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Das Studienzentrum der Nationalen Kohorte Berlin-Süd/Brandenburg stellt sich erstmals vor

DIfE-Forscher untersuchen 10.000 Erwachsene und stellen ihnen Fragen zu ihrem Lebensstil

Das vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) geleitete Studienzentrum Berlin-Süd/Brandenburg der Nationalen Kohorte (NAKO) stellt sich heute erstmals der Presse vor. Neben dem Zentrum Berlin-Nord ist es das einzige von 18 bundesweiten Untersuchungszentren, das auch Teilnehmer aus Brandenburg betreut. Auf lange Sicht wollen die Forscher vom DIfE 10.000 Erwachsene zu ihrem Lebensstil befragen und medizinisch untersuchen. Bundesweit sollen insgesamt 200.000 Menschen an der bislang größten Bevölkerungs-Langzeitstudie Deutschlands teilnehmen. Ziel der Studie ist es, die Ursachen der wichtigsten Volksleiden zu erforschen, um neue Präventions- und Behandlungsstrategien zu entwickeln.

Das vom DIfE geleitete Zentrum ist das dritte der drei Studienzentren aus der Region Berlin/Brandenburg. Seiner Eröffnung sind umfangreiche Baumaßnahmen vorausgegangen, welche die Räume auf dem Campus Benjamin Franklin in Steglitz in ein modernes und ansprechendes Studienzentrum verwandelt haben. In den nächsten Jahren werden die Forscher aus Potsdam-Rehbrücke Bürger aus dem süd-westlichen Berlin sowie den Brandenburger Gemeinden Blankenfelde-Mahlow, Falkensee, Schulzendorf, Rangsdorf und Schönefeld anschreiben und bitten, an der Gesundheitsstudie teilzunehmen. "Die ersten haben eine Einladung erhalten, wobei wir bis März bereits von über 600 Personen eine Zusage bekommen haben und schon über 400 Teilnehmer untersuchen konnten", sagt Mediziner Dr. Matthäus Vigl, der das Studienzentrum leitet. Viele weitere werden über die nächsten Wochen, Monate und Jahre angeschrieben. Dabei steht und fällt der Erfolg der Studie mit dem Engagement der Teilnehmer, die mit Hilfe des Einwohnermeldeamts per Zufallsprinzip ausgewählt werden. "Umso mehr Frauen und Männer bereit sind, langfristig mitzumachen und zur Gesundheitsforschung beizutragen, desto repräsentativer und aussagekräftiger wird die Studie", erklärt Vigl.

Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit einer der weltweit größten Langzeit-Beobachtungsstudien (EPIC[*]) konnten die Ernährungsforscher des DIfE viel Wissen in die Planung der NAKO-Studie einfließen lassen. "Besonders die Untersuchungsmodule, die sich mit der Ernährung bzw. der körperlichen Aktivität der Studienteilnehmer beschäftigen, haben unsere Epidemiologen wesentlich mitgestaltet. Sie tragen daher auch die wissenschaftliche Verantwortung für diese Bereiche", sagt Tilman Grune, wissenschaftlicher Vorstand des DIfE. Sowohl Ernährung als auch Bewegung sind sehr komplexe Lebensstilfaktoren, die jeden betreffen und die Gesundheit beeinflussen. Sie korrekt zu erfassen, sei nicht trivial, erklärt Grune weiter.

"Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass die Beantwortung von Ernährungsfragebögen nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen sollte, die Befragung aber dennoch sehr genau sein muss, um zum Beispiel auch saisonbedingte Veränderungen in der Ernährung oder individuelle Besonderheiten erfassen zu können", sagt Heiner Boeing, der die Abteilung Epidemiologie am DIfE leitet. "Wir sind daher in der NAKO-Studie neue Wege gegangen und setzen eigens für die Studie entwickelte, web-basierte Fragebögen ein", so Boeing weiter. Viermal im Jahr bitten die Forscher die Studienteilnehmer, einen Online-Kurzfragebogen auszufüllen, mit dem sie ermitteln, was die Teilnehmer am Vortag zu sich genommen haben. Die Befragungstage legen die Wissenschaftler dabei per Zufallsprinzip fest und informieren den Teilnehmer erst am entsprechenden Tag, damit er seine Ernährung aufgrund der anstehenden Befragung nicht ändert. Auf diese Weise lassen sich jahreszeitlich-bedingte Veränderungen in der Ernährungsweise der Teilnehmer gut erfassen. Darüber hinaus ermitteln die Forscher mit einem zweiten, umfangreicheren Fragebogen die Ernährungsweise der vergangenen 12 Monate. Um alle gesammelten Ernährungsdaten im Zusammenhang auswerten zu können, haben die Wissenschaftler des DIfE für die NAKO-Studie spezielle statistische Berechnungsmodelle erstellt. Ebenso entwickelten sie die technische Infrastruktur für die modernen, web-basierten Fragebögen.

Auch die körperliche Aktivität der Teilnehmer erfassen die Wissenschaftler mit Hilfe neuester Technik. Für sieben Tage tragen die Studienteilnehmer einen etwa Streichholzschachtel-großen Sensor an der Hüfte, der die Beschleunigung des Körpers auf allen drei Raumachsen mit einer Frequenz von 100 Hz misst, das entspricht 300 Messpunkten pro Sekunde. "Hierdurch ist die körperliche Aktivität sehr viel besser und detaillierter zu erfassen, als dies früher zum Beispiel mit Fragebögen möglich war", erklärt Boeing, der den Sensor bereits erfolgreich im Rahmen der EPIC-Studie getestet hat. Die neue Messtechnik erfasst nicht nur die Bewegungsintensität, sondern lässt auch darauf schließen, ob jemand sitzt, liegt oder steht. Zudem registriert sie auch die Art der Bewegung und stellt fest, ob der Teilnehmer zum Beispiel geht, rennt oder Treppen steigt. Die körperliche Aktivität zu erfassen sei äußerst wichtig, sagt Mediziner Vigl. So sei nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den Industrieländern die körperliche Inaktivität der viertwichtigste Risikofaktor für einen vorzeitigen Tod. Dabei sei die sportliche Betätigung nicht unbedingt entscheidend, sondern die Bewegung im Alltag. Eine Aussage, die nun sehr exakt mit Hilfe der neuen Messmethode überprüft werden kann.

In allen NAKO-Studienzentren dauert das Erstuntersuchungsprogramm pro Person etwa drei bis fünf Stunden. Es ist sehr umfangreich und beinhaltet neben Befragungen zum Lebensstil zum Beispiel auch Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnistests sowie eine Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems. Zudem sammeln die Forscher verschiedene Bioproben. Nach vier bis fünf Jahren findet dann die zweite große Untersuchungsrunde statt, wobei die medizinischen Untersuchungen und Befragungen anhand festgelegter Standardprotokolle erfolgen, um vergleichbare und damit verwertbare Daten zu erhalten. Die NAKO-Studie ist langfristig angelegt und wird alle Beteiligten die nächsten Jahrzehnte begleiten. Erste Resultate erhoffen sich die Forscher aber schon nach etwa fünf bis sechs Jahren.

Hinweise

EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Die EPIC-Studie ist eine prospektive (vorausschauende) große europäische Beobachtungsstudie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit insgesamt 519.000 Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Potsdamer EPIC-Studie ist mit mehr als 27.000 Teilnehmern ein Teil der EPIC-Studie und wird von apl. Prof. Dr. Heiner Boeing geleitet.

Studienteilnehmerzahlen (Stand 05.03.2015): Das NAKO-Studienzentrum Berlin-Süd/Brandenburg hat bislang 5.949 Bürgerinnen und Bürger angeschrieben, 654 Teilnehmer haben sich bereits mit einer Zusage zurückgemeldet, davon wurden 422 bereits untersucht.

Hinweise zum Erstuntersuchungsprogramm finden Sie hier.

zuletzt bearbeitet: 06.04.2015 nach oben

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