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Prävention: Damit der Diabetes kein dickes Ende nimmt

Das Diabetes-Portal DiabSite im Gespräch mit Prof. Dr. Andreas F.H. Pfeiffer

Prof. Dr. Andreas F.H. Pfeiffer Prof. Dr. Andreas F.H. Pfeiffer, 52 Jahre, geboren in Frankfurt am Main, ist Diabetologe DDG, Endokrinologe und Ernährungsmediziner. Schon während der Ausbildung gilt sein besonderes Interesse der Inneren Medizin, speziell der Behandlung und Prävention von Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Prof. Pfeiffer ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und gehört dem Vorstand der Deutschen Diabetes-Gesellschaft sowie dem Kuratorium der Deutschen Diabetes-Stiftung zur Erstellung evidenzbasierter Leitlinien an. Er leitet die Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin und die Abteilung Klinische Ernährung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke.
Diabetes verhindern, Spätkomplikationen des Diabetes verhindern - das geht einen Großteil der Menschen in Deutschland an. Prof. Pfeiffer, der dieses Tagungsmotto anlässlich des diesjährigen Diabeteskongresses ausgegeben hatte, gibt exklusiv für das Diabetes-Portal DiabSite einen Rückblick auf die Tagung und wagt eine Prognose in die nähere diabetologische Zukunft.

DiabSite:
Herr Professor Pfeiffer, vier Tage Diabetes-Kongress in Berlin. Vor wenigen Minuten endete die Tagung mit einer Patientenveranstaltung. Im Vorfeld haben Sie mit über 6.000 Besuchern gerechnet. Können Sie jetzt schon sagen, ob die angestrebte Teilnehmerzahl erreicht wurde?
Pfeiffer:
Ja, wir haben sogar knapp 7.000 Teilnehmer gezählt und waren damit recht erfolgreich. Das sind immerhin rund 1.000 Besucher mehr als bei vorherigen Kongressen.
DiabSite:
Herzlichen Glückwunsch! Als Tagungspräsident der 40. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) haben Sie die Diabetes-Prävention zum Hauptthema erklärt. Was hat der Jubiläumskongress gebracht?
Pfeiffer:
Ja, wir hatten die Prävention des Diabetes in den Focus der Tagung gerückt. Auch wenn das Thema sozusagen vor dem Diabetes liegt, sind Präventionsmaßnahmen letztlich auch für Diabetes-Patienten wichtig, um zum Beispiel Spätkomplikationen zu vermeiden. Bei dieser thematischen Ausrichtung des DDG-Kongresses ging es besonders darum, Diabetologen dazu zu bewegen, Prävention zu betreiben. Wir hatten diesbezüglich sehr interessante Diskussionen. Dabei standen nicht nur die Fragen: Welche Präventionsmaßnahmen sind durchführbar? oder Wie sollte die Prävention eigentlich stattfinden? im Mittelpunkt, sondern auch das politische Umfeld: Was brauchen wir für die Prävention?. Meiner Ansicht nach müssen wir in Deutschland erst einmal grundsätzliche Bedingungen schaffen, um die Prävention wirklich umsetzen zu können. Diese Fragen betrafen jedoch nur einen Teil der Diskussionen. In den meisten Veranstaltungen ging es um die Diabetes-Therapie, die Versorgung von Diabetes-Patienten und um die Qualität der Diabetikerbetreuung.
DiabSite:
Können Sie spontan sagen, welche weiteren Themen für Sie besonders interessant waren?
Pfeiffer:
Es gab einige innovative Symposien, in denen Aspekte zu Sprache kamen, die bisher nie in dieser Deutlichkeit formuliert worden sind. Dazu gehört beispielsweise die wichtige Rolle der Leber in der Stoffwechselregulation des Diabetes. Außerdem beschäftigten sich mehrere Veranstaltungen mit der Rolle von Entzündungen - oder sogenannten inflammatorischen Reaktionen - im Zusammenhang mit Adipositas und Diabetes mellitus. Hier wurden neue Erkenntnisse zur Regulation dargestellt, welche Faktoren wie zu dieser inflammatorischen Reaktion beitragen.
DiabSite:
Können Sie den Zusammenhang zwischen diesen entzündlichen Prozessen und dem Diabetes beziehungsweise der Diabetesentstehung etwas genauer erläutern?
Pfeiffer:
Ja, zunächst einmal wissen wir, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, sprich Gefäßerkrankungen, wesentlich durch diese inflammatorischen Moleküle erhöht wird, die im Blut transportiert werden. Diese kann man im Blut von Typ-2-Diabetikern messen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um das C-reaktive Protein (CRP) oder um leicht erhöhte weiße Blutkörperchen (Leukozyten). Man nimmt an, dass diese Entzündung ursprünglich im Eingeweide Fett (viszerales Fett) entsteht. Dieses Fett findet man vermehrt bei Typ-2-Diabetikern oder Menschen, die sich im Vorstadium des Diabetes befinden. Es setzt verstärkt Botenstoffe wie Tumornekrosefaktor-alfa (TNF-alfa) oder Interleukin-6 frei. Diese sind wiederum im Blut nachweisbar und fachen Entzündungsprozesse an. Interessant ist auch der Zusammenhang mit dem ebenfalls im Fettgewebe gebildeten Hormon Adiponectin. Sind die Fettzellen schlank, setzen sie viel Adiponectin frei, sind sie hingegen mit Fett gefüllt, schütten sie das Hormon sparsamer aus. Das Adiponectin ist jedoch dafür verantwortlich, dass die Leberzellen und auch die Zellen in der Muskulatur auf Insulin angemessen reagieren, das heißt insulinsensitiv sind. Wird zu wenig Adiponectin produziert, reagieren die Zellen nicht mehr ausreichend auf Insulin, eine Insulinresistenz, wie wir sie in Vorstadien und frühen Stadien des Diabetes finden, ist entstanden. Diese Zusammenhänge erklären schließlich, warum Typ-2-Diabetiker, die abnehmen, wieder empfindlicher auf Insulin reagieren und so ihren Diabetes quasi rückgängig machen können.
DiabSite:
Das ist offensichtlich ein sehr komplexes Thema. Was hat darüber hinaus Ihr ganz besonderes Interesse geweckt?
Pfeiffer:
Da möchte ich die "Ethik" und auch die "Geschlechterunterschiede" hervorheben. Wir hatten auf diesem DDG-Kongress erstmals ein Symposium zum Thema "Ethik in der Diabetologie". Das ist offenbar bei den Tagungsteilnehmern sehr gut angekommen. Jedenfalls war die Veranstaltung brechend voll, ja fast überfüllt. Das Symposium zu den Geschlechterunterschieden habe ich leider nicht besuchen können. Sicher ist, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Diagnostik und Therapie des Diabetes mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Heute wissen wir, dass bestimmte diagnostische Maßnahmen bei Frauen eine schlechtere Aussagekraft haben als bei Männern.
DiabSite:
Gab es auch Innovationen aus dem Bereich Technik, sprich neue medizinischen Geräte für Diabetiker?
Pfeiffer:
Ja, auch hier sind große Entwicklungen erkennbar. Ich finde, dass dieser Aspekt leider auf der Pressekonferenz ein bisschen zu kurz kam. Ich persönlich sehe deutliche Fortschritte, vor allem bei den kontinuierlich messenden Blutzuckermessgeräten, die schon bald auf den Markt kommen werden. Sie messen permanent den Blutzucker und machen sogar Vorschläge zur Insulindosierung. Das ist ein erster Schritt hin zu Programmen, die irgendwann einmal eine Pumpe steuern werden. Das Ergebnis wäre eine folgerichtig dosierende Insulinpumpe.
DiabSite:
Viele Studien wurden vorgestellt und analysiert. Was verspricht die Forschung für die Zukunft? Worauf dürfen Diabetes-Patienten hoffen?
Pfeiffer:
Ich glaube, wir stehen nach wie vor am Anfang, wenn es um das Verstehen des Krankheitsprozesses geht. Die Entwicklungen, die momentan greifbar werden, sind neue therapeutische Ansätze. Diese werden zum einen versuchen, die Erkrankung über das Verhalten zu beeinflussen. Wir wissen zum Beispiel wie sich Sport, Ernährungsfaktoren oder die Zusammensetzung des Körperfettes auf den Diabetes auswirken. Auf der anderen Seite stehen neue Medikamente, von denen bereits einige in der Pipeline sind. So werden beispielsweise Modifikatoren von der Insulinsignalwirkung entwickelt, aber auch Substanzen, die das Essverhalten ändern. In diesem Bereich wird noch vieles kommen. Rimonabant ist momentan die Speerspitze dieser Entwicklung.
DiabSite:
Ist Rimonabant, ein Wirkstoff, der das Ess- und Rauchverhalten positiv beeinflussen soll, schon auf dem deutschen Markt?
Pfeiffer:
Es kommt vermutlich Mitte nächsten Jahres, wenn die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimittel (EMEA) es zulässt.
DiabSite:
Die Diabetesprävention stand im Mittelpunkt der 40. Jahrestagung der DDG in Berlin. Kein Wunder, schließlich sind Sie auch Ernährungsmediziner. Entfernt sich die DDG mit der Ausrichtung auf dieses Thema nicht von ihrer eigentlichen Aufgabe? Sollten sich die Diabetes-Experten nicht in erster Linie mit Verbesserungen in der Diabetestherapie und in der Betreuung von Diabetikern beschäftigen?
Pfeiffer:
Nein, das denke ich nicht. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft muss dieses Thema mit an Bord nehmen. Das heißt nicht etwa, dass sie von den anderen Aufgaben entbunden wird. Sie ist natürlich primär für die Menschen mit Diabetes zuständig. Aber die Vermeidung der rasanten Zunahme von Menschen, die einen Typ-2-Diabetes entwickeln, der durchaus vermeidbar ist, muss eine primäre Aufgabe von Diabetologen werden. Nur sie haben das umfangreiche Wissen über jene Vorgänge, die bei der Stoffwechselregulation eine Rolle spielen.
DiabSite:
Ist die Prävention des Diabetes nicht eigentlich originäre und in der Satzung festgeschriebene Aufgabe der Deutschen Diabetes Stiftung (DDS), sprich Ihrer Schwesterorganisationen unter dem Dach der Deutschen Diabetes-Union (DDU)?
Pfeiffer:
Selbstverständlich kümmert sich die Deutsche Diabetes-Stiftung mit Broschüren, Aufklärungskampagnen und anderen Aktionen um die Diabetesprävention. Aber sie ist letztlich eine relativ kleine Organisation, die das allein nicht in der erforderlichen Breite leisten kann. Wir müssen alle Kräfte bündeln. Ich denke, das Dach der DDU ist tatsächlich das Format, das wir brauchen, um wirksam zu werden. Vor allem dann, wenn man die Prävention auf bundesweiter Ebene fördern will, damit am Ende wirklich weniger Menschen Diabetes bekommen. Das ist eine gewaltige Aufgabe, die wir, so befürchte ich, momentan noch unterschätzen. Denn das heißt, dass man auf vielen und ganz unterschiedlichen Ebenen wirksam werden muss, damit Präventionsmaßnahmen in einer breiteren Bevölkerungsebene wirklich wahrgenommen werden. Für dieses große Ziel brauchen wir viele Aktivitäten und Mitstreiter aus allen Diabetesorganisationen.
DiabSite:
Herr Prof. Pfeiffer, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 07.05.2005 nach oben

Bildunterschrift: Prof. Dr. Andreas F.H. Pfeiffer
Bildquelle: privat

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