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Interventionsstudien

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Jörg Tafel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Universitätsklinikum Heidelberg, Innere Medizin I und Klinische Chemie, im Rahmen eines Symposiums auf der 42. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) in Hamburg.

Lohnt sich Gewichtsabnahme bei Kindern?

In unseren Kindern steckt die Zukunft - und die sieht adipös aus! Im Rahmen der NHANES-III-Studie wurde in Vergleichskollektiven von 6- bis 11-jährigen Kindern eine Verdopplung der Prävalenz von Adipositas in den Beobachtungszeiträumen von 1976-1980 bzw. 1999-2002 in den USA festgestellt und betrifft ca. 15 % der Kinder dieser Altersklasse. Unter deutschen Kindern und Jugendlichen liegt die Prävalenz der Adipositas zwischen 10 und 20 %. Wenn man zudem Studiendaten berücksichtigt, denen zufolge bis zu 75 % der adipösen Kinder auch im Erwachsenenalter adipös bleiben, so lässt dieses eine weitere deutliche Zunahme von Adipositas in allen Altersgruppen unserer Bevölkerung befürchten.

Zahlreiche Studien zeigen das Auftreten metabolischer Störungen wie Dyslipidämie, gestörte Glukosetoleranz sowie arterielle Hypertonie im Zusammenhang mit Adipositas schon im Kindesalter. Diese kardiovaskulären Risikofaktoren begründen bereits im Kindes- und Jugendalter ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit ein erhöhtes relatives Mortalitätsrisiko durch Myokardinfarkt oder Insult. So konnte in der Bogalusa Heart Study nachgewiesen werden, dass Adipositas im frühen Kindesalter mit der Entstehung eines Myokardinfarkts oder eines Apoplex im Erwachsenenalter assoziiert ist.

Interventionsstudien

Interventionsstudien, welche ein Programm mit inhaltlicher Anlehnung an die Leitlinien der Fachgesellschaften mit Ernährungseinheiten unter Einbeziehung der Eltern und gemeinsamen Kochen, Sportaktivitäten sowie Verhaltenstherapie mit Einbeziehung der Eltern durchführen, zeigen gute Kurzzeiteffekte, wobei anders als in der Erwachsenenmedizin nicht zwangsläufig eine Gewichtsabnahme das Ziel ist, sondern vielmehr die Gewichtskonstanz, so dass die Kinder aus dem Übergewicht herauswachsen. So zeigte ein Interventionsprogramm für adipöse Kinder in unserem Haus über 6 Monate in enger Kooperation mit der Universitätskinderklinik eine Reduktion der Insulinresistenz von initial 66 % auf 34 %, eine Besserung der Dyslipidämie von 25 % auf 14 % und eine Besserung der Endothelfunktion, welches eine Vorstufe der Ateriosklerose darstellt, von initial 35 % auf 15 % bei einer gleichzeitigen Gewichtsreduktion von 32.0 kg/m auf 30.7 kg/m.

Für langfristig evaluierte Programme gibt es jedoch nur unzureichende Evidenz. Eine Expertenkommission der Deutschen Diabetes-Gesellschaft führt gerade eine Sichtung der bisher veröffentlichen Literatur durch, es zeigt sich jedoch, ähnlich wie in der Erwachsenenmedizin, dass eine nachhaltige Gewichtsreduktion nur schwer zu erreichen ist. Die Ursachen erscheinen vielseitig, ein Faktor ist sicherlich, dass die Straßenspielkultur zugunsten der Computerkultur verloren geht und so die Kinder ein fehlendes Gefühl und Verständnis für ihren Körper erlangen und nach den Programmen wieder in ihre alten Lebensgewohnheiten verfallen. Die oft nur seltenen Schulsportstunden können dieses sicherlich nicht ausgleichen und die Sportvereine sind oft leistungsorientiert ausgelegt, so dass die oft nicht so leistungsstarken adipösen Kinder hier durch Frustration die Lust an der Bewegung verlieren.

Deshalb versuchen wir mit einem neuen Sportkonzept, der sogenannten Ballschule, entwickelt von dem Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Roth und unterstützt durch die Manfred Lautenschläger und Günter Reimann-Dubbers-Stiftung, spielerisch den Kindern das Bewegungsgefühl ohne Erfolgsdruck wiederzugeben. Mit den neu erlernten Fähigkeiten können dann die Kinder in bereits angebotenen Vereinsballschulen Anschluss finden, um so wieder Spaß am Sport zu bekommen.

Fazit

  1. Interventionsprogramme bei adipösen Kindern sind sinnvoll und haben zumindest gute Kurzzeitergebnisse bezüglich einer Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren.
  2. Langzeitevaluationen liegen bisher unzureichend vor, es scheint jedoch durch den Rückfall in alte Lebensgewohnheiten schwierig zu sein, die nachhaltige Gewichtsreduktion zu erreichen.
  3. Neue Programme, die die Kinder langfristig anbinden und spielerisch wieder der Bewegung zuführen wie zum Beispiel das "Ballschule"-Programm der Universität Heidelberg, sind erforderlich.

zuletzt bearbeitet: 15.05.2007 nach oben

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