sind unterschiedliche Mengen an Teststreifen pro Quartal für die Patienten vorgesehen.

Nicht-insulinpflichtige Typ-2-Diabetiker müssen selbst die Kosten für ihre Teststreifen tragen, Insulinanaloga und deren Nutzen werden in Frage gestellt und die Anträge auf Insulinpumpen zunehmend abgelehnt. Und damit immer noch nicht genug, wird die Anzahl der von der Krankenkasse bezahlten Blutzuckertestreifen für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker anhand eines Orientierungsrahmens durch die Organisationen der Ärzte festgelegt.

Zum Verständnis: Teststreifen sind Medizinprodukte (In-vitro-Diagnostica) und werden auf das Budget des Arztes angerechnet. Die Kassenärztlichen Vereinigungen geben den Ärzten deshalb zur Budget-Planung eine Empfehlung an die Hand, wie viele Teststreifen ein Diabetiker im Schnitt pro Quartal benötigt.

Nach Berechnungen der Krankenkassenärztlichen Vereinigungen sollte ein erwachsener Typ-1-Diabetiker mit 450 Teststreifen pro Quartal auskommen. Dies entspricht drei bis fünf Messungen pro Tag. Viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass der Arzt bereits eine Messung vor dem Essen und eine Messung zwei Stunden danach empfiehlt.

Bei Kindern und Jugendlichen wird dem Arzt z. B. durch die KV in Bayern ein Orientierungswert von immerhin 600 Teststreifen vorgegeben. Dieser ist begründetet durch die kindliche Entwicklung. Mit etwa 5-7 Teststreifen pro Tag fällt es Kindern und Jugendlichen schwer eine optimale Stoffwechseleinstellung zu erreichen. Denn nicht nur pubertätsbedingt sind häufigere Messungen nötig. Auch spontane Aktivitäten oder nicht vorhersehbare Verhaltensänderungen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Die körperliche als auch seelische Entwicklung des Kindes darf unter der Begrenzung der Menge an Teststreifen doch keinesfalls leiden.

Das Bayerische Ministerium für Umwelt und Gesundheit verdeutlicht auf Anfrage des DDB richtig: "… die tatsächlich notwendige Menge an Teststreifen hängt ausschließlich vom Einzelfall ab". Deshalb könne die verordnete Menge an Teststreifen im konkreten Fall auch verringert oder erhöht werden, hieß es weiter. Der Widerspruch wird deutlich: warum eine Reglementierung über die Menge der zu verordneten Teststreifen schaffen, wenn der Arzt dann doch nach Einzelfall entscheiden muss? Dies ist auch ein Mehraufwand für den Arzt. Letzterer muss der Krankenkasse gegenüber eine Begründung liefern, warum der Patient mehr Teststreifen benötigt. Sollte dies zu Schwierigkeiten führen, bleibt dem Patienten noch die Möglichkeit Schmerzensgeld anzufordern.

Der Vorsitzende des Deutschen Diabetiker Bundes, Dieter Möhler, gibt zu verstehen: "Wird die Teststreifenmenge eingeschränkt, führt dies zu einer schlechteren Stoffwechselsituation. Daraus resultierende Beschwerden nehmen Diabetikern die Möglichkeit zur freien Lebensgestaltung." Er verweist auf § 27 SGB V. Dieser besagt, dass eine Verschlimmerung der Stoffwechselsituation zu vermeiden ist und Beschwerden durch die Krankheit zu lindern sind. Die Leistungen der Krankenkassen haben sich daran auszurichten. Möhler weiter: "Ein Wirtschaftlichkeitsgebot muss doch in den Hintergrund treten, soweit die Durchsetzung eines solchen die Patienten gefährdet. Nur eine entsprechende Versorgung führt zu Qualitätssicherung!"

Der DDB fordert eine Entscheidung nach Einzelfall über die Verordnung der Menge an Teststreifen pro Quartal, ohne vorgegebenen Orientierungsrahmen der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Patienten können den Gürtel nicht noch enger schnallen, ihre Lebensqualität leidet damit zunehmend.

zuletzt bearbeitet: 24.08.2011 nach oben

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Dr. phil. Axel Hirsch

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