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Der selbstverantwortliche Patient: Schlüssel für eine erfolgreiche Typ-2-Diabetes-Therapie

Abstract zum Vortrag von PD Dr. Dipl.-Psych. Katrin Lange, Leiterin der Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover, im Rahmen der "Elmauer Gespräche 2006" - einer Informationsveranstaltung für Fachjournalisten von der Firma Roche Diagnostics.

Motivation zu lebenslanger Diabetestherapie: Chancen und Barrieren

Bereits in den 50er Jahren wurde das "Health Belief Model" als eines der ersten psychologischen Konzepte zur Vorhersage präventiven Gesundheitsverhaltens publiziert. Es beruht auf der Annahme, dass subjektive Einschätzungen (health beliefs) und nicht objektive Fakten das selbstverantwortliche therapeutische Handeln des Einzelnen im Alltag bestimmen.

Die heute als Therapie der Wahl anerkannte intensivierte Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes ist ohne eine aktive und selbstverantwortliche Rolle der Patienten nicht realisierbar. Gleiches gilt für die notwendigen und oft weitgehenden Veränderungen des Lebensstils bei Typ-2-Diabetes. Deren ärztliche Verordnung allein - ohne die verantwortliche Einbeziehung der Betroffenen - ist in der Regel erfolglos.[1;2] Entsprechend zählen praxisbezogene Diabetesschulungen und psychologische Hilfestellungen zur Krankheitsbewältigung und zur dauerhaften Veränderung des Lebensstils zu den zentralen Elementen moderner, evidenzbasierter Therapiekonzepte.[2] Sachliche Informationen über den Diabetes sind dabei notwendig, keinesfalls aber hinreichend, um die gesundheitliche Prognose und die Lebensqualität der Betroffenen positiv zu beeinflussen. Sie müssen durch Hilfen zur praktischen Bewältigung und emotionalen Akzeptanz des Diabetes im Alltag ergänzt werden, um die lebenslange Motivation zur Therapie aufrecht zu erhalten.[3]

Die Bereitschaft, eine (Diabetes-)Therapie auf lange Zeit umzusetzen, steigt danach mit der realistischen Einschätzung der persönlichen Risiken, der subjektiven Erfahrung und Überzeugung, dass eine Verhaltensänderung erfolgreich ist und die damit verbundenen Barrieren überwindbar sind. In vergleichbarer Weise beziehen sich neuere Konzepte zum "Empowerment" in der Diabetologie auf die persönlich bedeutsamen Ziele, Bedürfnisse, konkreten Erfahrungen und Fähigkeiten der Patienten.[4]

Für die Therapie und Schulung bei Typ-2-Diabetes ergeben sich hier aus psychologischer Sicht zwei zentrale Problembereiche:

  1. Die Gruppe der Patienten ist hinsichtlich Alter, kognitiver Leistungsfähigkeit, emotionaler Belastung, körperlicher Risikokonstellation und Veränderungsbereitschaft ausgesprochen heterogen. Standardisierte Schulungskonzepte müssen daher durch individuell zugeschnittene Angebote ersetzt werden.[1;2]
  2. Die Mehrheit der unzureichend behandelten Patienten mit Typ-2-Diabetes (HbA1c > 6,5 %) spürt lange Zeit keinerlei negative Auswirkungen auf die Befindlichkeit, ebenso sind bedeutsame Therapieerfolge kaum direkt spürbar. Um die Motivation der Patienten zu einer dauerhaften Veränderung des Lebensstils aufzubauen und zu erhalten (health beliefs, sind konkret erfahrbare Rückmeldungen im Alltag unerlässlich. Regelmäßige und/oder ereignisgesteuerte Stoffwechselselbstkontrollen stellen derzeit die beste Möglichkeit dar, um den Patienten eine subjektive Einschätzung des Risikos, vor allem aber des Erfolgs der eigenen täglichen Anstrengungen zu vermitteln. Und dieser Erfolg motiviert, die Mühen der eigenverantwortlichen Therapie dauerhaft auf sich zu nehmen.[1]

Literatur

  1. Mensing C, et al. National standards for diabetes self-management education. Diabetes Care: 2003; 26:S149-S156.
  2. Herpertz S, Petrak F, Albus C, Hirsch A, Kruse J, Kulzer B. Psychosoziales und Diabetes mellitus. Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinie DDG. Hrsg. Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und Deutsches Kollegium Psychosomatische Medizin (DKPM). Diabetes Stoffw. (2003) 12:69-93
  3. Lange K, Hirsch A (Hrsg.) Psycho-Diabetologie. Kirchheim, Mainz, 2002
  4. Anderson RM, Funnell MM. The art of empowerment. American Diabetes Association, Alexandria, 2000

zuletzt bearbeitet: 18.02.2006 nach oben

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