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Nervenschmerzen messbar machen:

Quantitativ Sensorische Testung gibt Einblick in die Schmerzmechanismen

Patienten mit Nervenschmerzen empfinden mitunter schon einen Wattebausch auf der Haut oder die Berührung mit der Kleidung als schmerzhaft. Dabei können gleiche Symptome bei unterschiedlichen Erkrankungen auftreten und umgekehrt. Um Nervenschmerzen wirkungsvoll zu behandeln, muss man daher herausfinden, welche Mechanismen beim jeweiligen Patienten den Schmerz auslösen. Dazu hat der vom BMBF geförderte Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) das Instrument der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) entwickelt.

Anhand eines standardisierten Protokolls werden das gesamte Spektrum der schmerzbedingten Beeinträchtigungen von Patienten mit Nervenschmerzen untersucht und die Schmerzsymptome einer genauen Analyse unterzogen: Wie nimmt der Patient Kälte wahr? Ab wann empfindet er Hitze als schmerzhaft? Wie fühlt er unterschiedliche Berührungsreize? Die Methode, die international auf große Beachtung stößt, erlaubt erstmals Rückschlüsse auf die genaue Ursache von Nervenschmerzen, etwa welche Nervenfasern betroffen sind. Über ihre Forschungsergebnisse, die sie kürzlich in der Zeitschrift "Pain" veröffentlich haben, berichten die Forscher beim Deutschen Schmerzkongress 2006.

Bei dem Verdacht auf Funktionsstörungen der Nerven beschränkte man sich bisher darauf, die Geschwindigkeit der Reizleitung eines Nerves zu messen. "Die Ergebnisse sagen aber nichts darüber aus, welcher Mechanismus hinter der Störung steckt", erklärt Prof. Dr. Christoph Maier vom Forschungsverbund. Die quantitative sensorische Testung besteht hingegen aus einer Reihe festgelegter Tests: So wird zum Beispiel mittels einer Sonde auf der Haut festgestellt, ab wann der Patient Kälte oder Wärme als schmerzhaft empfindet. Auch die Schmerzschwelle bei einem Nadelstich wird gemessen, ebenso wie die Empfindlichkeit gegenüber Vibration und anderen leichten Berührungen.

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Profil der Schmerzen hilft bei der Medikamentenauswahl

Aus den Messergebnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Mechanismen ziehen, die den Schmerz verursachen, und auf dieser Grundlage kann der Arzt dann die optimale - mechanismen-basierte - Schmerztherapie aufbauen. Diese an den Symptomen orientierte Therapie ist bei Nervenschmerzen deswegen erfolgversprechend, weil dieselbe Erkrankung bei verschiedenen Patienten ganz unterschiedliche Symptome hervorrufen kann. Andererseits können denselben Symptomen unterschiedliche Erkrankungen zugrunde liegen. "Das genaue Profil des Schmerzes bei einem Patienten kann uns Hinweise darauf geben, von welchem Medikament er wahrscheinlich am besten profitieren wird", so Prof. Dr. Ralf Baron, gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Tölle Sprecher des Forschungsverbunds.

Über 1000 Patienten untersucht

Über 1000 Patienten sind bisher mit dem neuen Instrument untersucht worden; alle Daten werden zentral in einer Datenbank gesammelt und analysiert. Durch den Vergleich mit den Daten gesunder Testpersonen haben die Mitglieder des Forschungsverbunds auch erstmals genaue Kriterien festlegen können, ab wann neuropathischer Schmerz vorliegt. "Diese Kriterien sind wichtig auch für die Therapie, denn Nervenschmerz muss mit ganz anderen Medikamenten behandelt werden als andere Schmerzen", erklärt Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede vom Forschungsverbund.

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Sechs Prozent der Bevölkerung sind betroffen

In Deutschland leiden etwa sechs Prozent der Bevölkerung an neuropathischen Schmerzen. Die Schmerzen entstehen als Folge von Verletzungen oder Erkrankungen von Gehirn, Rückenmark und Nerven. Ursachen können etwa Operationen sein (z.B. Phantomschmerz nach Amputation), Schlaganfälle, Multiple Sklerose und Rückenmarksverletzungen, aber auch Diabetes oder Gürtelrose (Herpes Zoster). Neuropathische Schmerzen gehen häufig mit brennenden Dauerschmerzen oder einschießenden Schmerzattacken einher. Die Patienten leiden oft auch über unangenehmes Kribbeln oder Taubheit und über eine extreme Empfindlichkeit gegen leichte Berührung der Haut.

Forschungsergebnisse schnell in die Praxis

Der DFNS, der vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert wird, wurde mit der Absicht ins Leben gerufen, neuropathische Schmerzen besser zu verstehen und den Patienten besser zu helfen. Der klinisch-wissenschaftliche Leitgedanke, dass jeder einzelne Schmerzmechanismus eine spezifische Therapie erfordert (mechanismen-orientierte Therapie), soll in konkrete und zeitnah klinisch anwendbare Ergebnisse umgesetzt werden. Nächstes Ziel ist eine Redzierung der jetzt noch in universitären Spezialeinrichtungen angewendeten QST-Testbatterie auf ein in der allgemeinmedizinischen Praxis machbares Maß. Damit sollen alle Ärzte eine Möglichkeit haben, die Schmerzen ihrer Patienten detailliert zu erfassen und damit zielgerichtet die individuell richtige Therapie einzuleiten.

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 11.10.2006 nach oben

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