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Welche Probleme macht der Führerschein für Diabetiker?

Das Diabetes-Portal DiabSite im Gespräch mit Dr. Hermann Finck

Dr. Hermann FinckDr. Hermann Finck, Diabetologe DDG und Amtsarzt in Fulda, ist seit 1988 im Ausschuss Soziales der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, deren Vorsitz er übernommen hat. Seit mehr als 30 Jahren der Diabetologie verschrieben, stellt er schon früh fest, dass den Diabetikern in sozialmedizinischer Hinsicht kaum geholfen wird, weil "das Feld zu wenig bestellt ist". Schon für seine Amtsarztprüfung wählt er ein entsprechendes Thema: "Sozialmedizinische Aspekte bei der gutachterlichen Tätigkeit der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen". Die Erkenntnisse über die soziale Dimension des Diabetes mellitus finden schließlich Eingang in das Buch: "Diabetes und Soziales. Ein praktischer Ratgeber für alle Diabetiker und ihre Angehörigen", das er er 1999 gemeinsam mit L. Malcherczyk im Kirchheim-Verlag veröffentlicht.
Im Exklusiv-Interview mit DiabSite informiert Herr Dr. Finck über Probleme, die Menschen mit Diabetes bei der Führerscheinprüfung begegnen können, und gibt Tipps zum richtigen Verhalten bei der Beantragung der Fahrerlaubnis.

DiabSite:
Herr Dr. Finck, die meisten Jugendlichen freuen sich, nach ihrem 18. Geburtstag auf den Führerschein. Warum wird die Fahrerlaubnis gerade für Diabetiker häufig zum Problem?
Finck:
Sie haben Recht, Diabetes und Führerschein sind zusammen in der Tat ein schwieriges Thema. Denn der Diabetes kann die Fahrtauglichkeit beinträchtigen. Und der Gesetzgeber sagt eindeutig, wer Fahrtauglichkeitseinschränkungen unterliegt, muss damit rechnen, dass ihm entsprechende Auflagen gemacht werden.
DiabSite:
Heißt das, ein jugendlicher Diabetiker muss bei der Anmeldung zur Führerscheinprüfung seinen Diabetes angeben?
Finck:
Nein, das ist einer der Schwachpunkte in der Gesetzeslage. In der Fahrerlaubnisverordnung heißt es lediglich: "Werden Tatsachen bekannt, die Eignungseinschränkungen zur Folge haben...", kann die Behörde Auflagen machen. Beispielsweise eine Begutachtung auferlegen. Stellt sich also die Frage, wie solche Tatsachen bekannt werden. Die Antwort ist einfach: In erster Linie durch Unfälle, die darauf zurückzuführen sind, dass der Autofahrer durch seinen Diabetes fahruntauglich war oder auch durch die Meldung von Dritten bei der Führerscheinstelle sowie auch durch die eigene Meldung als "freiwillige Angabe" bei der Beantragung der Fahrerlaubnis.
DiabSite:
Werden diese möglichen Einschränkungen der Fahrtauglichkeit, z.B. in Form von Fragebögen, im Vorfeld geprüft?
Finck:
Der Führerschein ist grundsätzlich Ländersache. Deshalb gibt es verschiedene Regelungen. In manchen Bundesländern sollen tatsächlich Gesundheitsfragen beantwortet werden. Da ist zum Ankreuzen auch Diabetes genannt. Aber: Die Beantwortung dieser Gesundheitsfragen erfolgt freiwillig. Das ist ein besonderer Fall: Einerseits fordert der Gesetzgeber hier freiwillige Angaben über den Diabetes, andererseits muss derjenige, der die Fragen beantwortet, in Kauf nehmen, das ihm kostspielige medizinische Gutachten auferlegt werden.
DiabSite:
Was für Auflagen können das sein?
Finck:
Nach § 11 der Fahrerlaubnisverordnung kann die ärztliche Begutachtung durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden. Und in dem Gesetz gibt es drei Kategorien von Ärzten: Erstens, der verkehrsmedizinisch erfahrene Facharzt, in diesem Fall ein Facharzt für innere Medizin, der Diabetologe. Zweitens, der Amtsarzt und drittens, der Betriebsmediziner. Diese drei Kategorien sind ausdrücklich benannt, und die Behörde bestimmt in der Regel, zu welchem Mediziner der Autofahrer gehen muss. Ich kann also nicht einfach zu meinem Hausarzt oder zum Orthopäden gehen. Ich muss den Arzt aufsuchen, den die Behörde bestimmt.
DiabSite:
Ist es dann mit dieser Untersuchung dann getan?
Finck:
Nein, das Gesetz schreibt Untersuchungszeiträume von bis zu fünf Jahren vor, je nach dem, um welchen Befund es sich handelt. Aber dieser Ermessensspielraum wird relativ selten ausgenutzt. Viele Behörden sind da sehr streng, sie verlangen jedes Jahr einen Arztbesuch.
DiabSite:
Wie teuer ist so eine Untersuchung, und wer muss sie schließlich bezahlen?
Finck:
Das kann von kleinen Beträgen bis zu tausend Mark gehen. Und das muss, wenn die Behörde es will, der Diabetiker jährlich aus der eigenen Tasche bezahlen.
DiabSite:
Welche Argumente hat der Gesetzgeber für diese Gutachten?
Finck:
Das Argument ist ganz klar: Nach Meinung der Behörden besteht die Gefahr einer Fahrtauglichkeitseinschränkung durch Stoffwechselschwankungen, durch Unterzuckerungen, aber auch Überzuckerungen, und durch die Möglichkeit einer damit verbundenen Sehstörung oder später durch die anderen Komplikationen, die der Diabetes mit sich bringen kann.
DiabSite:
Herr Dr. Finck, sind diese amtlich vorgeschriebenen Untersuchungen Ihrer Meinung nach gerechtfertigt oder eine Diskriminierung von Diabetikern?
Finck:
Der Staat meint, es sei vertretbar. Ich persönlich halte es schon für eine Benachteiligung der Menschen mit Diabetes und überlege mir, was man dagegen tun kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, an diesen Zuständen etwas zu verändern. Zum Beispiel in dem Fall der vorgeschriebenen Untersuchungszeiträume. Wenn also die eine Behörde verlangt, dass der Diabetiker jedes Jahr zum Arzt muss, würde ich dem entgegensetzen, dass die Fahrerlaubnisverordnung einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren für vertretbar hält.
DiabSite:
Sehen Sie überhaupt einen Grund dafür, dass Diabetiker ein Gesundheitsgutachten brauchen und somit nur unter erschwerten Bedingungen an die Fahrerlaubnis kommen?
Finck:
Nein. Aus meiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund weswegen generell Gutachten gefordert werden sollten. Wir wissen heute, dass Diabetiker nicht häufiger auffällig werden im Straßenverkehr als Nicht-Diabetiker. Das ist statistisch belegt.
DiabSite:
Gibt es Initiativen, die sich gegen diese Sonderbehandlung der Diabetiker zur Wehr setzen?
Finck:
Ja, es gibt viele solcher Aktivitäten. Ich selbst bin Vorsitzender des Sozialausschusses der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Wir bemühen uns schon seit Jahren um eine Änderung dieser Zustände. Etwas haben wir zumindest erreicht: Das Bundesverkehrsministerium hat festgestellt, dass es für die Angaben, die manche Führerscheinstellen verlangen, keine Rechtsgrundlage gibt. Leider haben wir es noch nicht geschafft, diese Regelung endgültig vom Tisch zu bekommen. Aber wir sind dran. Im Übrigen kann ich nur raten, dass die Selbsthilfeorganisationen, Deutsche Diabetiker Bund zum Beispiel, auf Landesebene versuchen sollten, hier etwas im Sinne ihrer Mitglieder zu erreichen.
DiabSite:
An wen müssten sich die Selbsthilfegruppen denn wenden?
Finck:
Wie gesagt, Führerschein ist Ländersache. Deshalb ist das Verkehrsministerium des jeweiligen Bundeslandes der richtige Ansprechpartner.
DiabSite:
Und wie lautet Ihr Fazit?
Finck:
Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass die Selbsthilfegruppen mehr in Bewegung setzen, um solche diskriminierenden Auflagen der Verkehrsbehörden zu reduzieren. Denn eines steht fest: Es sind meistens junge Leute, die von solchen Regelungen betroffen sind. Und die Auflagen erteilt bekommen, obwohl sie im Straßenverkehr bisher nicht auffällig geworden sind.
DiabSite:
Herr Dr. Finck, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Autor: hu; zuletzt bearbeitet: 01.11.2001 nach oben

Bildunterschrift: Dr. Hermann Finck
Bildquelle: privat

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