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Eine beherrschbare, aber häufig unerkannte Gefahr bei Diabetes

Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. Bode im Rahmen einer Pressekonferenz der Bayer Vital GmbH zur 46. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) am 1. Juni 2011 in Leipzig.

Vorhofflimmern bei Menschen mit Diabetes

Entstehung, Bedeutung und Behandlungsperspektiven

Prof. Dr. Christoph Bode Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste klinisch relevante Herzrhythmusstörung. Die Prävalenz beträgt 0,7 Prozent in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen und steigt bis auf 17,8 Prozent in der Gruppe der mindestens 85-Jährigen. In Deutschland leiden nach Schätzungen 800.000 Menschen an VHF, wobei die Zahl aufgrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren steigen wird. Als Ursachen kommen vor allem arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Kardiomyopathien, Klappenvitien, Myokarditiden, Hyperthyreose und Alkohol in Frage. Weitere Faktoren, die die Entstehung von Vorhofflimmern begünstigen, sind ein hohes Lebensalter und Diabetes.

Beim VHF kontrahieren die oberen Kammern (Vorhöfe) des Herzens unregelmäßig, was zu unspezifischen Beschwerden wie Herzrasen, Atemnot, Schlafstörungen und Müdigkeit führt. Doch nicht in jedem Fall äußert sich die Herzrhythmusstörung durch deutliche Symptome, weshalb VHF häufig unerkannt bleibt.

Im Unterschied zum Kammerflimmern ist VHF primär nicht lebensbedrohlich, begünstigt jedoch die Entstehung von Embolien. Aufgrund hämodynamischer Veränderungen können sich in den Vorhöfen Thromben bilden, die sich lösen und zu embolischen Gefäßverschlüssen führen können. Nicht-valvuläres VHF erhöht das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um das Fünffache gegenüber gleichaltrigen Menschen mit Sinusrhythmus, wobei VHF-assoziierte Schlaganfälle besonders schwerwiegend sind und eine 1-Jahres-Mortalitätsrate von rund 50 Prozent aufweisen.

Diabetes und Vorhofflimmern

Hilfreich zur Abschätzung des individuellen Schlaganfallsrisikos bei VHF ist der CHADS2-Score, der beeinflussende Faktoren gewichtet wertet. Neben Herzerkrankungen (C = Congestive heart failure), arterieller Hypertonie (H = Hypertension), einem Alter über 75 Jahren (A = Age) und vorangegangenen Schlaganfällen (S = Stroke) gehört auch Diabetes mellitus (D) zu den unabhängigen Risikofaktoren, die das Auftreten von Schlaganfall bei Patienten mit VHF begünstigen. Die ADVANCE Studie hat zudem gezeigt, dass VHF bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit einer ungünstigen Prognose assoziiert ist, verbunden mit einem Anstieg von tödlichen und nichttödlichen kardiovaskulären Ereignissen. Bevölkerungsstudien zeigen eine Diabetes-Prävalenz bei 13 Prozent der VHF-Patienten.

Umgekehrt ist das Risiko für Vorhofflimmern und andere kardiovaskuläre Erkrankungen bei Menschen mit Diabetes etwa zwei- bis vier Mal so hoch wie bei Stoffwechselgesunden. Rund 75 Prozent aller Menschen mit Diabetes in Deutschland versterben an Herz-Kreislauf Erkrankungen. Zahlreiche Studien belegen ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko gegenüber Nicht-Diabetikern. Insbesondere Menschen mit Diabetes benötigen daher eine intensive Risikokontrolle und eine ihrem Alter und Komorbiditäten entsprechende VHF-Therapie.

Zur Blutgerinnungshemmung (Antikoagulation) werden Vitamin-K-Antagonisten (VKA) mit einer international normalized ratio (INR) zwischen 2 und 3 empfohlen. Die Prophylaxe mit VKA ist zwar wirksam, sie hat allerdings Nachteile. So weisen VKA zahlreiche Wechselwirkungen mit Nahrungs- und Arzneimitteln auf und haben eine schmale therapeutische Breite, sodass Blutungskomplikationen drohen. Die Dosierung muss daher durch engmaschige Kontrollen der Blutgerinnung überwacht und gegebenenfalls angepasst werden.

Diese Umstände führen dazu, dass eine beträchtliche Zahl der Patienten mit VHF und Schlaganfallrisiko nicht adäquat oder trotz bestehender Indikation nicht mit VKA behandelt wird. Es besteht daher Bedarf an wirksamen und sichereren Medikamenten, die einfach zu dosieren sind und keine routinemäßige Kontrolle der Gerinnungsfunktion erfordern.

Behandlungsperspektiven

Ein möglicher Kandidat ist Rivaroxaban. Dieser direkte orale Faktor-Xa-Inhibitor ist seit 2008 zur Thromboseprophylaxe bei erwachsenen Patienten nach elektiven Knie- oder Hüftgelenkersatzoperationen zugelassen. Seine Anwendung muss nicht durch Laborkontrollen überwacht werden, es gibt keine relevanten Nahrungsmittelinteraktionen und das Risiko für Interaktionen mit häufig verwendeten Arzneimitteln ist gering. Außerdem muss Rivaroxaban nur einmal täglich gegeben werden, sodass seine einfache Anwen¬dung als weiterer Vorteil gesehen werden kann.

Rivaroxaban wurde in der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Studie ROCKET AF mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin zur Schlaganfall-Prophylaxe bei Patienten mit VHF verglichen. Eingeschlossen wurden 14.264 Patienten, die randomisiert entweder einmal täglich Rivaroxaban oder Warfarin erhielten. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Kombination aus Schlaganfall und systemischen Embolien außerhalb des zentralen Nervensystems. Primärer Sicherheitsendpunkt war die Kombination aus schweren und nicht schweren, klinisch relevanten Blutungen.

Die Ergebnisse der Studie sind für Rivaroxaban positiv zu bewerten. Aus Sicht des Kardiologen ist Rivaroxaban daher geeignet, die Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit persistierendem und permanentem VHF sicherer und einfacher zu machen. Nach der Zulassung kann der direkte orale Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban eine gute Alternative zu vorhandenen Therapieoptionen sein.

Quellen

  • Heeringa J et al. Prevalence, Incidence and Lifetime Risk of Atrial Fibrillation: the Rotterdam Study. Eur Heart J 2006; 27: 949-953
  • http://www.kompetenznetzvorhofflimmern.de/patienten/patienteninformation/volkskrankheitvorhof-flimmern/index.php (zugegriffen am 27.04.2011)
  • Hart RG und Halperin JL. Atrial Fibrillation and Stroke: Concepts and Controverses. Stroke 2001: 32; 803-808
  • Marini C, De Santis F, Sacco S, et al. Contribution of Atrial Fibrillation to Incidence and Outcome of Ischemic Stroke: Results from a Population-based Study. Stroke 2005; 36: 1115-19
  • Advance, Du et al., European Heart Journal 2009
  • Neurology 2007;69:546
  • Turpie AGG. Warfarin Replacements: Mechanisms Underlying Emerging Agents. Can J Cardiol 2008; 24 Suppl C: 56-60C
  • Havard J. Why are We so Bad in Primary Care at Initiating Warfarin in Atrial Fibrillation Patients? Br J Cardiol. 2009; 16(5): 237-40
  • Fachinformation Xarelto
  • Am Heart J. 2010 Mar;159(3):340-347.e1.

Bildunterschrift: Prof. Dr. Christoph Bode
Bildquelle: Bayer HealthCare AG

zuletzt bearbeitet: 01.06.2011 nach oben

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