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IDF-Symposium in Kapstadt

Blutzucker-Selbstkontrolle hilft Patienten und Kostenträgern

Mit regelmäßiger Blutzucker-Selbstkontrolle (SMBG) lassen sich die jährlichen Behandlungskosten eines Menschen mit Typ-2-Diabetes um bis zu 1.727 Euro senken. Grund für die Kostenersparnis ist das seltenere Auftreten von Komplikationen und Folgeerkrankungen bei Diabetikern, die ihren Blutzucker selbst kontrollieren. Die International Diabetes Federation (IDF) empfiehlt daher, die SMBG für alle Menschen mit Diabetes in das Standard-Therapieregime zu integrieren.

Aktuell geben Kostenträger weltweit jährlich zwischen 153 und 286 Milliarden internationale Dollar für die Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes aus. Doch die Zahl der Menschen, die an diesem Wohlstandsleiden erkranken, wächst ständig und treibt die Kosten weiter in schwindelerregende Höhe - Modellberechnungen zufolge könnten die jährlichen Ausgaben der Gesundheitssysteme weltweit im Jahr 2025 auf bis zu 396 Milliarden internationale Dollar ansteigen und damit sieben bis 13 Prozent der Gesamtetats verschlingen [1]. Bei einem Symposium der International Diabetes Federation (IDF) am 3. Dezember 2006 in Kapstadt (Südafrika) diskutierten die Experten daher über die Möglichkeit, mit Hilfe eines breiten Einsatzes der Blutzucker-Selbstkontrolle (SMBG) diesen Kostenanstieg zu bremsen.

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Diabetes-Folgekomplikationen sind der wahre Kostentreiber

Der Gesundheitsökonom Dr. Helmut Wenzel von der Firma Roche Diagnostics erinnerte in seiner Kosten-Nutzen-Bewertung für die SMBG daran, dass nicht der Diabetes selbst, sondern seine Folgeerkrankungen und Komplikationen die Kassen der Kostenträger belasten: "Mit einem Diabetes mellitus sind viele andere Risikofaktoren verbunden. Besonders teuer ist die Behandlung makro- und mikrovaskulärer Komplikationen. Hauptziel muss es daher sein, Diabetes-induzierte Folgeerkrankungen möglichst zu vermeiden." Anhand von Daten aus der ROSSO-Studie [2] rechnete Wenzel vor, dass die regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrolle die Behandlungskosten pro Patient um jährlich bis zu 1.727 Euro und im 8-Jahres-Verlauf sogar um bis zu 14.000 Euro senken kann [3]. Denn Menschen mit Diabetes leben gesünder und leiden seltener unter schwerwiegenden Folgeerkrankungen, wenn sie regelmäßig und eigenverantwortlich ihren Blutzucker selbst kontrollieren. [4]

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Beste Kosten-Nutzen-Relation bei ein bis zwei Messungen pro Tag

Wenzel bedauerte, dass die hohen Ausgaben für die Behandlung von Folgeerkrankungen viel zu selten in die Kosten-Nutzen-Bewertung der SMBG einfließen. "Dabei verschlingen die direkten Kosten für Komplikationen 60 Prozent der gesamten Behandlungskosten für den Typ-2-Diabetes, während das Monitoring nur mit vier Prozent zu Buche schlägt." Die beste Kosten-Nutzen-Relation lässt sich für alle Menschen mit Typ-2-Diabetes nach Wenzels Berechnungen mit durchschnittlich ein bis zwei Messungen pro Tag erzielen. "Ein effizientes Diabetes-Management ist möglich", resümierte Wenzel, "und es gibt klare Evidenz dafür, dass die Blutzucker-Selbstkontrolle zu einer Veränderung des Lebensstils bei Diabetikern und damit zur Kostensenkung beiträgt."

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Verhaltensänderung führt zu messbaren medizinischen Ergebnissen

Der Diabetes-Experte Professor Dr. Richard Bergenstal vom Internationalen Diabetes Zentrum in Minneapolis, Minnesota (USA) erläuterte, dass nicht die SMBG an sich, sondern die resultierende Verhaltensänderung zu messbaren medizinischen Effekten führt. Zum einen motiviert die aktive und eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit ihren Blutzuckerwerten Menschen mit Diabetes, ihr Verhalten zu ändern - beispielsweise also eine Mahlzeit abzuwandeln oder sich mehr zu bewegen. Gleichzeitig erleichtert es die ereignisgesteuerte Blutzucker-Selbstkontrolle dem Arzt und dem Patienten, sich Ziele für die Entwicklung der Blutzuckerwerte zu setzen und die Dosierung von oralen Antidiabetika oder Insulin bedarfsgerecht anzupassen.

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Große Beobachtungsstudien spiegeln den Versorgungsalltag

Daten zur breiten gesundheitsökonomischen Relevanz der Blutzucker-Selbstkontrolle lassen sich am besten in großen Beobachtungsstudien gewinnen, wie Professor Dr. Hubert Kolb vom Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) in Düsseldorf erklärte. "Randomisierte Doppelblindstudien sind zwar die beste Methode um mit hohem Evidenzgrad eine Relation zwischen Ursache und Wirkung zu belegen. Doch sie sind aufgrund ethischer Restriktionen in vielen Fällen nicht praktikabel", sagte Kolb. Zudem spiegelt die notwendige strikte Auswahl des Patientenkollektivs in randomisierten Doppelblindstudien die gängige Praxis in der alltäglichen Flächenversorgung nur bedingt wieder. Hier sind retrospektive Beobachtungsstudien wie die ROSSO-Studie im Vorteil.

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Blutzucker-Selbstkontrolle für alle Menschen mit Typ-2-Diabetes

Die Relevanz der Daten aus der ROSSO-Studie hat mittlerweile auch die International Diabetes Federation (IDF) bestätigt. Professor Dr. Stephen Colagiuri aus Sydney (Australien) wies darauf hin, dass die IDF in ihren aktuellen Leitlinien [5] fordert, die Blutzucker-Selbstkontrolle für alle Menschen mit Diabetes in das Standard-Therapieregime zu integrieren, welches für entwickelte Gesundheitssysteme empfohlen wird.

Quellen
[1] Diabetes Atlas, 2. Auflage, IDF 2003.
[2] Martin et al.: Retrolective Study Self-Monitoring of Blood Glucose and Outcome in Patients with Typ 2 Diabetes, Diabetologia 49; 2 (2006): 271-278.
[3] Wenzel, MAS H., Kapstadt, 3.12.06: Does SMBG save Money? Body of current knowledge.
[4] Weber et al.: Cost of type 2 diabetes in Germany over 8 years (the ROSSO study No. 2), in: Journal of Medical Economics 2006; 9: 45-53.
[5] IDF Clinical Guidelines Task Force. Global guideline for type 2 diabetes. Brussels: International Diabetes Federation, 2005.

zuletzt bearbeitet: 16.01.2007 nach oben

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