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Die künstliche Bauchspeicheldrüse

Abstract zum Vortrag von Professor Dr. med. Thomas, Vorstandsvorsitzender diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe, Chefarzt am Kinderkrankenhaus AUF DER BULT, Hannover, im Rahmen der Vorab-Pressekonferenz anlässlich der 49. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), am 22. Mai 2014 in Berlin.

Aktuelles zum Forschungsprojekt "Closed-Loop"-System in Hannover

Professor Dr. med. Thomas Danne Diabetes mellitus Typ 1 (Zuckerkrankheit) ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern. Ein Kind von 600 ist betroffen und die Häufigkeit nimmt weiter zu. Das bedeutet: täglich mehrfach - auch nachts - Blutzucker zu messen und das fehlende Hormon Insulin zu spritzen oder auch mit einer Insulinpumpe kontinuierlich über einen Schlauch zuzuführen. Gerade bei kleinen Kindern sind die Eltern stark gefordert. Schon lange träumen die Betroffenen daher von einem Gerät, das diese Aufgaben automatisch übernimmt, das den Zuckerwert misst, berechnet, welche Menge Insulin gebraucht wird, und diese dem Körper dann zuführt. Dem Ziel, eine solche künstliche Bauchspeicheldrüse zu entwickeln, sind Forscher in Israel, Slowenien und Deutschland (das "DREAM"-Konsortium) ein Stück näher gekommen: mit dem sogenannten Closed-Loop-System, einer Art vollautomatischer Insulinpumpe, die noch in einer Studiensituation eingesetzt wird.

Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um eine Software, die das Kernstück der künstlichen Bauchspeicheldrüse darstellt. Diese Software wird eingesetzt, um handelsübliche Insulinpumpen und Zuckermessgeräte drahtlos über einen Laptop oder Tablet-PC zu steuern.

Für die Patienten hat die künstliche Bauchspeicheldrüse viele Vorteile: Der Computer arbeitet viel präziser als das manuell möglich ist und kann so den Blutzucker wesentlich stabiler halten. Vor allem nachts kann das Gerät gefährlichen Unterzuckerungen vorbeugen, die besonders häufig während der Schlafenszeit von Patienten mit Typ-1-Diabetes auftreten. So trägt die künstliche Bauchspeicheldrüse entscheidend dazu bei, die Versorgung zu verbessern. Wenn das Closed-Loop-System erst einmal außerhalb von Studiensituationen genutzt werden kann, dann können viele Eltern von Kindern mit Diabetes wieder ruhig schlafen.

Wirkungsweise der künstlichen Bauchspeicheldrüse

Ist der Blutzucker eines Menschen zu hoch, drohen langfristig behindernde Folgeerkrankungen, von Herzinfarkt und Schlaganfall bis Nierenversagen, Erblindung und Amputation. Ist er zu niedrig, führt das zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen, im Extremfall zum Tod. Besonders nachts, wenn eine regelmäßige Zuckermessung und passgenaue Insulindosierung besonders schwierig sind, sind gerade Kinder besonders von Unterzuckerung ("Hypoglykämie") bedroht. Viele Eltern stehen daher nachts mehrfach auf, um den Zucker durch einen Fingerpiks zu messen. Trotzdem kommen gerade in den Nachtstunden besonders häufig Unterzuckerungen bei Kindern mit Diabetes vor.

Im Rahmen des DREAM-Projekts konnten bisher rund 30 Patienten des Diabetes-Zentrums im Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hannover Erfahrungen mit der künstlichen Bauchspeicheldrüse sammeln. Sie erlebten den Einsatz des Closed-Loop-Systems nicht nur unter stationären Bedingungen, sondern auch während eines Freizeit-Wochenendes (Camp-Studie) und kürzlich erstmals auch bei sich zu Hause - ein Meilenstein in der Entwicklung einer künstlichen Bauchspeicheldrüse.

Aufbau des Closed-Loop-System

Das Closed-Loop-System "Closed Loop" bezeichnet den "geschlossenen Kreislauf" zwischen Blutzucker und der benötigten Menge Insulin. Das System stellt den Blutzuckerwert vollautomatisch ein. Es besteht aus drei Komponenten: einer herkömmlichen Insulinpumpe, einem Sensor im Unterhautfettgewebe, der kontinuierlich den Zuckerspiegel misst, und einem Laptop, an den die Daten per Funk übermittelt werden. Eine spezielle Software berechnet anhand der Sensordaten, wie viel Insulin die Pumpe abgeben soll.

Erfolgreiche Studien unter stationären und kontrollierten häuslichen Bedingungen

Das Projekt "Künstliche Bauchspeicheldrüse" beinhaltet eine multizentrische (Israel, Slowenien, Deutschland) mehrstufige Prüfung der Durchführbarkeit, Sicherheit und Funktionalität des MD-Logic Artificial Pancreas System (MD-Logic AP) bei Patienten mit Typ-1-Diabetes unter stationären und häuslichen Bedingungen. Für die Untersuchungen zur Machbarkeit unter stationären Bedingungen und die ersten Untersuchungen unter den kontrollierten Bedingungen eines Diabetes-Camps wurden die Forscher mit der Hans-Christian-Hagedorn-Projektförderung der Deutschen Diabetes Gesellschaft ausgezeichnet. Die Ergebnisse der Diabetes-Camp- Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" publiziert.

Die in Hannover durchgeführte klinische Studie zur Prüfung der künstlichen Bauchspeicheldrüse in einer nicht stationären Situation wurde ebenfalls in Israel und Slowenien mit identischen Patientengruppen durchgeführt. Nach Auswertung der multizentrischen Daten und einer darauf aufbauenden Optimierung des Steuerungsalgorithmus sind im Rahmen des Projektes "künstliche Bauchspeicheldrüse" weiterführende Prüfungen unter häuslichen Bedingungen notwendig, um letztendlich für die Patienten ein sicheres und marktfähiges Closed-Loop-System zu entwickeln.

Die Akzeptanz des Systems bei den Patienten ist außerordentlich groß. Dies belegt auch das in der Zeitschrift "FOCUS Diabetes" veröffentlichte Interview eines Studienteilnehmers.

Die nächsten Schritte

In Deutschland erfolgte die Prüfung des Closed-Loop-Systems im Diabetes-Zentrum des Kinder- und Jugendkrankenhauses AUF DER BULT in Hannover. Bisher war es notwenig, dass die Anwendung kontinuierlich durch ärztliches Personal in der Klinik über das Internet überwacht wurde. Angesichts des komplikationslosen Verlaufs der Versuche mit inzwischen über 1.200 Nächten unter häuslichen Bedingungen ist jetzt eine telemedizinische Überwachungssoftware entwickelt worden, die diese kontinuierliche Überwachung überflüssig macht. Dies ist für die Umsetzung dieses Ansatzes in der täglichen Routinebetreuung unbedingt erforderlich. Es wird zum Beispiel eine spontane Patienten-Arzt-Kommunikation für Fragen oder zur Problemklärung durch eine speziell modifizierte Kommunikationssoftware wie SMS getestet.

Bislang läuft die Software des Closed-Loop-Systems noch auf einem Laptop, den die Patienten mit sich tragen. Für den Einsatz im Alltag ist diese Lösung jedoch unpraktikabel. Daher wird das System so angepasst, dass es kleiner und mobiler wird. Die größte Herausforderung wird jedoch die Anwendung des Closed-Loop-Systems rund um die Uhr sein. Die ersten Erfahrungen in Israel sind sehr positiv, sodass wir bald auch hier in Deutschland im Rahmen des internationalen DREAM-Konsortiums damit beginnen werden.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Professor Dr. med. Thomas Danne
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

zuletzt bearbeitet: 22.05.2014 nach oben

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