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Aktivurlaub zu Ostern

Tipps zu Diabetes und Sport von Ulrike Thurm

Ulrike Thurm für das Diabetes-Portal DiabSite

Ulrike Thurm
Ulrike Thurm

Ostern steht vor der Tür - die erste große Reisewelle des Jahres kann rollen. Wenn auch Sie zu den Glücklichen zählen und in Gedanken schon die Koffer gepackt haben, hier noch einige Ratschläge, wie Sie Ihren Urlaub trotz Diabetes unbeschwert genießen können. DiabSite hat die Expertin in Sachen Diabetes und Sport gebeten, einige Tipps für einen gelungenen Urlaub zusammen zu stellen. Ulrike Thurm ist Vorsitzende der Internationalen Vereinigung Diabetischer Sportler (IDAA) und Autorin mehrerer Fachbücher.

Reisen bedeutet immer Veränderung: Raus aus dem Alltag, rein ins Urlaubsvergnügen. Lange Fahrten oder Flüge sind keine Ausnahme, am Ferienort nehmen Sie sich oft Zeit für Aktivitäten, zu denen Sie ansonsten nur selten kommen. Auf all diese Veränderungen müssen Menschen mit Diabetes ihre Therapie abstimmen.

Wenn Sie im Alltagsleben eher "eine ruhige Kugel" schieben und auch beruflich einer sitzenden Tätigkeit nachgehen, kann ein Urlaub deutliche Veränderungen Ihres üblichen Aktivitätsgrades mit sich bringen. Ob ausgedehnte Spaziergänge, Sight-Seeing-Touren, lange Wanderungen in der Natur oder sportliche Aktivitäten: Die Therapie muss angepasst werden!

Arzt um Rat fragen

Am besten setzen Sie sich diesbezüglich vorher mit Ihrem betreuenden Arzt/Diabetologen in Verbindung, und lassen sich noch einmal ausführlich beraten. Vor allem wenn Sie bereits diabetische Folgeerkrankungen haben, ist ein Arztbesuch unbedingt erforderlich, um abzuklären, in wie weit Sie sich körperlich belasten dürfen und können, ohne gesundheitliche Risiken einzugehen.

Prinzipiell, das heißt, wenn nicht weitere Erkrankungen dagegen sprechen, ist ein Aktivurlaub für alle Menschen mit Diabetes durchaus empfehlenswert. Doch um ihn wirklich problemlos genießen zu können, sollten Sie genau prüfen, ob Sie ausreichend vorbereitet sind. Beantworten Sie sich dazu im Vorfeld einige Fragen:

Wissen Sie genau, wie Sie Ihre Diabetestherapie auf die körperlichen Aktivitäten einstellen müssen?

Sind Sie mit dem nötigen Equipment ausgerüstet, um Ihren Diabetesbedarf auch bei großer Hitze oder Kälte vor übermäßigen Temperaturschwankungen zu schützen?

Können Sie im Urlaub ihre Insulindosisreduktion an den oft erhöhten Energiebedarf anpassen?

Alltagsbelastungen oft unterschätzt

Hierzu einige Tipps, die aber keinesfalls das ausführliche Gespräch mit dem Arzt ersetzen:

Viele unterschätzen die Wirkungen der so genannten "Alltagsbelastungen" und ordnen Sie nicht unter die Rubrik "Sport" ein. Doch mit erhöhter körperlicher Aktivität ist nicht nur extremer Leistungssport gemeint. Auch die weniger Kraft raubenden Spaziergänge oder ein Stadtbummel lassen den Energiebedarf des Körpers ansteigen, erhöhen die Insulinempfindlichkeit und den Kohlenhydratumsatz. Wenn Sie darauf nicht mit einer Verminderung der Insulinmenge und/oder zusätzlichen BE reagieren, droht in der Regel eine Unterzuckerung.

Es gibt leider kein Patentrezept. Niemand kann eine Rechnung aufstellen nach dem Muster: Drei Stunden Wanderung = x Prozent weniger Insulin oder y Prozent mehr Kohlenhydrate. Zu viele unterschiedliche Faktoren spielen hier eine Rolle. Bevor Sie entscheiden, um wie viel Sie Ihre Spritzmenge reduzieren, sollten Sie sich fragen: Was ist das Schlimmste, was mir passieren kann?

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Im Zweifel das Insulin kräftiger reduzieren

Ein kurzfristig erhöhter Blutzucker ist schnell und problemlos mit einigen Einheiten Normal- oder Analoginsulin wieder korrigiert, eine schwere Unterzuckerung, besonders im Ausland, kann wesentlich dramatischere Konsequenzen haben. Deshalb im Zweifelsfall lieber in der Testphase das Insulin kräftiger reduzieren, häufig messen und so langsam die individuell benötigte Insulinreduktion herausfinden.

Achten Sie dabei auch besonders auf den so genannten Muskelauffülleffekt! Denn auch wenn Sie abends die körperliche Aktivität beendet und fast vergessen haben, ist für ihren Stoffwechsel die "Nachsorge", z. B. nach einer ganztägigen Wanderung, noch lange nicht beendet. Während der Wanderung verbrennen Sie kontinuierlich Energie, die zum Teil auch aus Ihren eigenen Energiespeichern (Muskeln und Leber) bereitgestellt wird. Nach Ende der Kraftanstrengung wollen diese Glykogendepots wieder aufgefüllt sein. Dazu entziehen die Energiespeicher dem Blut kontinuierlich Zucker. Das bedeutet, dass auch nach Beendigung einer körperlichen Aktivität der Blutzucker weiterhin sinken wird.

Vorsicht bei Alkohol

Gefährlich wird es, wenn Sie nach "getaner Arbeit" den Tag noch mit dem einen oder anderen Bierchen ausklingen lassen. Denn dann wird ihre Leber, die ja ohne Alkoholzufuhr Glukose ausschütten würde, durch die Verbrennung des Alkohols zusätzlich blockiert. Ohne eine entsprechende Reduktion der Insulindosis wird der Blutzuckerspiegel an diesem Punkt bedenklich absinken. Deshalb ist es wichtig, auch zur Nacht die Insulindosis zu reduzieren und vermehrt Kohlenhydrate zuzuführen.

Ein weiterer, wesentlicher Punkt ist die Höhe des Ausgangsblutzuckers, mit dem Sie eine sportliche Aktivität starten. Auch hier gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen, aber die meisten sportlich aktiven Menschen mit Diabetes betrachten Blutzuckerwerte zwischen 150 und 180 mg/dl (8,3 und 10 mmol/l) als einen idealen Start für Ihre Aktivität. Sie sollten mit regelmäßigen Blutzuckermessungen austesten, welcher Ausgangsbereich für Sie persönlich optimal ist.

Bei großer Hitze oder außerordentlicher Kälte gilt es, noch andere Dinge zu berücksichtigen. Besonders das Insulin und die Blutzuckerteststreifen müssen vor Frost und Temperaturen über 40 Grad geschützt werden.

Vor Kälte und Hitze schützen

Beim Urlaub in einem Skigebiet empfiehlt es sich deshalb, die Diabetesausrüstung direkt am Körper zu transportieren, entweder in Jackeninnentaschen oder in einer Bauch- oder Gürteltasche, die unter Pulli und Jacke getragen wird. Dann besteht nur Gefahr, wenn Ihre Körpertemperatur unter den Gefrierpunkt absinkt, aber in diesem Fall wird die Stabilität ihres Insulins nicht mehr das vorrangige Problem sein ;-)

Bei Blutzuckermessungen in großer Kälte sollten Sie auch darauf achten, dass Sie die Messung so zügig wie möglich durchführen, damit das Equipment diesen ungastlichen Temperaturen so kurz wie möglich ausgesetzt ist. Versuchen Sie, die Messung zum Beispiel im Schutz Ihrer Jackeninnenseite durchzuführen, um möglichst keine allzu großen Temperaturschwankungen zu haben. Wenn die Möglichkeit besteht, testen Sie am besten in einer Skihütte.

Ähnliche Vorkehrungen sind bei extremer Hitze zu treffen. Allerdings ist das Insulin hier oft stabiler als angenommen. Es gibt spezielle Kühltaschen die mit nichts als einem bisschen Wasser optimale Temperaturen für Ihr Insulin herstellen. Mit solchen Systemen (z. B. Frio®) sind Sie völlig unabhängig von Kühlschränken, ideal also für Rucksacktouristen und Camper.

Immer genügend Kohlenhydrate dabei

Ganz wichtig ist, dass Sie für den erhöhten Energie- und Flüssigkeitsbedarf gerüstet sind. Sie sollten immer ausreichend schnelle und langsam wirkende Kohlenhydrate im Gepäck haben. Ebenso wichtig ist ausreichend Flüssigkeit, also viel Wasser und Fruchtsäfte, aber wenig Alkohol, Kaffee und schwarzer Tee. Diese Getränke entziehen dem Körper Flüssigkeit und dürfen deshalb keinesfalls mit einberechnet werden. Im Gegenteil: für jede Tasse Kaffee, die Sie trinken, müssen Sie mindestens die gleiche Menge Wasser dazutrinken, um wieder bei "plus/minus Null" angelangt zu sein.

Eine gründliche Planung ist das A und O für das gute und sichere Gelingen eines jeden Urlaubs. Wer als Pumpenträger ohne das nötige Zubehörmaterial zu einer ganztägigen Radtour aufbricht oder in einer abgelegenen Gegend von einem Pumpendefekt heimgesucht wird, für den kann der Ausflug ohne zusätzlichen Insulinpen oder Ersatzpumpe rasch zum Alptraum werden. Deshalb gilt vor allem anderen: Den Urlaub lieber länger vorbereiten, als kürzer genießen.

In den Lesetipps auf dem Diabetes-Portal DiabSite finden Sie außerdem interessante Bücher, wie die "Diabetes- und Sportfibel" oder die "Insulinpumpenfibel" von Ulrike Thurm.

Ulrike Thurm, Berlin

Quellen

Text- und Bildquelle: Ulrike Thurm

zuletzt bearbeitet: 04.03.2002 nach oben

Wir danken Ulrike Thurm für ihren interessanten Beitrag, der nicht nur Menschen mit Diabetes umfassend informiert, sondern auch Ärzte und Diabetesberaterinnen anspricht.

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