Prinzipien der Health On the Net Foundation.
|
|
Ineffizienzen belasten Gesundheitssystem jährlich mit mindestens 7,5 Milliarden
Euro
Nicht nur auf der Einnahmen-, sondern auch auf der Ausgabenseite
besteht im Gesundheitswesen Reformbedarf. Durch die Beseitigung von Ineffizienzen könnten nach einer
gemeinsamen Studie des RWI und der ADMED GmbH unter den gegebenen Voraussetzungen jährlich zwischen
7,5 und 10 Mrd. Euro eingespart werden. Weitere Umgestaltungen im System könnten zu mehr
Wettbewerb und weiteren Kostensenkungen führen.
Durch eine effizientere Gestaltung der Arbeitsabläufe in Krankenhäusern, bei Ärzten und Krankenkassen
könnten im deutschen Gesundheitswesen ohne Qualitätseinbußen jährlich Ausgaben von 7,5 bis
10 Mrd. Euro vermieden werden. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
könnten dadurch um 0,7 bis 0,9 Prozentpunkte sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das
RWI gemeinsam mit der Health Care Unternehmensberatung ADMED GmbH erstellt hat.
Während in der aktuellen Diskussion häufig die Reform der Einnahmenseite im Mittelpunkt steht, prüft
die Untersuchung die Möglichkeiten einer konsequenten Strukturreform auf der Ausgabenseite. Betrachtet
werden vor allem die Primärleistungen, die Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte direkt am Patienten
erbringen, sowie Sekundärleistungen von Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen wie beispielsweise
Verwaltung und Serviceeinrichtungen.
Kostensenkungen sind ohne Qualitätsverlust möglich
Bei den Primärleistungen könnten beispielsweise zwischen
0,6 und 0,8 Mrd. Euro jährlich eingespart werden, wenn Krankenhäuser sich durch wechselseitige
Spezialisierung auf Behandlungen mit jeweils hoher Fallzahl konzentrieren würden. Seltene
Behandlungsarten würden dann nur an einigen ausgesuchten Kliniken angeboten. Weil die behandelnden
Ärzte dadurch über mehr Erfahrungswerte verfügen, könnte so neben der Effizienz auch die Qualität der
Behandlung verbessert werden. Sparmöglichkeiten eröffnet auch das Konzept der "Clinical
Pathways". Hier wird die Behandlung mit dem besten - zuvor in Studien wissenschaftlich
abgesicherten - Kosten-Nutzen Verhältnis als Standard definiert. Die Folge sind kürzere Verweildauern
im Krankenhaus, die zu einem Einsparpotenzial von 1,4 bis 1,6 Mrd. Euro führen. Auch die
Möglichkeiten zu ambulanten Operationen werden bisher nur unzureichend ausgeschöpft und bergen
Einsparmöglichkeiten von durchschnittlich über 1000 Euro pro Fall, die sich auf jährlich 2 bis
2,2 Mrd. Euro summieren. Kosten von jährlich 0,6 bis 0,7 Mrd. Euro ließen sich
durch die konsequente Einführung des "Primärarztprinzips" vermeiden. Dabei laufen die
Informationen über den Patienten bei einem Arzt zusammen, der die weitere Behandlung
koordiniert.
Im Bereich Sekundärleistungen könnten Krankenhäuser Einkauf, Dienstleistungen und Wartungsverträge
bündeln sowie Dienste ausgliedern und zentralisieren. Auf diese Weise ließen sich jährlich zwischen
2,3 und 3,3 Mrd. Euro einsparen. Für die gesetzlichen Krankenkassen ergab eine grobe
Abschätzung, dass eine Senkung der Verwaltungskosten, beispielsweise durch vermehrte Kooperation
und ein kleineres Geschäftsstellennetz, zwischen 0,5 und 1,7 Mrd. Euro an Ausgabensenkungen
ermöglichen könnte. Zählt man all diese Sparmaßnahmen zusammen, ergibt sich die Gesamtersparnis von
7,5 bis 10 Mrd. Euro jährlich.
Der Patient als kostenbewusster Kunde
Neben diesen konkreten Maßnahmen untersucht die Studie auch
mögliche Systemregulierungen, für die sich Kostensenkungspotenziale nicht unmittelbar abschätzen lassen.
Die Anreize für kostenbewusste Nachfrage durch die Patienten lassen sich mittels prozentualer
Selbstbehalte für Medikamente, ambulante Behandlungen sowie stationäre Leistungen erhöhen, die
sich am Jahresbeitrag zur Krankenkasse orientieren. Präventivmaßnahmen sollten von Selbstbehalten
vollständig befreit werden. Die Patienten würden hierdurch zwar mit ungefähr 2 Mrd. Euro
jährlich zusätzlich belastet. Würden jedoch außerdem die beschriebenen Ineffizienzen beseitigt,
würde die Ausgabenseite so um insgesamt 9,5 bis 12 Mrd. Euro entlastet. Der Beitragssatz
der gesetzlichen Krankenkassen könnte dementsprechend um 0,9 bis 1,1 Prozentpunkte sinken.
Hinzu addieren sich Einsparungen durch kostenbewusstes Verhalten der Patienten.
Hinsichtlich der Vertragsstrukturen zwischen Ärzten und Krankenkassen empfiehlt sich die freie
Vertragsgestaltung. Das Verhandlungsmonopol und die Zulassungsbeschränkung der Kassenärztlichen
Vereinigungen würden entfallen. Stattdessen bieten die Krankenkassen für die medizinische
Grundversorgung Preise und gegebenenfalls auch Mengen an, die die Ärzte annehmen oder ablehnen
können. Ärzte und Krankenkassen verhandeln so direkt miteinander; es entsteht Wettbewerb mit
dämpfender Wirkung auf die Gesundheitskosten. Damit Patienten vom Wettbewerb profitieren können,
muss allerdings der Kassenwechsel problemlos möglich sein.
Weitere Deregulierungen erscheinen beispielsweise im Bereich des Wettbewerbs zwischen Apotheken und
zwischen privaten Krankenversicherern sinnvoll. Insgesamt liegt bisher allerdings nur wenig
empirische Evidenz über die Wirkung von Anreizinstrumenten bei Gesundheitsleistungen vor, was eine
Quantifizierung für diese Art von Maßnahmen erschwert. Weitere empirische Untersuchungen sind daher
dringend erforderlich.
Pressemitteilung: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V..
11.02.2004
Archiv 2004
- Nachrichten zur Gesundheitspolitik
|
|