Prinzipien der Health On the Net Foundation.
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Görner: Diabetes-Prävention ohne Umwege
Bundesregierung verschenkt wertvolle Zeit - Zeit ist kostbar -
Saarland handelt - Präventionsangebote vor Ort nutzen Menschen
Anlässlich der Diskussion um ein neues Präventionsgesetz
erklärt Gesundheitsministerin Dr. Regina Görner auf der Landespressekonferenz am 6. Juli 2004:
Auf Bundesebene wird zurzeit über ein neues Präventionsgesetz verhandelt. Dazu hat der Bund eine
Bund-Länder-Arbeitgruppe eingerichtet. Außer Terminen gibt es allerdings nicht viel Neues. Zentrale
Frage ist und bleibt: Wird das neue Präventionsgesetz eine Alibiveranstaltung oder stellt es einen wirklichen
Neubeginn dar? Das Kernproblem der Prävention - Menschen zu gesundheitsbewussterem Verhalten und
zur Vermeidung von Erkrankungen zu veranlassen - wird mit einem Präventionsgesetz allerdings selbst
nicht gelöst. Deshalb fordere ich die Bundesregierung zum wiederholten Male auf, ein umsetzbares Konzept
zur Prävention und Gesundheitsförderung vorzulegen. Seit dem saarländischen Antrag zur Prävention im
Bundesrat 2001 wurde schon viel zu viel Zeit verschenkt. Was gestern und heute versäumt wurde, kann morgen
nur noch begrenzt wieder aufgeholt werden. Das zeigen z.B. die Erfahrungen in der Vorbeugung von Schlaganfall
oder Diabetes.
Verhaltensänderung heißt der Schlüssel zum Erfolg. Ausländische Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt,
wie Erfolge möglich sind. Dazu ist die Umsetzung von fünf Punkten erforderlich:
- Die richtige Zielgruppe erreichen
Die Bereitschaft zu gesundheitsbewusstem Verhalten ist in der Gesellschaft sehr unterschiedlich
ausgeprägt. Es gibt die Fitness-Bewussten, die sich auch ohne besondere Ansprache um ihre Gesundheit
bemühen, aber ebenso die große Anzahl derjenigen, die wenig Beziehung zu einer gesunden Lebensweise
haben und weder von ihrer Herkunft noch von ihren aktuellen Lebensbedingungen her Gesundheitsbewusstsein
entwickeln konnten. Präventionsangebote werden daher am ehesten von denen aufgegriffen, die sie am
wenigsten brauchen. Sie gehen aber allzu leicht an denen vorbei, die von ihnen am stärksten profitieren
könnten. Deshalb müssen wir weg vom Gießkannenprinzip. Settingansätze sind der richtige Weg.
- Realistische Ziele setzen
Viele Präventionsmaßnahmen scheitern an ihrem Anspruch. Verhaltensänderungen setzen voraus, dass die
Menschen Erfolge ihrer Bemühungen erkennen können. Das funktioniert nur, wenn sie Ziele anstreben, die
wirklich erreichbar sind. Wer seit der Schule sportliche Aktivitäten nur noch am Fernsehschirm konsumiert
hat, wird durch hochorganisierte Fitness-Angebote eher abgeschreckt als motiviert. Wer lange Zeit an
bestimmte Verhaltensweisen gewöhnt ist, wird auch nicht von heute auf morgen zum Gegenteil konvertieren.
Bislang sind viele Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge an Absolutheitsansprüchen ausgerichtet. Viele
Empfehlungen setzen geradezu Bekehrungserlebnisse voraus. Das ist aber völlig unrealistisch.
Dabei wären kleine Veränderungsschritte durchaus möglich und oft auch dringend nötig. Wer etwa das
Rauchen nicht aufgeben kann oder will, könnte durchaus einiges tun, um sein Schlaganfallrisiko zu
vermindern, indem er wenigstens seinen Bluthochdruck konsequent behandeln ließe.
- Eindeutige Botschaften formulieren
Da viele der zum Zweck der Prävention erforderlichen Verhaltensänderungen als Einschränkungen erfahren
werden, ohne dass die Effekte sich kurzfristig positiv bemerkbar machen, ist es notwendig, die
Botschaften nicht nur klar und eindeutig zu formulieren, sondern sie auch regelmäßig zu wiederholen.
Diese Eindeutigkeit kann aber nur erreicht werden, wenn eine Beschränkung auf wenige Themen und
Kernbotschaften erfolgt. Gute Beispiele dafür sind z.B. Kampagnen in Finnland und der Schweiz, aber
auch unser eigener Erfolg bei der Bekämpfung von Silikose im Bergbau (1952: 2 von 100 Bergleuten,
2003: 1 von 1.000 neuerkrankt) oder bei der Verhinderung von Karies. In Zukunft geht es vor
allem um die Verhütung der häufigen und kostenträchtigen Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, die
Förderung von gesunder Ernährung und Bewegung, die Eindämmung des Rauchens und die Nutzung von
Vorsorgeuntersuchungen.
- Nachhaltigkeit sichern und Kräfte bündeln
Entscheidend wäre die Entwicklung einer umfassenden, bundesweiten Kampagne, die die Verbreitung
eindeutiger Botschaften und ihre nachhaltige Wirkung sicherstellen könnte. Ohne eine bundesweite
Kampagne, die als Kampagne zu erkennen ist, geht es nicht. Bundesweit müssen über die elektronischen
Medien die gleichen Botschaften transportiert werden wie bei lokalen Aktivitäten. Die
Vorsorgebotschaften müssen im Alltag der Menschen präsent sein von Fernsehspots über Plakatwände
bis zu Hand-Outs. Eine solche Kampagne kann sinnvoller Weise nur auf
Bundesebene entwickelt werden. Weil das so ist, wird derzeit der Versuch unternommen, alle Akteure
unter einen Hut zu bekommen - Aufwand riesig, Erfolg unsicher, Umsetzung notwendigerweise enorm
bürokratieträchtig. Und die Zeit läuft uns weg. Ginge es nicht auch anders?
Ich bin davon überzeugt, dass es auch anders geht, und empfehle dafür das schöne saarländische
Prinzip.
- Wir fangen schon mal an!
Statt in aufwändigen Verfahren erst alle ins Boot ziehen zu wollen und alle Eventualitäten vorab zu
regeln, könnte man eine ganz andere Strategie wählen: Einfach anfangen. Einen Vorschlag machen und die
mit auf den Weg nehmen, die bereit sind, mitzumachen.
Aber dafür müsste die Bundesregierung endlich die Verantwortung wahrnehmen, die ihr im
Bundesgesundheitsministerium übertragen ist. Und das ist zunächst einmal eine Initialfunktion. Ich
habe schon vor Jahren vorgeschlagen, dass das Bundesgesundheitsministerium die Konzeption einer
entsprechenden Kampagne veranlassen solle, gestützt auf den Erfahrungsstand, der sich z.B. in den
Gutachten des Sachverständigenrates niedergeschlagen hat. Wenn ich mir ansehe, was wir alle in der
einen oder anderen Weise im Feld der Prävention angefangen haben, sehe ich jedenfalls eine Menge
Gemeinsamkeiten. Wenn man sich auf diese Aspekte konzentrieren würde, hätte man - jedenfalls für
den Anfang - ausreichend inhaltliches Material. Solch eine Kampagne müsste die Entwicklung der
zentralen Botschaften und eines Logos ebenso umfassen wie Vorschläge für Aktivitäten und Maßnahmen bis
hin zur Erstellung von Medien und Materialien. Nicht mehr, aber auch nicht weniger würde ich von der
Ebene der Bundesregierung erwarten. Damit wäre aber nicht die Gesamtverantwortung für die Umsetzung
und die Finanzierung der Kampagne verbunden. Die Kampagne sollte vielmehr ein Angebot sein für alle
Akteure, die sich in Deutschland an Präventionsaktivitäten beteiligen wollen, vom örtlichen Kneipp-Verein
oder der Gesundheitsgruppe eines Betriebes bis zu Landesregierungen oder Sozialversicherungsträgern.
Jeder einzelne Akteur sollte für sich entscheiden können, welche Einzelelemente er aus dem Katalog
entnehmen möchte. Aufwändige Abstimmungsmaßnahmen könnten unterbleiben. Niemand wäre gezwungen, sich
an etwas zu beteiligen, das er nicht möchte. Niemand müsste etwas finanzieren, über das er nicht
bestimmen kann. Natürlich würden am Anfang nicht alle mitmachen, aber wäre das so schlimm? Meine
Erfahrung ist, dass irgendwann ein Zugzwang entsteht: Draußen bleiben möchte man nicht gern, auch
wenn man nicht mit allem einverstanden ist. Nein zu sagen hätte dann jedenfalls einen Preis - und
nicht jeder wäre bereit, den zu zahlen.
Umso erschreckender ist es, dass Renate Künast mit der Plattform 'Ernährung und Bewegung' nun auch
noch neben Ulla Schmidt mit dem Forum für Prävention und Gesundheitsförderung eine weitere
Konkurrenzveranstaltung aufmacht.
Zentral ist, dass nicht nur geredet, sondern gehandelt wird, denn jeder Tag, der ungenützt vergeht, muss
teuer bezahlt werden - menschlich wie finanziell. Das Beispiel Diabetes zeigt: Wenn die Krankheit
frühzeitig erkannt und gut behandelt wird, lässt sie sich erheblich verringern. Zurzeit wird in
Deutschland alle 16 Minuten ein Diabetiker amputiert, alle 10 bis 20 Minuten erleidet ein
Mensch mit Diabetes einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Durch gesunde Ernährung, Abbau von
Übergewicht und ausreichende Bewegung kann eine Menge vorbeugend erreicht werden.
Anlässlich des 2. Saarländischen Schlaganfalltages 2004 wurde rund 1 Prozent der Bevölkerung
(10.036 Menschen) erreicht. Für 1.000 Menschen wurde ein persönliches Risikoprofil erstellt.
Es zeigte sich, dass die pathologischen Zuckerwerte deutlich mit dem Alter zunahmen und mit dem
gezielten niedrigschwelligen Angebot der Beratung und Information in Kliniken, vor Verbrauchermärkten
und an anderen Orten 'Betroffene' erreicht werden konnten. Einige haben sich dann direkt in die
notwendige Behandlung begeben können und so konnte für sie das Schlimmste verhindert werden. Die
Wissenschaft rechnet: durch gezielte Prävention könnten 10.000 Schlaganfälle vermieden werden,
dass heißt 10.000 mal weniger großes Leid, aber auch ein Kostenrückgang für die gesetzliche
Krankenversicherung von 350 Mio. Euro pro Jahr.
Um Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, hat das Saarländische Sozialministerium mit dem neuen
Fitness-Forum 'bürobic' zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Saarländischen Sozialministeriums
die Möglichkeit gegeben, täglich in ihrem Büro und an ihrem Schreibtisch Fitness- und Bewegungsübungen
auszuführen. Das Programm 'bürobic' ist in seiner Art und Weise einzigartig: Erstmals können MitarbeiterInnen
ihr individuelles Programm zusammenstellen - auf niedrigem Niveau, aber auch Elemente für schon
trainierte Menschen sind möglich. Trainingsfehler werden vom Programm erkannt und dem Nutzer
automatisch Alternativen aufgezeigt. Saarländische Betriebe sind nun aufgefordert, mitzumachen.
Mit der Serie 'Couch Potatoes' hat das saarländische Gesundheitsministerium
gemeinsam mit Saar TV eine Fernseh-Serie konzipiert, die Menschen dazu motivieren soll, abzunehmen
und sich mehr zu bewegen. Zielgruppe sind übergewichtige junge Menschen und Erwachsene. Als 'Helden'
der Serie fungieren Menschen mit mehr oder weniger großen Gewichtsproblemen, die bei ihren Bemühungen,
Pfunde zu verlieren, mit der Kamera begleitet werden und von ihren Erfolgen berichten.
Mit der mehrjährigen Ernährungskampagne 'Über Geschmack lässt sich streiten. Über gesunde Ernährung
nicht. Hauptsach GUDD gess' wird auf die Grundlagen gesunder Ernährung aufmerksam gemacht. Fünf kleine
Mahlzeiten halten große und kleine Leute fit, leistungsfähig und machen satt. Fünf Portionen Obst und
Gemüse sollten auf jeden Fall dabei sein, damit Krankheiten wie Krebs und Herzinfarkt weniger Chancen
haben."
Eine ausführliche Übersicht über der saarländischen Kampagnen zur Prävention und Gesundheitsförderung
des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales finden Sie unter
www.soziales.saarland.de.
Pressemitteilung: Saarland, Ministerium für
Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales.
07.06.2004
Archiv 2004
- Nachrichten zur Gesundheitspolitik
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