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Mit Lebensmitteln heilen?

Experten für Gesundheit und Ernährung diskutierten am 27.10.04 in der Industrie- und Handelskammer in Potsdam über das Thema Wachstumsmarkt "Functional Food"

Über hundert Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Medien informierten sich über neue Erkenntnisse aus der Ernährungsforschung. "Functional Foods" sind Lebensmittel, die neben ihrem Nähr- und Genusswert einen gesundheitlichen Zusatznutzen bieten sollen, wie zum Beispiel die Prävention vor Krankheiten oder die Stärkung des Immunsystems.

"Das Potenzial der Ernährung, lebensverkürzende und kostenintensive Erkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und deren kardiovaskuläre Komplikationen zu verhindern, ist hoch. Es hängt aber nicht nur vom Zusatznutzen eines neuen Lebensmittels ab, sondern auch von dessen Akzeptanz", betont Prof. Dr. Hans Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

Weltweit stellt der Markt für funktionelle Lebensmittel ein Wachstumspotenzial von 230 Milliarden US Dollar dar. Das Umsatzvolumen liegt in Deutschland bei knapp einer Milliarde Euro, Tendenz steigend. Das Marktpotential wird auf 5,5 bis 6 Milliarden Euro geschätzt, was einem Anteil von 5-10 Prozent des Nahrungsmittelvolumens insgesamt entsprechen würde. In der EU nehmen insbesondere Milchprodukte mit 65 Prozent den größten Anteil des "Functional Food" Marktes ein.

Vor allem probiotische Joghurts und Probiotikdrinks erobern die Kühlregale der Supermärkte. Sie versprechen Fitness, Gesundheit und Wohlbefinden und sollen vor verschiedenen Krankheiten schützen. "Für bestimmte probiotische Stämme sind Effekte gefunden worden wie Reduktion von Beschwerden bei Milchunverträglichkeit, das verminderte Auftreten von Durchfällen bei Antibiotikagabe und ein vermindertes Auftreten und reduzierte Beschwerden bei infektiösen Darmerkrankungen von Kindern und bei Reisenden in tropische Länder. Die Gabe bestimmter fermentierter Milchprodukte führte auch zu einer Senkung des Blutdrucks", so Prof. Dr. Jürgen Schrezenmeir, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung der Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel.

Die verminderte Bildung gesundheitsschädlicher Stoffwechselprodukte im Dickdarm und die Verringerung der Gefahr des Auftretens von Dickdarmkrebs durch präbiotische und probiotische Lebensmittel ist in tierexperimentellen Modellen bewiesen worden. Dagegen liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine ausreichenden direkten Hinweise für die Dickdarmkrebs protektive Wirkung von Prä- und Probiotika beim Menschen vor. "Durch die gezielte und neuartige Kombination und Zubereitung von Prä- und Probiotika (sog. Synbiotika) sollte es möglich sein, diesem Ziel ein ganzes Stück näher zu kommen", erklärt Prof. Dr. Pablo Steinberg vom Institut für Ernährungswissenschaft in Potsdam.

Eine einheitliche Definition und rechtliche Regelungen für Functional Foods bestehen in der EU bisher nicht. Nach deutschem Recht werden derartige Produkte als Lebensmittel eingestuft. Daher sind Werbeaussagen hinsichtlich Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Humankrankheit untersagt.

"Der Erfolg der Functional Foods hängt langfristig vor allem davon ab, inwieweit es gelingt, ernährungsphysiologisch sinnvolle Produkte mit belegbarer Wirkung zu schaffen. Sie sind aber keinesfalls Ersatz für eine gesunde und ausgewogene Ernährung, die reich an Gemüse, Obst und Vollkorngetreide ist und bewusst mit Fett umgeht. Ein '(All)Heilmittel' sind funktionelle Lebensmittel nicht", betonte Prof. Dr. Rolf Grossklaus vom Bundesinstitut für Risikobewertung Berlin.

In der Region Berlin-Brandenburg sind einige Unternehmen aus der Obst- und Gemüseverarbeitung ansässig, die ihren Produkten Nahrungsergänzungsmittel mit funktionellem Anspruch zusetzen. In Golm wird an Pflanzen mit funktionellen Eigenschaften für den menschlichen Organismus geforscht. "Topinambur beispielsweise besitzt einen hohen Anteil an Inulin, welches starke präbiotische Eigenschaften besitzt und daher beim Verzehr im Dickdarm eine gesundheitsfördernde Wirkung hat", erklärt Prof. Dr. Müller-Röber vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Potsdam.

Für den Bereich Functional Food bietet die Region Berlin-Brandenburg eine hervorragende Forschungslandschaft. "In der Hauptstadtregion gibt es zahlreiche renommierte wissenschaftliche Einrichtungen zur Erforschung der Wirksamkeit funktioneller Lebensmittel als auch modernste Produktionsanlagen. Das vorherrschende komplizierte Lebensmittelrecht für Functional Food stellt allerdings derzeit für das wachstumsstarke Marktsegment eine große Hürde dar", so Dr. Kai Bindseil, Leiter von BioTOP Berlin-Brandenburg.

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Über BioProfil Nutrigenomik

BioProfil Nutrigenomik ist eine Fördermaßnahme des BMBF mit dem Ziel, die technologische Basis für die Nutzung der Biowissenschaften auszudehnen. Mit ihrem Profil "Genomforschung und Pflanzenbiotechnologie im Dienste der Diagnose, Verhütung und Therapie ernährungsabhängiger Krankheiten" konnte sich die Region Potsdam/Berlin im Wettbewerb um die BioProfile-Förderung des BMBF erfolgreich durchsetzen und knapp 18 Millionen Euro für die Bearbeitung von anwendungsorientierten Einzel- und Verbundprojekten zum Themengebiet Nutrigenomforschung einwerben.

zuletzt bearbeitet: 28.10.2004 nach oben

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