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Neu: Blutzucker-Selbstmanagement Report Deutschland 2006

Wissenslücken bei Menschen mit Diabetes in Deutschland - Auch Fachpersonal muss umdenken

2.000 Menschen mit Diabetes in Deutschland wurden Anfang 2006 im Rahmen einer von Roche Diagnostics unterstützten Umfrage zur Qualität des Blutzucker-Selbstmanagements befragt. Anhand der ausgefüllten Fragebögen wurde ermittelt, inwieweit wichtige Details, die den Alltag mit Diabetes einfacher machen, schon in der Lebensrealität angekommen sind.

Die jetzt vorliegenden Ergebnisse offenbaren erhebliche Wissens- und Informationsdefizite. "Die vorhandenen Informationen und deren Vermittlung halten oft nicht Schritt mit den wesentlichen Änderungen der vergangenen Jahre in Technologie und Therapie bei Diabetes", fasst Prof. Theodor Koschinsky, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zusammen. "Das bezieht sich aber nicht nur auf die Menschen mit Diabetes selbst, sondern auch auf die Ärzte und das weitere Fachpersonal." Dabei ermöglichen moderne Produkte des Blutzucker-Selbstmanagements heute mehr Therapie- und Lebensqualität und somit ein einfacheres Leben mit Diabetes.

Wer seine Blutzuckerwerte regelmäßig kontrolliert und auswertet, schafft die Grundlage für ein gesundes Leben mit Diabetes. Denn nach der richtigen Blutgewinnung und Messung ermöglicht erst die Dokumentation aller relevanten Daten den Überblick, der nötig ist, um Therapie und Lebensstil individuell anzupassen und Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Eine sanfte Blutgewinnung ist ein wichtiger erster Schritt: Für 73 Prozent der Befragten ist sie wichtig oder sehr wichtig. Dennoch wählt fast ein Drittel (31 Prozent) die schmerzhafteste Stelle zur Blutgewinnung: die Mitte der Fingerkuppe. Dass die Blutgewinnung an der seitlichen Fingerbeere aufgrund der weniger zahlreichen Nervenbahnen sanfter gelingt, dass moderne Stechhilfen mit geführter Vor- und Rückwärtsbewegung der Lanzette das Nachschwingen in der Haut verhindern - diese und weitere Faktoren, die die Blutgewinnung und damit das Blutzucker-Selbstmanagement erleichtern, sind Menschen mit Diabetes oft nicht geläufig.

Eine Ursache dafür sieht Prof. Koschinsky auch bei den Behandlern: "Nur wenn das Fachpersonal, etwa bei Bluttests in der Arztpraxis, die Kapillarblutentnahme richtig durchführt und eben nicht in die Mitte der Fingerkuppe sticht, hat auch der Patient die Möglichkeit, diese Verhaltensweisen für die eigene sanfte Blutgewinnung zu nutzen."

Mögliche Fehlerquellen der Messung oft unbekannt

Sandra Rose-Fröhlich, Diabetesberaterin aus Hamburg, bestätigt die weit verbreitete Unsicherheit im Umgang mit den Geräten und Prozessen der Blutzucker-Selbstkontrolle: "Aus meiner praktischen Erfahrung weiß ich, dass viele Patienten nicht mit den Messgeräten umgehen können und sich dementsprechend nicht sicher sind, was die Messergebnisse anbelangt." Rose-Fröhlich schätzt, dass mindestens 20 Prozent der Blutzuckermessenden Fehler beim Messvorgang unterlaufen und wundert sich, "dass nur sieben Prozent der befragten Menschen mit Diabetes zweifeln, ob sie bei der Messung alles richtig machen."

Anscheinend wissen viele Befragten nicht, welche Fehlerquellen es geben kann: So können etwa Einflüsse äußerer Faktoren wie Wärme, Kälte oder Luftfeuchtigkeit das Messergebnis beeinflussen. 64 Prozent sind sich nicht darüber im Klaren, dass - wie bei manchen Lebensmitteln auch - Teststreifen bei angebrochener Packung vor dem angegebenen Haltbarkeitsdatum verfallen können. "Einen Vorteil bieten hier moderne Messsysteme, die nach Einlegen des Teststreifens automatisch ermitteln, ob das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Sie können außerdem weitgehend ausschließen, dass es durch Einflüsse wie den Temperaturunterschied zwischen Gerät und Teststreifen zu ungenauen Messergebnissen kommt", erklärt Rose-Fröhlich. Viele Menschen mit Diabetes wissen nicht, dass die moderne Technik sie derart bei der Blutzucker-Selbstkontrolle unterstützen kann.

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41 Prozent finden Messen unterwegs zu kompliziert

Aus diesem Wissensdefizit resultieren auch die Hürden, die viele bezüglich des mobilen Messens empfinden. Viele scheinen nicht zu wissen, wie einfach und schnell dies mit der richtigen Technik gelingen kann: 41 Prozent derjenigen, die Messungen gelegentlich ausfallen lassen, finden das Messen unterwegs zu kompliziert. 37 Prozent empfinden das Messen in der Öffentlichkeit als unangenehm.

Sandra Rose-Fröhlich: "Von der Warte der Therapiequalität aus betrachtet, ist es wichtig, auch unterwegs zu messen. Die Blutzuckerwerte regelmäßig, in allen relevanten Situationen wie Essen oder Bewegung, zu ermitteln, ist Grundvoraussetzung für eine optimale Therapie. Diesen Zusammenhang zwischen flexibler Blutzucker-Selbstkontrolle und mehr Qualität im alltäglichen Leben müssen wir den Patienten stärker vermitteln."

Auch hier kann die Technik helfen, Hürden abzubauen: Bei kompakten Blutzuckermesssysteme mit integrierten Teststreifen und Stechhilfe hat man beispielsweise mit einem Griff alle Utensilien parat und kann die Messung flexibel in einer Hand durchführen.

Vier von zehn Befragten dokumentieren Werte nicht oder unregelmäßig

Eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung der Therapiequalität kommt auch der Dokumentation der Blutzuckerwerte zu. "Für mich sind dokumentierte Blutzuckerwerte die Grundlage jeder Therapieentscheidung", erklärt Dr. med. Martin Lederle, Diabetologe aus Stadtlohn.

"Die Umfrage hat ergeben, dass 39 Prozent der Befragten ihre Werte gar nicht oder nur unregelmäßig dokumentieren, und dass nur vier Prozent der Dokumentierer dies am Computer tun." Dabei ist die Auswertung der gemessenen Blutzuckerwerte und ihrer Begleitdaten, etwa der zugeführten Insulinmengen, eine Maßgabe für den individuellen Therapieverlauf: "Ein Wert ist kein Wert. Erst im Zusammenhang mit Rahmenbedingungen und im Verlauf ist die Datendokumentation und -auswertung sinnvoll", verdeutlicht Dr. Lederle.

Eigenverantwortung des Patienten erfordert Engagement des Arztes

"Meine Patienten bitte ich, wenigstens das Blutzuckermesssystem mit in die Praxis zu bringen. Wir haben dank moderner Auslesegeräte die Möglichkeit, die Werte aus dem Blutzuckermesssystem auszulesen und ohne Software-Installierung auf meinen PC zu übertragen. Durch die einfache und schnelle Darstellung am Bildschirm kann ich dem Patienten seine Werte, den Verlauf und welche Konsequenzen daraus gezogen werden können, sehr anschaulich vermitteln", erklärt Dr. Lederle und kritisiert, dass in Hausarztpraxen die Werte des Patienten viel zu selten angesehen würden. Dadurch sei der Patient häufig nicht motiviert, die Datendokumentation oder sogar die Messung weiter zu betreiben.

Dieses Motivationsdefizit auf der Seite des Fachpersonals stellt auch Prof. Koschinsky fest: "Ein Umdenken ist gefragt. Ärzte sollten mit Diabetikern auf Augenhöhe zusammenarbeiten und den Patienten ernst nehmen in seiner Fähigkeit, mit dem Diabetes eigenverantwortlich umzugehen."

zuletzt bearbeitet: 05.12.2006 nach oben

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