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Aus der Sicht der Politik: Prävention - aber wie?

Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf, Projektkoordinator des Nationalen Aktionsforum Diabetes und Gastarzt der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie, Innenstadt Klinikum der Universität München, im Rahmen der Pressekonferenz zur Veranstaltung: AND-Symposium für Praktische Diabetologie/Herbsttagung-DDG.

AND-Symposium für Praktische Diabetologie/Herbsttagung-DDG

Professor Dr. med. Rüdiger Landgraf Bereits 1989 hat die St. Vincent Declaration gefordert "Countries should give formal recognition to the diabetes problem and deploy resources for its solution. Plans for prevention, identification and treatment of diabetes, and in particular its complications [...] should be formulated of local, national and European regional levels [...]". Eine entsprechende Verpflichtung hat die Bundesgesundheitsministerin bereits l99l mit ihrer Unterschrift geleistet, jedoch ohne gesundheitspolitische Konsequenzen in den darauf folgenden Jahren.

In der Zwischenzeit ist nicht nur medizinisch, sondern auch gesundheitspolitisch und -ökonomisch klar geworden, dass das Problem Diabetes eine Dimension erreicht hat, die unbedingt alle Kräfte unserer Gesellschaft fordert. In der Betreuung von Menschen mit Diabetes wird seit 2OO2 mit den Disease-Management-Programmen versucht, flächendeckend eine strukturierte, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung anzubieten. Diese DMP haben bereits gute funktionierende regionale Diabetesvereinbarungen, die Jahre vorher auf Initiative von Diabetologen entwickelt und zusammen mit Krankenkassen implementiert und evaluiert wurden, abgelöst.

Eine optimale Versorgung von Menschen mit Diabetes und seinen vielfältigen Komplikationen ist jedoch nicht ausreichend, die "Diabetesepidemie" (insbesondere das metabolische Syndrom mit Typ-2-Diabetes) mit allen sozioökonomischen Konsequenzen zu bekämpfen. Es sind daher dringend Präventionskonzepte notwendig, die sich in nationalen (China, Finnland, USA) und internationalen Studien als hocheffektiv erwiesen haben. Dabei spielen Lebensstiländerungen (gesunde Ernährung, Gewichtsreduktion, und vermehrte körperliche Tätigkeit) bereits bei der gesunden jungen Bevölkerung, aber insbesondere bei Risikogruppen (< 45 Jahre, abdominale Adipositas mit entsprechendem Taillenumfang, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, gestörte Glukosetoleranz, um nur einige der Risikofaktoren zu nennen) eine entscheidende Rolle.

Mehrere nationale Aktivitäten sind inzwischen initiiert worden, die sich insbesondere der Prävention des Diabetes und der anderen Risiken des metabolischen Syndroms widmen:

  1. Präventionsgesetz (Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention): Bund und Länder hatten sich am 22.10.2004 auf Eckpunkte für ein Präventionsgesetz geeinigt, mit dem in unserem Gesundheitswesen die Prävention als "vierte Säule" neben Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege ausgebaut werden soll. Die von den Oppositionsparteien verständliche Kritik einer "Überregulierung" in dem Gesetzentwurf, wurde von der Regierung nicht berücksichtigt, so dass das Präventionsgesetz in der am 22.4.2005 vom Bundestag beschlossenen Form am 27.5.2005 abgelehnt wurde. Ein neuer Anlauf wird sicher erst nach der geplanten Neuwahl des Bundestages erfolgen. Die 26 Paragraphen des Präventionsgesetzes befassen sich mit Vorbeugung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten (Primärprävention), mit der Früherkennung von symptomlosen Krankheitsvor- und -frühstadien (Sekundärprävention), mit der Verhütung der Verschlimmerung von Erkrankungen und Behinderungen sowie Vorbeugung von Folgeerkrankungen (tertiäre Prävention) und schließlich dem Aufbau von individuellen Fähigkeiten sowie gesundheitsfördernden Strukturen, um das Maß an Selbstbestimmung über die Gesundheit zu erhöhen (Gesundheilsförderung). Verantwortung für die gesundheitliche Prävention haben die sozialen Präventionsträger (gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, soziale Pflegeversicherung und die neu zu gründende Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung) zusammen mit Bund, Ländern und Kommunen. In detaillierten Ausführungen werden die Verpflichtungen und Zuständigkeiten geregelt. Alle Präventionsprogramme und -maßnahmen müssen von den Entscheidungsträgern gemeinsam beschlossen werden und werden nur dann gefördert, wenn vorher Nachweis eines präzisen, nachvollziehbaren und Erfolg versprechenden Konzepts zum Qualilätsmanagement vorliegt und diese Maßnahmen qualitätsgesichert begleitet werden. Die Finanzierung (initial insgesamt 250 Millionen Euro) erfolgt anteilig über die sozialen Präventionsträger. Sowohl Höhe der Förderung als auch die hochkomplexen Regelungen und die damit verbundene Bürokratie werden wenig dazu beitragen, der Diabetesepidemie kurzfristig und effektiv zu begegnen.

  2. Gesetze §§ 20-25 des Sozialgesetzbuches V: Leistungen zur Verhütung von Krankheiten im Sinne der Primärprävention, von Vorsorge- und Gesundheitsuntersuchungen und arbeitsbedingten Gesundheitsförderungen. Diese Regelungen für die pro Versichertem etwa 2,50 Euro/Jahr bereitgestellt werden, werden von den Versicherten kaum wahrgenommen.

  3. gesundheitsziele.de (Forum zur Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitszielen in Deutschland. Kooperation des Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung mit der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. www.gesundheitsziele.de): Diese Arbeitsgruppe hat bereits 2002 detaillierte Gesundheitsziele in den drei Aktionsfeldern Primär- und Sekundärprävention und Krankenbehandlung/Rehabilitation erarbeitet und im Februar 2OO3 publiziert (gesundheitsziele.de: Bericht der AG 4: Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln). In tabellarischer Übersicht werden formulierte Ziele und Teilziele einschließlich Maßnahmenvorschläge deren Umsetzung zur Verbesserung der Gesundheitsprobleme Typ-2-Diabetes auf Bevölkerungsebene dargestellt.

  4. Nationales Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM; www.nafdm.de): Am 7. Oktober 2004 wurde das Nationale Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM) gegründet. Denn im pluralistisch strukturierten und von weit gefächerten Zuständigkeiten geprägten Gesundheitswesen Deutschlands können nachhaltige Verbesserungen in der Prävention, der Früherkennung, der Versorgung und der Forschung nur erreicht werden, wenn es gelingt, Initiativen zu bündeln und ein gemeinsames, koordiniertes und zielorientiertes Handeln aller Akteure zu erreichen. In diesem Kooperationsverbund finden sich Vertreter aus allen notwendigen Schlüsselorganen und -organisationen, z.B. aus den Ministerien, Krankenversicherungen, wissenschaftlichen und berufspolitischen Gesellschaften und lnstituten, den Selbsthilfegruppen sowie aus den ärztlichen Standesorganisationen, den nichtärztlichen Berater- und Behandler-Organisationen, politischen Parteien, der Industrie und den Medien zusammen. Diese entwickeln gemeinsam Strategien und Programme zur Verbesserung der Situation im Bereich des Diabetes mellitus: Prävention, Versorgung und Forschung. Die Deutsche Diabetes Union (DDU) koordiniert das Nationale Aktionsforum Diabetes mellitus. Die Koordination wird vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und von der Aventis Foundation gefördert. Die DDU ist der Dachverband für die Deutsche Diabetes-Gesellschaft DDG, den Deutschen Diabetiker Bund DDB, den Bund diabetischer Kinder und Jugendlicher BdKJ und den Verband der Diabetes- Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland VDBD. Positionspapiere zur Prävention und Versorgung wurden in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift 29.04.2005 und der Gesundheitsbericht 2004, Ausgabe 2005 im Kirchheim Verlag publiziert.

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Rüdiger Landgraf.
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG).

zuletzt bearbeitet: 02.09.2005 nach oben

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