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Forderungspapier des DDB zur Bundestagswahl 2009

Parteien werden um Stellungnahme gebeten

Der Deutsche Diabetiker Bund zur Bundestagswahl 2009

Rechtsanwalt Dieter Möhler
Dieter Möhler

Am 27. September 2009 ist Bundestagswahl. Zu den Wählerinnen und Wählern gehören etwa 8 Millionen an Diabetes Erkrankte. Für den DDB ist es wichtig zu erfahren, mit welcher gesundheitspolitischen Entwicklung die Betroffenen zukünftig rechnen müssen. Aus diesem Grund hat der Deutsche Diabetiker Bund "Positionen - Forderungen - Thesen" zur Bundestagswahl 2009 fomuliert und den im Bundestag vertretenen Parteien zu Stellungnahme zugeleitet. Um eine Stellungnahme wurden die gesundheitspolitischen Sprecher/Sprecherinnen der Fraktionen Anette Widmann-Mauz (CDU), Dr. Carola Reimann (SPD), Daniel Bahr (FDP), Biggi Bender (Bündnis 90/Die Grünen) und Frank Spieth (Die Linke) gebeten. Die Antworten der Parteienvertreter werden ab Ende August auf der Internetseite des DDB-Bundesverbandes veröffentlicht

Am 27. September 2009 entscheiden die Wählerinnen und Wähler über die Zusammensetzung des neuen Deutschen Bundestages.

Die gesundheitspolitischen Weichenstellungen betreffen rund 8 Mio. Menschen mit Diabetes und deren Angehörige - und damit viele Wähler(-stimmen). Die Zahl der Diabetiker wird in den kommenden Jahren dramatisch ansteigen, wenn Politik und Gesellschaft jetzt nicht aktiv werden. Durch Fehlernährung und mangelnde Bewegung werden auch immer mehr junge Menschen an Diabetes mellitus erkranken.

Damit der Diabetes gesundheits- und wirtschaftspolitisch nicht zu einem unlösbaren Problem wird, formuliert der Deutsche Diabetiker Bund e. V. (DDB) als größter Betroffenenverband folgende Positionen, Forderungen und Thesen zur Gestaltung einer an den Bedürfnissen der Menschen mit Diabetes orientierten Gesundheitspolitik in der kommenden Legislaturperiode.

1. Medizinische Versorgung

Insgesamt gehört das deutsche Gesundheitssystem noch zu den leistungsfähigsten der Welt. Doch für Menschen mit Diabetes gilt das nach zahlreichen Streichungen von Leistungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr.

Trotz der wachsenden finanziellen Probleme im Sozialsystem muss der Volkskrankheit Diabetes mehr Beachtung geschenkt werden. Dies besonders angesichts der Tatsache, dass Experten von jährlich 1 Millionen Neuerkrankungen allein in Deutschland ausgehen, darunter auch viele junge Menschen.

Eine patientenorientierte, wohnortnahe Versorgung nach allgemein gültigen Leitlinien ist deshalb unabdingbar. Die Lebenssituation der Diabetiker ist verstärkt einzubeziehen. Die Versorgung erfordert eine Koordination aller ambulanten und stationären sowie aller ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen. Dies gilt angesichts der Multimorbidität des Diabetikers auch interdisziplinär. Andernfalls kommt es zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen und der Leidensdruck für den Diabetiker und seine Familie steigt.

Eine optimal strukturierte und ökonomisch sinnvolle Versorgung, bei der allen medizinischen Leistungserbringern die Wahrung ihrer Therapiefreiheit zu Gunsten der Diabetespatienten, zur Vermeidung teurer Folgeerkrankungen und zur Erreichung einer hohen Lebensqualität ermöglicht wird, muss Ziel der Gesundheitspolitik sein. Dazu gehören der Einsatz bewährter Medikamente (z. B. Insulinanaloga), eine sinnvolle, therapieorientierte Blutzuckerselbstkontrolle und fundierte Schulungen.

Oberstes Therapieziel muss die Vermeidung bzw. Verminderung der Folgeerkrankungen sein. Denn die Komplikationen bzw. Folgeschäden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Herzinfarkt und Schlaganfall, Einschränkung des Sehvermögens bis zur Erblindung, Schädigung der Nieren bis zum Nierenversagen, Beeinträchtigung der Nerven bis zur Entwicklung des diabetischen Fußsyndroms und zu Amputationen sind dramatisch für die Betroffenen und gleichzeitig der größte Kostenfaktor in der Diabetikerversorgung.

In den letzten Jahren wurden an deutschen Universitäten zahlreiche Lehrstühle, die von Endokrinologen und Diabetologen besetzt waren, entweder gestrichen oder mit Vertretern anderer medizinischer Fachrichtungen besetzt. Spezialisierte Ärzte sind deshalb Mangelware geworden. Weil die chronisch kranken Diabetiker eine optimale Behandlung brauchen, fordert der Deutsche Diabetiker Bund e.V. das Wahlfach Diabetes an allen medizinischen Fakultäten.

Die Sicherung einer ökonomisch sinnvollen Basis ist Grundvoraussetzung für eine medizinisch angemessene Versorgung. Um eine gute Versorgung auch in Zukunft sichern zu können, müssen alle Ressourcen des Gesundheitssystems zielgerichtet und sinnvoll eingesetzt werden. Diabetologie muss Wahlfach an allen medizinischen Fakultäten werden.

2. Prävention

Die Erhaltung der Gesundheit ist ein hohes Ziel. Auch wenn die gesundheitliche Entwicklung durch entsprechendes Verhalten primäre Aufgabe jedes Einzelnen ist, darf sie nicht zur Privatangelegenheit werden. Prävention muss ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems werden. Die anfallenden Kosten sollten nicht den Krankenkassen aufgebürdet, sondern einer eigenen Kostenregelung zugeführt werden.

Das vorgesehene Präventionsgesetz wird vom DDB begrüßt. Allerdings sollte darin nicht nur die Primärprävention geregelt werden. Von Bedeutung ist auch - dies gilt besonders für chronisch Kranke - die Sekundär- und Tertiärprävention. Sie ist als wichtige Aufgabe gesetzlich zu verankern.

3. Rationierung

Die Versuche der letzten Jahre, mit Gesundheitsreformen die Kostenentwicklung im deutschen Gesundheitssystem in den Griff zu bekommen, sind mehr oder weniger gescheitert. Gleichwohl sieht der Deutsche Diabetiker Bund e. V. noch erhebliche Rationalisierungspotentiale. Allein die Einschränkungen von GKV-Leistungen wird die Finanzmisere nicht lösen. Die von IQWiG und G-BA vorgesehenen weiteren Leistungseinschränkungen für Diabetiker werden zu erheblichen Belastungen für die Betroffenen führen und statt Kosteneinsparungen nur neue Kosten erzeugen.

Jede Rationierung im Gesundheitswesen ist vor Ausschöpfung der Rationalisierungspotentiale unnötig und wird vom DDB abgelehnt.

4. Stärkung der Patientenrechte

Die Rechte der Patienten müssen gestärkt werden. Regelungen, die erst nach einem Behandlungsfehler zum Tragen kommen, reichen nicht aus. Behandlungsfehler, z. B. durch fehlende Therapieziele und Verordnungen, dürfen nicht auftreten.

Der Deutsche Diabetiker Bund fordert die Stärkung der Patientenrechte durch gesetzgeberische Maßnahmen.

5. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Das IQWiG soll als unabhängiges Institut Kosten-/ Nutzenbewertungen für Leistungen im Gesundheitswesen erstellen, auf deren Basis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheide.

Leider berücksichtigen die sogenannten Kosten-Nutzenbewertungen des IQWiG einseitig den Kostenaspekt. Eine Nutzenbewertung - gerade auch unter dem Aspekt des Langzeitnutzens - findet nicht statt. Auch muss die Unabhängigkeit des IQWiG in Frage gestellt werden, wenn Mitarbeiter sich in Nebentätigkeit gleichzeitig an Studien z. B. für Krankenkassen beteiligen. Maßnahmen der Aufsicht müssen um eine inhaltliche Fachaufsicht erweitert, und damit die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit des IQWiG manifestiert werden.

Der DDB fordert eine Überprüfung der Unabhängigkeit des IQWiG. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Kosten-/Nutzenbewertungen zukünftig auf der Basis nachvollziehbarer Daten und Studien erfolgen.
Die Arbeit des IQWiG muss transparent gemacht werden. Arbeitsergebnisse müssen am Ende eines Bewertungsprozesses stehen. Bewertungsprozesse müssen ergebnisoffen gestaltet sein.

Der DDB fordert außerdem mehr Forschungsmittel für unabhängige Studien zur Kosten-/ Nutzenbewertung von Therapien. Die Ergebnisse müssen hinsichtlich ihres formalen Entstehens und der inhaltlichen Ausgestaltung einer Aufsicht unterliegen.

6. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Der Deutsche Diabetiker Bund begrüßt die Beteiligung von Patientenvertretern bei den Beratungen des G-BA. Leider wird den Patientenvertretern jedoch nur ein Mitberatungs- und Antragsrecht zugestanden. Dauerhaft muss die Beteiligung der Patientenvertreter am Diskussionsprozess in eine Mitentscheidung münden. Nur so können die Patienteninteressen ausreichend berücksichtigt werden.

Der Deutsche Diabetiker Bund fordert ein Mitentscheidungsrecht im G-BA.
Keine G-BA-Entscheidungen gegen die Patienteninteressen aus kurzfristiger Kostensichtweise.

7. Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen müssen eine tragende Rolle im Gesundheitssystem spielen. Sie sind keine "Jammerlappen", sondern helfen anderen Patienten mit ihrem Erfahrungsschatz den sie selbstlos teilen.
Selbsthilfegruppen liefern Ideen, machen Mut, arbeiten wohnortnah und patientenorientiert. Gleichzeitig sind sie das Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem.
Selbsthilfegruppen übernehmen Aufgaben, die zum Bereich der öffentlichen Gesundheitsfürsorge oder der Krankenfürsorge gehören. Durch die Aufopferung der in der Selbsthilfe tätigen Menschen spart der Staat viele Millionen Euro ein. Gemessen daran sind die Ausgaben für die Selbsthilfe zu gering und werden zudem oft an Verbände und Organisationen vergeben, die sich im Kern nicht aus den Betroffenen organisieren und die weder genügend Kompetenzen noch Erfahrungen haben.

Der DDB fordert eine zielgerichtete und der Höhe nach ausreichende Förderung der Selbsthilfe
Patientenerfahrungen können nur so wirkungsvoll weitergegeben werden. Der regionale Bezug durch örtliche Selbsthilfegruppen und Bezirksverbände ist wichtig. Außerdem muss die länderspezifische Förderung der Landesverbände, die Förderung der im Bereich Diabetes arbeitenden Mitgliedsorganisationen und die bundesspezifische Förderung des Bundesverbandes ausgebaut werden.

Kassel, im Juli 2009, Deutscher Diabetiker Bund e. V., Der Bundesvorstand.

Rechtsanwalt Dieter Möhler, DDB-Bundesvorsitzender

Quellen

Deutscher Diabetiker Bund e. V.
Bildquelle: Dieter Möhler

zuletzt bearbeitet: 31.07.2009 nach oben

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