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Diabetes im Alter

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Ann-Kathrin Meyer, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Geriatrie der DDG, Chefärztin der Abteilung Geriatrie, Asklepios Klinik Wandsbek, Hamburg, im Rahmen der 6. Herbsttagung der DDG.

Individuelle Therapieziele für geriatrische Diabetespatienten

Dr. med. Ann-Kathrin Meyer Die Häufigkeit des diagnostizierten Diabetes mellitus liegt in Deutschland bei sieben bis acht Prozent der Bevölkerung, dies entspricht circa sechs Millionen Menschen. In der Altersgruppe 75 bis 80 Jahre ist jeder Dritte bis Vierte betroffen, ab einem Lebensalter von 65 Jahren stellt Diabetes mellitus die häufigste Komorbidität dar. Bei Diagnosestellung im 70. Lebensjahr ist von einer Verkürzung der Restlebenszeit für Frauen von vier Jahren und für Männer von knapp drei Jahren auszugehen. Die Patienten setzen ihren Therapie-Fokus nicht primär auf Lebensverlängerung, sondern vorrangig auf Lebensqualität, die sich über selbstständige Lebensführung und das Freisein von Einschränkungen definiert. Der Blutzuckeranstieg entwickelt sich schleichend und bleibt oft über Jahre unerkannt, da sogenannte typische Symptome zum Beispiel Durst und Polyurie fehlen.

Die Hyperglykämie verschlechtert jedoch die funktionellen Möglichkeiten, so droht ein steigendes Risiko für eine Exsikkose mit Delirgefahr, eine Zunahme kognitiver Defizite bis hin zur Demenzentwicklung sowie ein vermehrtes Auftreten von Inkontinenz und insbesondere ein erhöhtes Sturzrisiko mit gehäuften Frakturen. Beim Typ-2-Diabetiker manifestiert sich sowieso schon gehäuft eine Osteoporose und eine deutlich reduzierte (Skelett-) Muskulatur. Durch diese typischen geriatrischen Syndrome (Immobilität, Instabilität, Inkontinenz, intellektueller Abbau) ist die Alltagskompetenz bedroht bzw. bereits eingeschränkt. Es besteht auch im Alter eine hohe Koinzidenz zur Depression mit schlechterer Stoffwechsellage und steigendem Komplikationsrisiko.

Gleichzeitig ist die Vermeidung von Hypoglykämien besonders wichtig. Die als dramatisch erlebte Hilflosigkeit, das erhöhte Sturzrisiko, die akute Gefährdung durch Insult und Myokardinfarkt, auch das deutlich erhöhte Demenzrisiko stellen ein überproportionales Risikopotential für die geriatrischen Klienten dar. Withmer et al. haben nachgewiesen, dass selbst eine schwere Hypoglykämie das Demenzrisiko von Diabetikern um 26 Prozent steigert. Die ACCORD-Studie mit strenger Blutzuckereinstellung wurde wegen erhöhter Mortalität abgebrochen. Die Datenerhebungen in ambulanten und stationären Einrichtungen zu insulinbehandelten Diabetikern sind in der Live-Geri-Studie zusammengefasst. Es zeigt sich eine hohe Inzidenz der Hypoglykämien mit 6,2 Prozent. Notfallanweisungen für das Pflegepersonal lagen im Zeitalter der Qualitätssicherung nur in 50 Prozent der Fälle vor. Das spezielle Diabetes-Schulungsprogramm für geriatrische Patienten (Strukturierte Geriatrische Schulung = SGS) wird zu selten genutzt, insgesamt erhalten lediglich 55 Prozent der Typ-2-Diabetiker eine spezifische Schulung.

Der Bewegungstherapie sind oft körperliche Grenzen gesetzt und über Jahrzehnte gefestigte Ernährungsgewohnheiten sind nur begrenzt beeinflussbar. Auch lässt der Zahnstatus eine rohstoffreiche Kost oft nicht zu. Die medikamentöse Therapie ist zu individualisieren und muss immer möglichst einfach und somit praxistauglich sein unter besonderer Berücksichtigung der Hypoglykämie-Gefahr. Bei den OAD erscheinen Metformin und Gliptine besonders geeignet, bei der Insulintherapie die BOT und konventionelle Insulintherapie, selten kommt die komplexe intensivierte Insulintherapie zum Tragen. 40 Prozent aller geriatrischen Patienten nehmen ihre Medikation nicht korrekt. Die Einbeziehung Pflegender ist oft maßgeblich für den Therapieerfolg. Der HbA1C-Zielwert beträgt je nach Zielgruppe (Go-Go, Slow-Go und No-Go) sieben bis acht Prozent, das heißt Nüchtern-BZ um 100 mg Prozent und im Tagesverlauf nicht regelhaft über 200 mg Prozent.

Das Therapiemotto lautet: start low, but go and go for enough.

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Bildunterschrift: Dr. med. Ann-Kathrin Meyer
Bildquelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft DDG

zuletzt bearbeitet: 17.11.2012 nach oben

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