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Diabetes und Demenz
Abstract zum Vortrag von Professor Dr. rer. nat. Karin Lange im Rahmen der Pressekonferenz "Psychosoziales und Diabetes" der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) am 18. Juni 2013 in Berlin.Wenn zwei Alterserkrankungen zusammentreffen
Wie lässt sich die große Zahl der Betroffenen zukünftig angemessen betreuen?
Professor Dr. rer. nat. Karin Lange nennt die wichtigsten Ursachen für den Anstieg von Demenzerkrankungen und anderen kognitiven Störungen. Neben dem demografischen Wandel zählen Typ-2-Diabetes und Stoffwechselentgleisungen zu den bedeutendsten Risikofaktoren. Darüber hinaus gibt Frau Professor Lange Empfehlungen für die Versorgung.
Die Prognosen zum Altenquotienten[1], das heißt der Relation der Anzahl von Bürgern im Alter über 65 Jahren im Verhältnis zur Anzahl von Bürgern zwischen 20 und 65 Jahren, sowie Daten zur Prävalenz von Demenzerkrankungen in Deutschland[2] weisen bereits seit Jahren auf eine herausfordernde gesellschaftliche Aufgabe hin: Einer sinkenden Zahl von Menschen im Berufsleben steht eine wachsende Zahl älterer und betagter Menschen gegenüber, die mit steigendem Alter immer häufiger von irreversiblen kognitiven Abbauprozessen betroffen sind.
Forschungsdaten aus der letzten Dekade weisen dazu auf die Bedeutung einer bisher weniger beachteten Folgeerkrankung des Diabetes hin: milde kognitive Beeinträchtigungen (MCI) und demenzielle Erkrankungen[3]. Danach ist ein Typ-2-Diabetes mit einem 2- bis 4-fach erhöhten Risiko für eine vaskläre Demenz und mit einem 1,5- bis 2-fach erhöhten Risiko für eine Alzheimer-Demenz verbunden.
Während langfristig hyperglykämische Stoffwechsellagen (zu hohe Blutzuckerwerte) das Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung auf lange Frist erhöhen, stellen schwere Hypoglykämien (Unterzuckerungen) eine besondere Gefährdung für ältere und bereits kognitiv beeinträchtigte Personen mit Diabetes dar.[4]
Für die Behandlung und Versorgung von Menschen mit Diabetes und Demenz ergeben sich folgende Empfehlungen
Bei Hinweisen auf Symptome kognitiver Beeinträchtigung soll die Fähigkeit zur verantwortlichen Selbsttherapie des Diabetes strukturiert überprüft und ein Demenzscreening durchgeführt werden.
Bei älteren Menschen mit Diabetes soll bei der Wahl der Therapieziele und der Therapieprinzipien der Heterogenität der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit sowie der damit assoziierten Risiken dieser Patientengruppe Rechnung getragen werden.
Bei älteren Personen mit deutlichen kognitiven und/oder funktionalen Einschränkungen sollten HbA1c-Werte angestrebt werden, bei denen Hypoglykämien sicher vermieden werden. Es sollten jedoch auch Hyperglykämien vermieden werden, die zur Verstärkung der geriatrischen Syndrome oder zu Dehydratation führen, das heißt, HbA1c-Werte um 8 Prozent (64 mmol/mol) sind anzustreben. Einfache Therapiekonzepte und den täglichen Routinen angepasste Ernährungsempfehlungen sollten vor Überforderung schützen und die Lebensqualität erhalten.
Bei Demenzkranken sind HbA1c-Werte sekundär, jedoch sollten die Lebensqualität beeinträchtigenden Syndrome und Hypoglykämien vermieden werden. Einfache antihyperglykämische Therapien, die von Pflegenden mit geringer Belastung der Patienten durchgeführt werden, sind hier sinnvoller, als für beide Seiten überfordernde Konzepte.
Die Komplexität der Situation vieler älterer Patienten mit Diabetes und gleichzeitiger demenzieller Erkrankung macht schließlich eine ausgewogene Kooperation zwischen allen professionellen Gesundheitsanbietern und den an der Versorgung beteiligten Familienangehörigen/Pflegekräften erforderlich. Hier sind insbesondere weitere Qualifizierungsangebote für Pflegende (Angehörige und Professionelle) notwendig.
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Quellen
Eisenmenger M, Pötzsch O, Sommer B. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2006) Bericht "Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Statistisches Bundesamt, Pressestelle Wiesbaden
Weyerer S (2005) Altersdemenz. Gesundheitsberichterstattung des Bundes [Heft 28]. Berlin, Robert Koch-Institut
Strachan MW. (2011) The brain as a target organ in Type 2 diabetes: exploring the links with cognitive impairment and dementia. Diabetic Medicine, 28, 141-147
Whitmer RA, Karter AJ, Yaffe K, Quesenberry CP & Selby JV (2009) Hypoglycemic episodes and risk of dementia in older patients with type 2 diabetes mellitus. JAMA, 301, 1565-1572
S2-Leitlinie Psychosoziales und Diabetes - Langfassung 2013
- 1. Teil in: Diabetologie 2013, Ausgabe 3, dx.doi.org/10.1055/s-0033-1335785
- 2. Teil in Diabetologie 2013; Ausgabe 4 (ET: August), 10.1055/s-0033-1335889
- Im Internet: http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/leitlinien/evidenzbasierte-leitlinien.html
Bildunterschrift: Professor Dr. rer. nat. Karin Lange, 2. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der DDG; Leiterin der Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie; Medizinische Hochschule Hannover
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
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