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Wer schützt Diabetiker vor lebensgefährlicher Bürokratie?

Abstract zum Vortrag Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Vizepräsident und Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 14. Juli 2016 in Berlin.

Wenn Geld wichtiger ist als wissenschaftliche Innovationen

Missverständnis: Das AMNOG gibt nur einen Rahmen für Preisverhandlungen

Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland Das AMNOG beauftragt das IQWiG um Bewertung eines möglichen Zusatznutzens eines neuen Medikaments im Vergleich zu einer vom GB-A festgelegten und in der Versorgung weit verbreiteten "Standard"-Therapie. Daher prüft das IQWiG nicht den Effekt und die Sicherheit eines neuen Medikaments, dies ist die Aufgabe des BfArM, sondern dient allein der Beurteilung eines eventuellen Zusatznutzens für die anschließenden Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischem Hersteller. Ein eventuell nicht vorhandener "Zusatznutzen" bedeutet nicht, dass dieses Medikament "schlecht ist oder nicht wirkt", sondern lediglich, dass keine Beurteilung in Bezug auf die Fragestellung und Vergleichstherapie erfolgen konnte (häufig aufgrund IQWiG-methodenbedingter, rein formaler Kriterien). Dieses Missverständnis verunsichert Ärzteschaft, Patienten und Öffentlichkeit.

"Vergleichstherapie" heißt nicht, dass es eine Alternative zu innovativen Medikamenten gibt

Wenn eine neue Therapie mit einer "Vergleichstherapie" verglichen wird, suggeriert dies durch die Methode des IQWiG und die Fragestellung des GB-A, dass es vergleichbar effektive Alternativen gäbe. Neue Medikamente werden insbesondere bei chronischen und multifaktoriell bedingten Krankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus, aber entwickelt, weil Therapieziele mit verfügbaren Substanzen meist nicht erreicht werden können. Die "additive" Wirkung von neuen Medikamenten bei der Behandlung von Patienten wird in aller Regel nicht berücksichtigt.

Versorgung von chronisch kranken Patienten mit Medikamenten wird durch den Preis und nicht einem Zusatznutzen bestimmt

Im Anschluss an die Bewertung einer neuen Therapie durch den GB-A werden Preisverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit allein zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmen geführt. Wenn kein Zusatznutzen bescheinigt wurde, ist es vorgegeben, dass der Preisrahmen dem der Vergleichstherapie entspricht. Dieser liegt bei Diabetes mellitus häufig im Centbereich und führt dann häufig zum Rückzug eines Medikaments vom Markt. Die Versorgungsfolgen dieser geheimen Verhandlungen haben die Betroffenen zu tragen.

Regionalisierung der Wirtschaftlichkeit birgt die Gefahr, dass Therapiefreiheit und Versorgung von Patienten eingeschränkt werden

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) regelt die Regionalisierung der Arzneimittelsteuerung und Wirtschaftlichkeit ab dem 1. Januar 2017 auf Vereinbarungen zwischen Landesverbänden der Kranken- und Ersatzkassen mit den zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen. Ein einheitlicher transparenter Kriterienkatalog, der auf den Ergebnissen des AMNOG bzw. GB-A beruht, ist nicht vorgesehen und birgt daher die Gefahr einer "regionalen Willkür". Die hierdurch bedingten Verschreibungsvorgaben können die Therapiefreiheit des Arztes einschränken und zu einer föderalen Ungleichheit der Patientenversorgung führen.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG)

zuletzt bearbeitet: 20.08.2016 nach oben

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