Prinzipien der Health On the Net Foundation.
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Gemeinsamer Bundesausschuss beschließt erste Festbetragsgruppen unter Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel
Berlin, 15. Juni 2004 - Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
hat in seiner heutigen Sitzung die Bildung von Festbetragsgruppen für Protonenpumpenhemmer (zur
Therapie von Magenerkrankungen), für Sartane (zur Behandlung des Bluthochdrucks) und für Triptane (zur
Akutbehandlung von Migräneanfällen) unter Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel beschlossen.
Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen
nach einer erneuten Anhörung der betroffenen Hersteller Festbeträge für diese Gruppen festsetzen, die als
Erstattungshöchstgrenzen die Zahlungspflicht der Krankenkassen begrenzen.
Nach In-Kraft-Treten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) am 1. Januar 2004 kann der Gemeinsame
Bundesausschuss patentgeschützte Analogpräparate unabhängig von ihren Patentlaufzeiten in die
Festbetragsregelung einbeziehen (§ 35 Abs. 1 und 1a SGB V). Ausgenommen sind
Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen
geringerer Nebenwirkungen, bedeuten.
In Festbetragsgruppen der Stufe 2 sollen Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren
Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen zusammengefasst werden
(§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V). Durch das GMG ergeben sich die
folgenden Konstellationen für die Bildung neuer Gruppen dieser Stufe:
- Gruppenbildung für patentgeschützte Analogpräparate
zusammen mit patentfreien Wirkstoffen, die bisher noch nicht festbetraggeregelt sind und
- Gruppenbildung mit ausschließlich patentgeschützten Wirkstoffen
(mindestens drei Arzneimittel).
Der G-BA hat zur Begründung seiner jetzigen und künftigen
Beschlüsse zu Festbetragsgruppen in Anwendung der genannten gesetzlichen Rahmenbedingungen allgemeine
Entscheidungsgrundlagen erarbeitet, die gleiche Kriterien für Festbetragsgruppenbildungen festlegen
und diese transparent machen sollen. Diese Entscheidungsgrundlagen sind somit allgemeiner Bestandteil
der Begründung von Beschlüssen des G-BA zur Festbetragsgruppenbildung der Stufe 2. Sie umfassen auch
ein standardisiertes, transparentes Verfahren zur Ermittlung von geeigneten Vergleichsgrößen
(§ 35 Abs. 1 Satz 5 SGB V), die bei neuen Gruppen der Stufe 2
anstelle der bisherigen Äquivalenzfaktoren treten.
In den Entscheidungsgrundlagen zur Gruppenbildung werden die gesetzlichen Kriterien
zur Gruppierung auf Wirkstoff-Ebene (Stufe 2) wie folgt konkretisiert.
Kriterien sind die pharmakologisch-therapeutische Vergleichbarkeit und die
chemische Verwandtschaft. Als Ausgangspunkt für die Feststellung der Vergleichbarkeit
von Wirkstoffen wird die anatomisch-therapeutischchemische Klassifikation der WHO (ATC-Code) als
"Aufgreifkriterium" herangezogen. Es folgt eine fachliche Überprüfung hinsichtlich der
Vergleichbarkeit von Wirkstoffen unter pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Gesichtspunkten.
Wirkstoffe sind pharmakologisch/therapeutisch vergleichbar, wenn sie über einen vergleichbaren
Wirkungsmechanismus hinaus eine Zulassung für ein oder mehrere gemeinsame Anwendungsgebiete besitzen.
Entsprechend werden bei der Überprüfung einer Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel die
Kriterien der neuartigen Wirkungsweise und der therapeutischen Verbesserung
präzisiert und zu Grunde gelegt. Ein Wirkstoff gilt als neuartig, solange derjenige
Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht. Ein
Arzneimittel mit einem patentgeschützten Wirkstoff zeigt im Vergleich zu anderen Arzneimitteln
derselben Festbetragsgruppe eine therapeutische Verbesserung, wenn in den gemeinsamen
Anwendungsgebieten ein Zusatznutzen mit einem therapeutisch relevanten Ausmaß nach dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse besteht.
Zum Nachweis der therapeutischen Überlegenheit eines Wirkstoffes müssen so genannte
Endpunktstudien vorgelegt werden, die eine signifikante Verringerung der Krankenlast und Sterblichkeit
innerhalb einer repräsentativen Bevölkerungsgruppe belegen.
Die vollständigen Entscheidungsgrundlagen sind auf der Internet-Seite
www.g-ba.de (und auf der DiabSite als
PDF-Datei, 60 kb, Anm. d. Red.)
abrufbar.
"Nach intensiver Vorbereitung hat der Gemeinsame Bundesausschuss nun heute auf der Basis
transparenter Entscheidungsgrundlagen die ersten Festbetragsgruppen unter Einbeziehung
patentgeschützter Arzneimittel beschließen können", so der Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer
Hess. "Der von Seiten der Industrie verstärkt unternommene Versuch, über die Politik den
Entscheidungsprozess zu beeinflussen, hat den Ausschuss nicht davon abhalten dürfen, seine
Entscheidung ausschließlich nach den gesetzlichen Vorgaben und objektiven Kriterien zu treffen. Die
Beschlussfassung von Festbetragsgruppen auf der Basis entsprechender Entscheidungsgrundlagen ist
der Ausgangspunkt für einen von Seiten des G-BA durchaus gewünschten offenen Dialog über die
wissenschaftliche und rechtliche Haltbarkeit der angewandten Kriterien", so Hess weiter.
Festbeträge sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung Höchstpreise für bestimmte Arzneimittel. Wenn
der Preis eines Medikaments den Festbetrag übersteigt, muss der Versicherte die Differenz selber zahlen.
Das Festbetragssystem wurde mit dem Gesundheitsreformgesetz 1988 eingeführt. Es erfasste bereits
in seiner ersten Ausprägung auch patentgeschützte Arzneimittel. Mit der siebten SGB V-Novelle 1996
wurde jedoch das Festbetragssystem deutlich eingeschränkt: Die patentgeschützten Arzneimittel wurden
von der Gruppenbildung ausgenommen.
Im Festbetrags-Anpassungsgesetz aus dem Jahr 2001 wurde das Bundesministerium für Gesundheit und
Soziale Sicherung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister bis 31. Dezember
2003 einmalig die Werte per Rechtsverordnung zu bestimmen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in
seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 die Festsetzung von Festbeträgen durch die Spitzenverbände
der Krankenkassen auf der Grundlage vom Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen beschlossener
Festbetragsgruppen für verfassungskonform erklärt hatte, ist seit dem 1. Januar 2004 der
Gemeinsame Bundesausschuss als Rechtsnachfolger dieses Bundesausschusses wieder für die Gruppenbildung
zuständig. Festbetragsgruppen als Bestandteil der Arzneimittel-Richtlinien des G-BA müssen in
geeigneten Zeitabständen überprüft werden.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. März 2004 führte zur abschließenden Klarstellung,
dass die Festlegung von Höchstpreisen für Arzneimittel durch die gesetzlichen Krankenkassen in
Deutschland nicht gegen EU-Recht verstößt und bestätigt damit die Rechtmäßigkeit des
Festbetragsfestsetzungsverfahrens.
Pressemitteilung: Gemeinsamer Bundesausschuss G-BA).
15.06.2004
Archiv 2004
- Nachrichten zur Gesundheitspolitik
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