Prinzipien der Health On the Net Foundation.
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Klinische Studien
Allgemeines zu klinischen Studien
Es ist noch gar nicht lange her, da beschränkte sich die
Behandlung von Diabetikern auf eine strenge Diät, ein paar Tabletten zum Anstieg der Insulinproduktion
und einige wenige Insuline, die dennoch eine strenge Diät erforderten. Dass es für die Diabetes-Therapie
heute Möglichkeiten wie Insulinsensitizer, Mischtherapien aus Tabletten und Insulin und
"maßgeschneiderte" Insuline gibt, verdanken wir zu einem nicht unerheblichen Teil der
erfolgreichen Durchführung von klinischen Studien und der Tatsache, dass Tausende von Diabetikern
bereit waren, an solchen Studien mitzuwirken.
Denn zum Schutz des Patienten schreibt das deutsche
Arzneimittelgesetz zwingend
vor, dass ein neues Medikament erst dann zugelassen werden kann, wenn in einer Reihe von umfassend
dokumentierten und streng überwachten klinischen Studien mit einer aussagekräftigen Anzahl von Patienten
eindeutig nachgewiesen wird, dass es zum einen belegbare therapeutische Vorteile besitzt und zum anderen
frei von schwerwiegenden Nebenwirkungen ist.
Übrigens werden auch neue Therapieformen, beispielsweise andere Dosierungen oder Kombinationen von bereits
zugelassenen Wirkstoffen, innovative Diagnoseverfahren und Medizinprodukte wie z.B. Blutzuckermessgeräte
und Insulinpens zunächst in umfangreichen Studien getestet, bevor auch Sie als Patient davon profitieren
können.
Einige der Studien werden mit Gesunden (den so genannten Probanden) durchgeführt, für den Großteil werden
jedoch Kranke (Patienten) mit entsprechender Indikation benötigt. Soll also zum Beispiel ein neuartiges
Insulin untersucht werden, braucht es - je nach Art der Studie - unter Umständen mehrere
Hundert oder sogar Tausend Diabetikerinnen und Diabetiker. Und da es darüber hinaus in der Regel eine
Reihe genau definierter
Ein-
und Ausschlusskriterien für die Teilnahme an einer Studie gibt, ist es
trotz Millionen diagnostizierter Diabetiker in Deutschland meist eine große Herausforderung, eine
ausreichende Anzahl geeigneter Studienteilnehmer zu finden.
Mit dieser neuen Rubrik möchte das Diabetes-Portal DiabSite eine Plattform für alle Beteiligten schaffen:
Auftraggeber bzw. Institute, die Studien durchführen, können ihre klinischen Studien mit diabetologischer
Fragestellung vorstellen und geeignete Studienteilnehmer
(Patienten
und Probanden) oder auch
Prüfärzte
suchen. Und Sie als DiabSite-Besucher haben die Möglichkeit, sich über aktuell
laufende und geplante Studien aus der Diabetologie zu informieren.
Im Folgenden werden wir einige wesentliche Punkte in Bezug auf die Durchführung von klinischen Studien
bzw. eine mögliche Teilnahme daran näher beleuchten.
Was ist eine klinische Studie?
Damit ein neues Medikament in Deutschland zugelassen werden
kann, muss es im Anschluss an die so genannten präklinischen Prüfungen an etablierten Modellen
(z.B. Zellkulturen) und Tieren eine Reihe von gesetzlich vorgeschriebenen und behördlich
überwachten klinischen Studien durchlaufen. Darin muss die Wirksamkeit und die Sicherheit der Anwendung
am Menschen nachgewiesen werden.
Darüber hinaus werden Dosierung, allgemeine Verträglichkeit und eventuell auftretende Wechselwirkungen
mit anderen Medikamenten untersucht. Je nach Entwicklungsstadium unterscheidet man die folgenden
Phasen:
- Phase-I-Studien
Phase-I-Studien werden in aller Regel mit ca. 50 gesunden
und freiwilligen Probanden durchgeführt. Ziel ist es u.a., Erkenntnisse über Unbedenklichkeit und
Verträglichkeit, die Aufnahme im Blut und den Abbau im Körper sowie die Wirkung bei gesunden Menschen
zu gewinnen.
- Phase-II-Studien
Wenn die Ergebnisse aus der Phase I die Verträglichkeit
bestätigen, wird in Phase-II-Studien erstmals die therapeutische Wirksamkeit an bis zu 500 Patienten
untersucht, die ein Krankheitsbild haben, das die Einnahme des Prüfpräparats sinnvoll erscheinen lässt.
In dieser Phase sollen vor allem Erkenntnisse über Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und die
Dosis-Wirkungs-Beziehung gewonnen werden.
- Phase-III-Studien
Sofern die Ergebnisse aus Phase II auf eine vorhandene
therapeutische Wirksamkeit bei gleichzeitiger Verträglichkeit schließen lassen, wird an einer großen
Anzahl von Patienten (häufig mehrere Hundert oder sogar Tausend) unter möglichst alltagsnahen Bedingung
untersucht, welchen therapeutischen Nutzen das Prüfpräparat tatsächlich bietet. Insbesondere werden
hierbei vertiefende Erkenntnisse über die Sicherheit der Prüfsubstanz und mögliche Wechselwirkungen
mit anderen Arzneimitteln gewonnen.
Im Anschluss an die Phase III der klinischen Prüfung kann
die Zulassung des neuen Medikaments beantragt werden. Häufig werden auch nach der Zulassung noch weitere,
so genannte Phase-IV-Studien durchgeführt, in denen es meist um mögliche zusätzliche Einsatzgebiete
des Präparats geht. Daneben sollen in so genannten Anwendungsbeobachtungen an Patienten, denen das
Medikament im Rahmen ihrer Therapie vom Arzt verschrieben wird, genauere Informationen über erzielte
Behandlungserfolge sowie möglicherweise sehr seltene Neben- oder Wechselwirkungen gewonnen werden.
Wo und von wem werden klinische Studien durchgeführt?
Organisation, Leitung, Überwachung und Auswertung der Studien
erfolgen in der Regel durch ein Pharmaunternehmen bzw. ein Auftragsforschungsinstitut. Durchgeführt
werden die Studien an so genannten Prüfzentren. Das kann eine Forschungseinrichtung, eine (Uni-) Klinik
oder die Praxis eines niedergelassenen Arztes sein.
Wie lange dauert eine solche Studie?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Studien, die nur einen
einmaligen Besuch im Prüfzentrum erfordern, und andere, die über einen Zeitraum von mehreren Monaten
oder sogar Jahren angelegt sind.
Welche Pflichten habe ich als Studienteilnehmer?
Was von Ihnen im Einzelfall erwartet wird, ist im
Prüfplan
festgelegt und wird Ihnen vor Beginn der Studie genau erläutert. In der Regel beinhaltet dies:
- Die Teilnahme an Untersuchungen im Prüfzentrum in vorher
festgelegten Abständen. Die einzelnen Termine werden meistens frühzeitig mit Ihnen abgestimmt.
- Das gewissenhafte und wahrheitsgemäße Ausfüllen von
anonymisierten Fragebögen
- Beinhaltet die Studie die Erprobung eines neuen Medikaments
oder einer neuen Therapie, verpflichten Sie sich, sich streng an die Anweisungen Ihres Prüfarztes zu
halten.
- Die Teilnahme an Phase-I-Studien erfordert in der Regel
einen stationären Aufenthalt in einer Klinik oder einem Auftragsinstitut, damit Sie dort rund um die
Uhr medizinisch überwacht und betreut werden können.
Was habe ich von einer Teilnahme an einer klinischen Studie?
- An erster Stelle tragen Sie mit Ihrer Teilnahme dazu bei,
dass effektivere Arzneimittel, verbesserte Therapieformen, genauere Diagnoseverfahren oder hilfreiche
neue Medizinprodukte entwickelt werden können. Davon profitieren letztlich nicht nur Sie persönlich
(wenn Sie als Proband
teilnehmen), sondern alle, die das neue Produkt später nutzen können.
- Geht es um eine neue Therapie, gehören Sie vielleicht zu
den ersten Patienten, die davon profitieren - möglicherweise Jahre, bevor das Medikament nach
erfolgter Zulassung von deutschen Ärzten verschrieben werden kann.
- In jedem Fall profitieren Sie vor, während und nach der
Studie von umfangreichen Untersuchungen und der Bestimmung von Laborwerten, die häufig von Ihrem
behandelnden Arzt nicht vorgenommen bzw. von Ihrer Krankenkasse nicht übernommen werden. Darüber
hinaus genießen Sie eine qualitativ hochwertige und engmaschige medizinische Betreuung nach neuesten
medizinischen Erkenntnissen durch Fachärzte und speziell ausgebildetes Fachpersonal.
- Als Diabetiker/in erhalten Sie vielleicht eine
individuelle Ernährungsberatung. Diese umfasst unter anderem eine umfassende Analyse Ihrer
Essgewohnheiten, die Erstellung eines Ernährungsplans und natürlich eine entsprechende Erfolgskontrolle.
- Teilnehmer an Phase-I-Studien erhalten eine Aufwandsentschädigung*,
die sich u.a. nach der Länge des meist erforderlichen stationären Aufenthalts bemisst.
*Da davon ausgegangen wird, dass Patienten, die an Phase-II-
und -III-Studien teilnehmen, therapeutisch von ihrer Mitwirkung profitieren, erhalten diese in der Regel
lediglich Fahrtkostenentschädigungen. Nichtsdestotrotz: Ausnahmen bestätigen die Regel!
Gehe ich mit meiner Teilnahme nicht große Risiken ein?
Natürlich kann ein gewisses gesundheitliches Risiko nicht gänzlich
ausgeschlossen werden, denn mit jedem neuen Medikament wird grundsätzlich medizinisches Neuland betreten.
Dabei birgt beispielsweise eine Phase-III-Studie weniger potenzielle Risiken als eine Phase-I-Studie, da
schwerwiegende Sicherheitsbedenken bereits in einem früheren Stadium zum Abbruch der Studien geführt
hätten bzw. die zur Durchführung einer Studie erforderliche Zustimmung der Ethikkommission nicht erteilt
worden wäre. Ein nicht unerheblicher Teil der in Deutschland durchgeführten Studien befasst sich auch mit
neuen Kombinationen von einzeln bereits zugelassenen (und somit getesteten) Wirkstoffen oder mit
Medikamenten, die im Ausland bereits zugelassen sind und eingesetzt werden. In einigen Studien wird nur
die Dosierung eines bekannten Medikaments in unterschiedlicher Höhe geprüft.
Unabhängig von der Art der Studie werden in relativ kurzen Abständen Kontrolluntersuchungen durchgeführt.
Damit soll sichergestellt werden, dass unter Umständen auftretende negative Auswirkungen frühzeitig erkannt
werden und die Studie erforderlichenfalls abgebrochen werden kann.
Darüber hinaus schreibt der Gesetzgeber umfassende Maßnahmen zum Schutz des Patienten vor.
Wie wird für meine Sicherheit während der Teilnahme an einer Studie Sorge getragen?
- Vor der Teilnahme erfolgt ein ausführliches
Aufklärungsgespräch mit Ihrem Prüfarzt, in dem Sie detailliert über die geplante
Studie informiert werden und die Möglichkeit haben, Ihre Fragen und Ängste im Vorfeld zu besprechen.
Darüber hinaus wird Ihnen eine so genannte Patienteninformation (hier ein
Beispiel) ausgehändigt, in der
alle wichtigen Punkte - inklusive möglicher Risiken - nochmals schriftlich niedergelegt sind.
Erst nachdem Sie alle Vor- und Nachteile einer möglichen Teilnahme gründlich abwiegen konnten
(idealerweise gemeinsam mit Ihrem Hausarzt oder Diabetologen DDG) unterschreiben Sie eine
Einverständniserklärung.
- Da die Teilnahme an einer Studie für Probanden wie Patienten
grundsätzlich freiwillig ist, haben Sie das Recht, Ihr Einverständnis jederzeit
zurückzuziehen - zu jedem Zeitpunkt, ohne Angabe von Gründen und ohne dass Ihnen hieraus
Nachteile jedweder Art entstehen.
- Alle Fragen bezüglich Planung, Durchführung und Auswertung
von klinischen Studien sind in Deutschland im
Medizinproduktegesetz bzw. im
Arzneimittelgesetz, das
zuletzt 2004 novelliert wurde, umfassend geregelt. Zusätzlich findet eine Reihe weiterer Bestimmungen
wie z.B. die Strahlenschutzverordnung oder das Datenschutzgesetz Anwendung. Darüber hinaus verpflichten
sich die Prüfzentren zur Einhaltung der "EU-Richtlinien zur guten klinischen Praxis" (GCP, Good
Clinical Praxis) sowie der Prinzipien der
Deklaration von
Helsinki.
- Die o.g. Deklaration von Helsinki wurde vom Weltärzteverband
für alle klinischen Studien verbindlich beschlossen und besagt, dass jeder Mensch (und somit jeder
Studienteilnehmer) das Recht auf die bestmögliche derzeit bekannte Therapie hat. Sollte
also Ihr Krankheitsbild eine fortwährende medikamentöse oder andere Behandlung erfordern, werden Sie diese
auch während Ihrer Teilnahme an der Studie erhalten und keinesfalls nur mit einem Scheinmedikament (Placebo)
behandelt werden.
- In Deutschland müssen alle Studienvorhaben (egal welcher Phase)
von der jeweils regional zuständigen Ethikkommission genehmigt werden. Bei groß angelegten,
häufig in zahlreichen Prüfzentren durchgeführten Studien (so genannte "multizentrale"" oder
"multizentrische" Studien) der Phase III müssen sogar alle für die verschiedenen Prüfzentren
zuständigen Ethikkommissionen in die Entscheidung eingebunden werden. Zum Erhalt dieses so genannten
Ethikvotums müssen alle bis dato gesammelten Informationen zum Prüfpräparat, ausführliche Dokumentationen
über das Ziel und die Durchführung der Studie (dem Prüfplan) sowie Nachweise über Erfahrung und
Qualifikation des Studienleiters als Verantwortlichem für die Studie und der Prüfärzte eingereicht werden.
Jegliche Abweichung vom genehmigten Prüfplan oder das Auftreten unerwarteter Ereignisse im Verlauf der
Studie muss der Ethikkommission gemeldet werden, die daraufhin - sofern sie dies für erforderlich
erachtet - ihr erteiltes Votum wieder zurückziehen kann.
Ferner muss das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte im Vorfeld informiert werden, das den Verlauf der Studie stichprobenartig überwacht.
Als weitere Kontrollinstanz fungiert ein Monitor, der unabhängig vom eigentlichen
Studienteam die eingebrachten und gesammelten Daten und Informationen prüft.
- Für jeden Studienteilnehmer wird eine spezielle
Patienten-Versicherung in gesetzlich vorgeschriebenem Umfang abgeschlossen, die alle potenziellen
Risiken abdeckt.
Was ist, wenn es mir im Verlauf der Studie plötzlich schlecht(er) geht?
Dann sollten Sie unverzüglich Ihren Hausarzt und/oder Ihren
Prüfarzt informieren, damit diese geeignete Maßnahmen einleiten können. Sind Sie Teilnehmer einer so
genannten doppelblinden
Studie (d.h. weder Sie noch Ihr Prüfarzt wissen, ob Sie mit einem Wirkstoff oder einem Placebo behandelt wurden),
kann der Prüfarzt entscheiden, den bei ihm hinterlegten Notfall-Umschlag, der alle Informationen über
Ihre Therapie enthält, zu öffnen. Dies ist zwar gleichbedeutend mit Ihrem Ausscheiden aus der Studie,
aber im Zweifelsfall geht immer das Wohlergehen der Patienten vor.
Unabhängig von der Entscheidung des Prüfarztes können auch Sie zu jedem Zeitpunkt Ihre Teilnahme beenden,
wenn Sie dies wünschen oder zum Beispiel Ihr Hausarzt Ihnen dazu rät.
Was passiert mit meinen Daten?
Alle während der Untersuchungen erhobenen Daten unterliegen dem
Datenschutzgesetz und werden nur in anonymisierter Form zur Auswertung der Studienergebnisse an Dritte
weitergegeben. Das beteiligte Klinik- bzw. Praxispersonal unterliegt selbstverständlich der (ärztlichen)
Schweigepflicht. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Sie mit Ihrer Einwilligung zur Studienteilnahme
auch nichtärztlichen Mitarbeitern des Unternehmens, das die Studie durchführt, und den zuständigen
Überwachungsbehörden Einblick in Ihre Krankenakte gewähren. Damit soll die Einhaltung der gesetzlichen
Vorschriften und internationalen Richtlinien kontrolliert und gewährleistet werden. Auch diese Personen
sind zu strikter Verschwiegenheit verpflichtet.
mk 22.03.2005
Studien
- Klinische Studien
- Marktforschung
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