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SGS - Ein Schulungsprogramm für geriatrische Diabetespatienten:
Geben Sie älteren Diabetikern bessere Schulungschancen
Hamburg - Hand aufs Herz: Haben Sie nicht auch schon bei einem älteren, multimorbiden Patienten auf eine Schulung verzichtet, da sie sich davon keinen Erfolg versprochen haben? Haben Sie andererseits nicht auch Patienten, die Sie 10 Jahre jünger geschätzt haben?
In der Tat ist Alter ein sehr relativer Begriff. Dies wurde von Dr. med. Dr. Univ. Rom Andrej Zeyfang vom Bethesda Krankenhaus in Stuttgart mit einigen Beispielen veranschaulicht. Viele Patienten höheren Lebensalters leiden neben Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus auch unter Inkontinenz, Immobilität, Sehstörungen und anderen Beschwerden. Eine Diabetesschulung kann bei diesen Patienten schwierig sein.
Daher sollte diesen Patienten die Chance zur Teilnahme an einem speziellen Schulungsprogramm gegeben werden. Optimal sei eine Schulung, die auf die Lernbedürfnisse und Lebensumstände älterer Patienten mit Diabetes zugeschnitten sei, so Zeyfang. Diese Kriterien erfüllt die Strukturierte geriatrische Schulung (SGS), die von der Arbeitsgemeinschaft für Diabetes und Geriatrie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) mit Unterstützung der BERLIN-CHEMIE AG entwickelte wurde. Wie eine Evaluationsstudie zeigt, hilft es den Teilnehmern, ihre Therapie selbstständig durchzuführen und eine bessere Blutzuckereinstellung zu erzielen.
Mehr als zwei Drittel aller Diabetiker sind über 65 Jahre alt. Bei 75 bis 80jährigen hat jeder 4. einen Diabetes mellitus. Die Zahl der "geriatrischen Diabetiker" in Deutschland wird auf 1 bis 2 Millionen geschätzt.
Klinisch fassbar wird dies neben der Diagnose Diabetes mellitus durch die sogenannten "geriatrischen I's": Immobilität, Inkontinenz, Intellektueller Abbau und Instabilität u. a.. Wenn Fehlernährung, chronische Schmerzen, und diabetesassoziierte Komplikationen wie vaskuläre Erkrankungen, Depressionen, Schlafstörungen oder schlecht heilende Wunden hinzu kommen, geht dies nicht nur auf Kosten der Lebensqualität, sondern bedroht auch die Selbstständigkeit.
Persönliche Ziele in der Geriatrie
Laut Zeyfang stehen für die Betroffenen drei Ziele ganz oben:
- Erlangung und Erhalt größtmöglicher Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
- Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen.
- Größtmögliche körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Ob Menschen mit Diabetes diese Ziele auch im Alter noch realisieren können, hängt stark von der Behandlung ihres Diabetes ab. "Je schlechter die Stoffwechsellage, desto ausgeprägter die kognitiven Leistungseinschränkungen", betonte Zeyfang und wies darauf hin, dass Diabetiker im Vergleich zu Stoffwechselgesunden ein bis zu 3fach höheres Demenzrisiko tragen. Trotzdem ist es nicht realistisch, das gleiche Stoffwechselziel wie junge Diabetiker, nämlich einen HbA1c von 6,5 % anzustreben. Angemessener ist es, einen individuellen Zielwert zu vereinbaren, so wie es in den Leitlinien "Diabetes im Alter" der Arbeitsgemeinschaft "Diabetes und Geriatrie" der DDG empfohlen wird.
Die Schulung als Säule der Diabetestherapie
Allerdings sind ältere Patienten häufig mit den Lerninhalten der üblichen Diabetikerschulungen überfordert, weil sie nicht nur schlechter sehen und hören, sondern ihre Lern- und Merkfähigkeit aufgrund alters- bzw. krankheitsbedingt beeinträchtigt sind. Schulungsprogramme für geriatrische Diabetiker müssen deshalb an diese Besonderheiten angepasst werden und auch das Lebensumfeld dieser Patienten berücksichtigen. So wirkt lernbegünstigend, wenn die Teilnehmer körperlich aktiviert und zu Beiträgen ermuntert werden oder zwischendurch etwas in der Gruppe erarbeiten. Wichtig sind die Bereitstellung geeigneter Materialien und die Übertragbarkeit der Aufgabe auf den Alltag.
SGS: Interaktives Lernen mit vielen Wiederholungen in Kleingruppen
Diese Anforderungen erfüllt das strukturierte Schulungsprogramm für geriatrische Diabetiker (SGS). Nach dem Prinzip "so einfach wie möglich, so detailliert wie nötig§ steht die Umsetzung des Gelernten auf Alltagssituationen im Vordergrund. Das Ziel ist "Empowerment", damit sich die Teilnehmer in der Lage fühlen, ihr Diabetesmanagement so weit wie möglich selbst in die Hand zu nehmen. Ihnen wird durch das SGS vermittelt, dass es ganz konkret um ihr eigenes Wohlbefinden, ein besseres Gedächtnis, höhere Mobilität, geringerer Schwindel, weniger Stürze und geringe Harninkontinenzbeschwerden geht. Das interaktive Schulungsprogramm SGS wird dabei in Kleingruppen von vier bis sechs Teilnehmern in sechs Unterrichtsstunden à 45 Minuten, bei Insulintherapie sieben Stunden durchgeführt.
SGS motiviert und erhöht die Selbständigkeit
Evaluiert wurde das strukturierte Schulungsprogramm SGS in einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen Studie, bei der 155 multimorbiden Patienten mit mindestens einem geriatrischen Syndrom geschult wurden. Die Teilnehmer waren über 65 Jahre alt und spritzten Insulin. Der Schulungserfolg wurde mit Teilnehmern der Standardschulung "Behandlungs- und Schulungsprogramm für Typ-2 Diabetiker, die Insulin spritzen" von Berger et al. verglichen. Die aufwendige Studie erfasste als metabolischen Parameter den HbA1c-Wert sowie die Zahl der Hypoglykämien und prüfte das Diabeteswissen in einem standardisierten Wissenstest. Des Weiteren wurde Umgang mit Insulin und Pen wurde getestet. Unmittelbar nach der Schulung waren in der SGS-Gruppe 88 % fähig, die Insulininjektion und Selbstkontrolle selbstständig durchzuführen. In der Standardschulungsgruppe waren es nur 76 %.
Selbständigkeit bleibt nach SGS-Schulung langfristig erhalten
Sechs Monate später, als eine zweite Erhebung der meisten Parameter bei 119 Patienten stattfand, waren die Unterschiede zwischen den beiden Schulungen deutlicher. In der SGS-Gruppe war die Therapiezufriedenheit größer als in der Vergleichsgruppe, speziell die Angst vor Hyperglykämien war geringer. Der HbA1c-Wert hatte sich in der SGS-Gruppe um durchschnittlich 0,5 % senken lassen. Des Weiteren traten signifikant weniger Hypoglykämien als in der Standardschulungsgruppe auf.
Quelle:
Pre-Session der BERLIN-CHEMIE AG: "Diabetes im Alter - alles ganz anders - auch die Schulung", Dienstag 15.05.2007, 19.00 - 20.30 Uhr, 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2007.