Prinzipien der Health On the Net Foundation.
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Mehr Konkurrenz in der gesetzlichen Krankenversicherung?!
Bremer Wissenschaftler über Wettbewerb, Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen
Viel mehr Markt, ein bisschen mehr Markt oder auf keinen Fall
noch mehr Markt im Gesundheitswesen - die Meinungen über die Vor- und Nachteile des zusätzlichen
Wettbewerbs in diesem kostenintensiven und zudem ideologisch stark verminten Bereich gehen weit
auseinander. Dr. Norbert Schmacke, Professor am Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
der Universität Bremen und Leiter der Arbeits- und Koordinierungsstelle Gesundheitsversorgungsforschung
in Bremen, untersuchte die Frage, ob Wettbewerb zwischen gesetzlichen Krankenkassen die Versorgungsqualität
steigern und die Kosten effektiv senken kann. Seine Antwort: Der Wettbewerb zwischen den gesetzlichen
Krankenkassen ist nicht von vornherein abzulehnen. Schmacke sieht dadurch das hohe Maß an Sicherheit
für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht generell gefährdet. Auch der einheitliche
Leistungskatalog der Krankenversicherer steht nach Einschätzung des Bremer Gesundheitsexperten nicht
zur Disposition. In einem Beitrag in der Wissenschaftszeitung UNIVERSITAS mit dem Schwerpunkt
"Gesundheit und Gerechtigkeit" hat Norbert Schmacke seine Untersuchungen und Schlussfolgerungen
veröffentlicht.
Schmacke blickt bei seinem Artikel über den großen Teich auf das amerikanische Gesundheitswesen, in
dem es zu teilweise signifikanten Einsparungen ohne Nachteile für die Patienten gekommen ist. Daraus
zieht er den Schluss, dass Wettbewerb nicht per se abzulehnen ist. Allerdings - und daran lässt
Schmacke keinen Zweifel - werden die Voraussetzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung in
Deutschland auch künftig deutlich andere sein müssen als in dem extrem heterogenen Gesundheitsmarkt
der USA. Die einheitliche Leistungspalette der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland steht nicht
zur Disposition. Selbst wer dies für die Gegenwart oder die Zukunft anders bewertet und heute bereits
Rationierungsansätze befürchtet, kann davon ausgehen, dass der hohe Versorgungsstandard für Versicherte
in der GKV im Vergleich zu den USA generell nicht in Frage gestellt ist und wird.
Als erster großer Krankenversicherer hatte die AOK eine Gruppe von Wissenschaftlern beauftragt,
ein Gutachten zum Vertragswettbewerb zu erstellen. Darin wird gefordert, einen konsequenten
Vertragswettbewerb zuzulassen: durch Aufhebung des Kontrahierungszwangs (kein Zwang für Krankenkassen,
Mitglieder aufzunehmen) und durch Modelle sektorenübergreifender Versorgung - und dabei in
die Verträge verpflichtend Vereinbarungen über Qualitätsindikatoren aufzunehmen. Auf diese Weise
sollen alle Beteiligten der Vertragsbeziehungen in die Qualitätsdebatte einbezogen werden: die
Leistungserbringer durch Anreize zu mehr Qualitätsmanagement; die Krankenkassen auf dem Weg zu
gestaltenden statt Kosten erstattenden Sachwaltern ihrer Versicherten; die Versicherten selber mit
der Intention, ihnen mehr Markttransparenz zu schaffen und aufgeklärte Entscheidungen über die
Kassenwahl und Auswahl der Leistungserbringer zu ermöglichen.
Die Frage, ob Vertragswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung nur eine neue Modeerscheinung
ist, beantwortet Professor Schmacke folgendermaßen: "Wettbewerbselemente werden weltweit in
den unterschiedlichen Systemen der medizinischen Versorgung im nächsten Jahrzehnt größere Bedeutung
erhalten. Dabei wird die Vereinbarung von Qualitätszielen auf dem Boden von überzeugenden
Qualitätsindikatoren zunehmend Akzeptanz finden. Die öffentliche Debatte um die Fairness der
ausgewählten Qualitätsindikatoren wird zudem das interne Qualitätsmanagement in den Systemen erheblich
fördern." Die Sorge, dass mehr Markt automatisch zu einer Zweiklassenmedizin führe, sollte
nach Ansicht Schmackes nicht länger dogmatisch diskutiert, sondern durch die Entwicklung von
Transparenzmodellen aufgefangen werden.
Das Kursverhalten des "Tankers" Sozialversicherung in Sachen Wettbewerb ist kaum
prognostizierbar. Mit raschen Kurswechseln ist in Schmackes Augen nicht zu rechnen. So ist auch
das Volumen in Höhe von einem Prozent des Gesamtbudgets, das der gesetzlichen Krankenversicherung
ab 2004 für neue Modelle integrierter Versorgung zur Verfügung steht, fast noch symbolischer
Natur - und dies ist eine enorme Bremse für innovative Modelle, da die Krankenkassen nach
Meinung Schmackes künftig nicht mehr bereit sein werden, Innovationsinvestitionen außerhalb der
Budgets der Regelversorgung zu tätigen. Sicher erscheint demgegenüber, dass die publizierte Meinung
der Medien und die Einstellung der Öffentlichkeit zur Qualität der Leistungen der Medizin an
Bedeutung gewinnen werden. "Value for Money" wird auch im Gesundheitswesen längst nicht
mehr als eine anstößige Formel verstanden.
Das Schwerpunktheft der UNIVERSITAS "Gesundheit und Gerechtigkeit" mit dem Beitrag
von Professor Norbert Schmacke von der Universität Bremen kann kostenlos bei Dirk Katzschmann,
Chefredakteur der UNIVERSITAS, angefordert werden. Anschrift der Redaktion: Redaktion UNIVERSITAS,
Dirk Katzschmann, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart,
E-Mail: universitas@hirzel.de,
Tel. 0711/2582/240 oder 0711/2582/352.
Pressemitteilung: Universität Bremen.
13.02.2004
Archiv 2004
- Nachrichten zur Gesundheitspolitik
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