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Erektionsstörungen - kein Grund zum Verzweifeln
Günther Steinmetz, Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion (Impotenz)", für das Diabetes-Portal DiabSite
Die meisten Männer haben schon Situationen erlebt, in denen ihr Penis seinen Dienst versagt hat. Gerade zu Beginn einer neuen Beziehung oder in Zeiten mit starkem Stress sind solche "Hänger" nicht selten. Es ist daher notwendig festzulegen, wann Erektionsstörungen Krankheitswert haben. In der Medizin spricht man von einer erektilen Dysfunktion (ED), wenn in einem Zeitraum von mindestens einem halben Jahr in mehr als 70 % der Versuche keine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreichende Erektion erreicht oder aufrechterhalten werden kann.
In Deutschland sind rund 20 % der Männer zwischen 30 und 80 Jahren, das sind 4,5 Millionen, von einer ED betroffen. Mit höherem Alter nimmt die Häufigkeit der Erektionsstörung deutlich zu. Bei den 30- bis 39-Jährigen sind nur 2 bis 3 % betroffen, bei den 70- bis 80-Jährigen sind es dagegen über 50 %. Nur 10 bis 20 % dieser Männer suchen deswegen einen Arzt auf, und das auch nur nach durchschnittlich 1 bis 2 Jahren. Hinter diesen nüchternen Zahlen steckt viel unnötiges Leid und Einsamkeit, denn Erektionsstörungen müssen keinesfalls das Ende einer befriedigenden Sexualität sein.
Über die Häufigkeit von ED bei Diabetikern gibt es stark voneinander abweichende Angaben in der medizinischen Fachliteratur. Über den Daumen gepeilt kann man sagen, dass mehr als 50 % aller Diabetiker früher oder später unter einer erektilen Dysfunktion leiden. Damit sind Diabetiker zwei- bis dreimal so häufig von ED betroffen wie Männer ohne Diabetes.
Ursachen der erektilen Dysfunktion
Die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Erektion ist ein komplexer und nicht dem Willen des Mannes unterworfener Vorgang, bei dem viele Einzelvorgänge nahtlos zusammenwirken müssen. Dieser Ablauf kann an vielen Stellen gestört sein. Das beginnt bei der Verarbeitung und Bewertung der Reize im Gehirn. Ein sexueller Reiz soll ja keinesfalls immer eine Erektion auslösen, das ist abhängig von der konkreten Situation und den geltenden gesellschaftlichen Normen.
Psychische Ursachen
Eine psychische Ursache für Erektionsstörungen liegt vor, wenn bei einer beabsichtigten sexuellen Aktivität die Bewertung der sexuellen Reize stärkere erektionshemmende als erektionsfördernde Nervensignale erzeugt.
Organische Ursachen
Bei den organischen Ursachen für Erektionsstörungen unterscheidet man:
- Störungen bei der Blutzufuhr oder dem Blutabfluss (vaskuläre Ursachen)
- Schädigungen im zentralen oder peripheren Nervensystem (neurogene Ursachen)
- Hormonstörungen (endokrine Ursachen)
- Schädigungen des Schwellkörpergewebes (kavernöse Ursachen)
Risikofaktoren
Die möglichen organischen und psychischen Ursachen können ihrerseits durch eine Reihe von Risikofaktoren bedingt sein. Psychische Risikofaktoren sind:
- Partnerschaftsprobleme
- Stress, Angst um den Arbeitsplatz, finanzielle Probleme
- Versagensängste, unrealistische Erwartungen
- Depressionen
- Traumatische sexuelle Erfahrungen
- Ungeklärte sexuelle Orientierung
Risikofaktoren für eine organisch bedingte ED:
- Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Arterienverkalkung (Arteriosklerose)
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose (MS), Parkinson
- Operationen im kleinen Becken: an Prostata, Darm, Blase und bei Leistenbruch
- Bandscheibenvorfall, Verletzungen an Wirbelsäule oder Becken, Querschnittslähmung
- Übergewicht, Schlafapnoe
- Leber- und Nierenleiden
- Rauchen, Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum
- Nebenwirkung von Medikamenten
Diabetes kann gleich durch mehrere Faktoren zur Entstehung einer erektilen Dysfunktion beitragen. Neben Gefäßschädigungen (Arteriosklerose, Endothelschädigungen) und Nervenschädigungen (Neuropathie) können auch Medikamente wie beispielsweise blutdrucksenkende Mittel oder orale Antidiabetika eine Rolle spielen. Ein gut eingestellter Zuckerspiegel senkt das Risiko für eine ED.
Weil Männlichkeit in unserer Gesellschaft mit Potenz gleichgesetzt wird, führen auch rein organisch verursachte Erektionsstörungen oft zu psychischen Problemen, die ihrerseits die Erektionsstörung verstärken und aufrechterhalten. Die resultierende Versagensangst führt in einen Teufelskreis, aus dem manche Männer ohne Hilfe keinen Ausweg finden: Angst und intensive Selbstbeobachtung verhindern eine ausreichende Erektion, und das Erleben dieses "Versagens" erhöht die Angst. Eine moderne Behandlung der erektilen Dysfunktion wird daher auch bei erkennbaren organischen Ursachen die psychischen Probleme nicht aus dem Blick verlieren und einbeziehen.
In den letzten Jahren wurde durch viele Studien gezeigt, dass eine ED ein erstes Symptom einer noch nicht erkannten Krankheit wie beispielsweise Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankung, Bluthochdruck oder Arteriosklerose sein kann. Es ist daher wichtig, dass bei einer erektilen Dysfunktion eine gründliche Diagnose durchgeführt wird und nicht vorschnell nur das Symptom behandelt wird. Auch Diabetiker sollten es nicht hinnehmen, wenn die ED ohne weitere Untersuchung als Folge des Diabetes angesehen wird.
Diagnose der erektilen Dysfunktion
Eine gründliche Diagnose einer ED besteht aus folgenden Schritten:
- Erfassung der Krankengeschichte (Anamnese): allgemeine Anamnese, Medikamenten-Anamnese, Sexual-Anamnese
- Labor, wichtig: Cholesterin, Triglyzeride, Glukose, Testosteron
gegebenenfalls: Prolaktin, HbA1c, FSH, LH, T3, T4,TSH, (Schilddrüsenhormone, Anm. d. Red.), Leber- und Nierenwerte - körperliche Untersuchung (Begutachtung des Körperbaus, Abtastung von Penis und Hoden, Abtastung der Prostata (durch den Enddarm))
- Schwellkörper-Injektionstest (SKIT) in Verbindung mit einer Ultraschalluntersuchung. Diese Untersuchung zeigt, ob ein ausreichender Blutzufluss vorliegt und der Blutabfluss ausreichend gedrosselt wird.
Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Sexualanamnese zu. Dabei werden folgende Sachverhalte erfasst:
- Beginn, Verlauf, Schweregrad, Situationsabhängigkeit (generell oder situativ) der ED
- Vorliegen von weiteren Sexualstörungen (Libido- und Orgasmusstörungen)
- Umgang mit der ED in der Partnerschaft
- Psychosoziale Aspekte: psychische Befindlichkeit, berufliche und allgemeine Lebenssituation
Die Anamnese liefert wichtige Hinweise darauf, ob die Ursachen schwerpunktmäßig im organischen oder psychischen Bereich liegen und ob wirklich alle oben aufgeführten Diagnosemaßnahmen erforderlich sind.
Therapie der erektilen Dysfunktion
Die wichtigsten Therapiemöglichkeiten sind:
- Medikamentös zum Beispiel mit: Cialis®, Levitra®, Viagra®
Diese Medikamente stellen zweifellos die angenehmste Therapie der erektilen Dysfunktion dar. Sie beruhen alle auf demselben biochemischen Prinzip (PDE5-Hemmer). Leider wirken diese Medikamente nicht bei allen Patienten gleich gut. Da Wirkung und Nebenwirkungen sehr unterschiedlich sein können, empfiehlt es sich, dass ein Patient alle drei Medikamente ausprobiert. - SKAT = Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie (Caverject®, Viridal®)
Es wird ein Wirkstoff (heute meist Alprostadil) direkt in die Schwellkörper gespritzt. Durch die Verwendung einer sehr dünnen Nadel treten dabei kaum Schmerzen auf. Die Erektion tritt nach ungefähr 10 Minuten ein und hält bei korrekter Dosierung etwa 1 Stunde an. - Vakuum-Erektionshilfe (andere Bezeichnung: Vakuumpumpe)
Der Penis wird in einen durchsichtigen Plastikzylinder gesteckt, in dem mit einer Pumpe ein Unterdruck erzeugt wird. Dadurch fließt Blut in die Schwellkörper. Sobald eine ausreichende Erektion vorliegt, wird mit einem Stauring der Rückfluss des Blutes verhindert. - Schwellkörper-Implantat
Das Einsetzen eines Implantats kommt nur in Frage, wenn alle anderen Mittel nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt haben. Der Eingriff kann nicht rückgängig gemacht werden, weil dabei große Teile der Schwellkörper zerstört werden. - Sexualberatung, Sexualtherapie
Wenn psychische Faktoren einen wesentlichen Anteil an den Ursachen der ED haben, dann ist eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll. Es empfiehlt sich zunächst eine Sexualberatung, die in schwierigen Fällen in eine Sexualtherapie übergehen kann. Es ist in der Regel sehr hilfreich, wenn die Partnerin an der Beratung und Therapie teilnimmt.
Nicht vergessen sollte man, dass es auch Spielarten der Sexualität gibt, die keine Erektion voraussetzen, aber trotzdem für beide Partner zum Höhepunkt führen können. Ein Mann kann auch mit schlaffem Penis (z. B. durch Oralverkehr oder Selbstbefriedigung) zum Höhepunkt kommen und für viele Frauen ist der eigentliche Geschlechtsverkehr (Penetration) auch nicht (oder nicht immer) wichtig. Allerdings setzt das voraus, dass sich die Partner offen über ihre gegenseitigen Wünsche und Erwartungen beim Sex unterhalten können und das ist für viele alles andere als einfach.
Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Es ist medizinisch und juristisch unbestritten, dass die erektile Dysfunktion eine Krankheit ist, und zwar unabhängig von Ursachen und Alter. Damit hat der Versicherte nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) einen Rechtsanspruch auf Behandlung einschließlich Diagnostik. Dazu gehören z. B. Blutabnahmen zur Bestimmung von Testosteron u.a., der Schwellkörper-Injektionstest SKIT einschließlich Spritze und Medikament, Duplex-/Doppler-Sonographie, Vakuum-Erektionshilfen, psychotherapeutische Behandlung, Testosteron-Ersatz-Therapie, Schwellkörper-Implantate, Operationen.
Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass bei erektiler Dysfunktion nur durch Gesetz die Behandlung und Verordnung von Medikamenten aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen werden könnten. Daraufhin wurde bei der Gesundheitsreform 2004 (GMG) lediglich die Verordnung von Medikamenten gegen ED gesetzlich untersagt. Ansonsten sind Behandlung und Diagnostik der ED zu Lasten der GKV sowohl nach der Gesundheitsreform 2004 (GMG) als auch nach der Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG) in vollem Umfang unverändert Leistung der gesetzlichen Krankenkasse.
Weiterführende Informationen
Dieser Artikel wurde uns von der Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion (Impotenz)" zur Veröffentlichung überlassen. Der Internetauftritt www.impotenz-selbsthilfe.de dieser Gruppe behandelt auf rund 100 Seiten umfassend, verständlich und aus der Sicht von Betroffenen alle Aspekte von Erektionsstörungen. Im Einzelnen geht es dabei um folgende Themen:
- Allgemeine Informationen zu Erektionsstörungen (Definition, Verbreitung, u.s.w.)
- Ursachen, Diagnose und Therapie von Erektionsstörungen
- Kostenübernahme für Diagnose und Therapie der Erektionsstörung durch die Krankenkassen
- Persönlicher und partnerschaftlicher Umgang mit dem Problem
- Häufig gestellte Fragen
- Links, Bücher, Artikel für Patienten und Fachpersonal
Die Gruppe bietet auch Kontakt per E-Mail und Telefon an. Lokale Selbsthilfegruppen existieren in Berlin, Essen, Köln, Mannheim, München und Stuttgart. Weitere Gruppen sind im Entstehen. Aktuelle Informationen über die Gruppen stehen auf der Internetnetseite Selbsthilfe des Informationszentrums für Sexualität und Gesundheit (ISG) e.V.
Günther Steinmetz
Sprecher der Selbsthilfegruppe
"Erektile Dysfunktion (Impotenz)"
Quelle
Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion (Impotenz)"
zuletzt bearbeitet: 14.08.2007
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Wir danken der Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion (Impotenz)" für die freundliche Publikationsgenehmigung!