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Individualisierte Bewegungskonzepte in der Diabetestherapie

Patienten profitieren von dauerhaft aktivem Lebensstil

Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme, Schulung und Bewegung sind die vier Säulen einer Diabetestherapie, die ohne Medikamente oder in Kombination versucht, Blutzuckerwerte in den Griff zu bekommen. Vor allem ein aktiver Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung und Sport kann helfen, das Risiko einer Diabetesmanifestation zu verringern. Welche Modelle der dauerhaften Verhaltensänderung in Bezug auf Bewegung bei Menschen mit Diabetes Typ 2 erfolgreich sind, diskutieren Experten auf der Pressekonferenz der 6. Diabetes Herbsttagung vom 16. bis 17. November 2012 im ICC Berlin.

In Deutschland erreichen noch immer vier Fünftel der erwachsenen Bevölkerung nicht die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sich 2,5 Stunden pro Woche zu bewegen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) 2012. Es sind also nicht nur Menschen mit Diabetes Typ 2, die sich zu wenig bewegen. Aber für sie sind körperliche Aktivitäten und Sport besonders wichtig.

Universitäts-Professorin Dr. Petra Wagner, Direktorin des Instituts für Gesundheitssport und Public Health in Leipzig, hält die Zunahme der Typ-2-Diabetiker um zwei Prozent innerhalb der letzten zwölf Jahre für allarmierend. "Zu den Untergruppen mit besonders ausgeprägtem Anstieg in der Häufigkeit gehören Männer ab 70 Jahren, Frauen unter 40 Jahren sowie Männer und Frauen mit Fettleibigkeit, auch Adipositas genannt." In der Gruppe der Adipösen sind vor allem Menschen im jungen Erwachsenenalter betroffen. "Wenn wir Menschen mit Diabetes zu mehr Bewegung bringen wollen, müssen wir die einzelnen Zielgruppen sehr genau betrachten und Alter, Geschlecht, Lebensumstände etc. in unsere Bewegungskonzepte einbeziehen."

Ein grundlegendes Problem bestehe darin, dass zwei Drittel der Typ-2-Diabetiker älter als 60 Jahre ist. Diese Altersgruppe leidet häufiger als Jüngere an mehreren Krankheiten gleichzeitig, ist weniger mobil sowie weniger motiviert und kann nicht oder nur eingeschränkt an Bewegungsprogrammen teilnehmen, weiß die Expertin aus Leipzig. Bei der Gruppe der Frauen unter 40 oder den Adipösen im jungen Erwachsenenalter können personalisierte Bewegungskonzepte ansetzen, wenn die Lebenssituation - zu der Beruf, Kinder und Familie gehören - berücksichtigt wird. Auf diesem Gedanken aufbauend, ist eine Bewegungsförderung insgesamt zu "individualisieren", so Wagner. "Für denjenigen, der noch nie über eine Verhaltensänderung nachgedacht hat, ist das konkrete Angebot eines Bewegungsprogramms wahrscheinlich gar nicht das Richtige. Aber für denjenigen, der bereits die Absicht hat, etwas zu ändern, ist es genau richtig." Es gehe nicht um konkrete Bewegungsprogramme (beispielsweise in Disease Management Programmen), sondern um Bewegungsförderung insgesamt.

Einen konzeptionellen Rahmen für individualisierte Bewegungsförderung bietet das Transtheoretische Modell (TTM) der Verhaltensänderung. "Dieses Modell wird auch als Stufenmodell der Verhaltensänderung bezeichnet. Es basiert auf der Idee, dass Menschen im Prozess der Verhaltensänderung unterschiedliche, aufeinander aufbauende Stufen/Stadien durchlaufen", erläutert Wagner. Konkrete Bewegungsprogramme sind eine Maßnahme, um "individualisiert" auf die Menschen mit ihrer Erkrankung einzugehen." Dabei ist beispielsweise mit jedem einzelnen Patienten zu klären, was für ihn passende Wege zu einer Aktivitätssteigerung sind, welcher Sport und welche Bewegung zu ihm passt.

Um Patienten in diesem Prozess zu unterstützen, spielt Planung eine große Rolle. "Das Planen ist für alle Menschen wichtig und zugleich ist es uns vertraut. Im Gespräch mit dem Patienten sind Handlungs- und Ausführungspläne zu erarbeiten, sind Ziele zu thematisieren und auch ein mögliches Scheitern durch potenzielle Barrieren." Hier sieht die Expertin aus Leipzig noch Optimierungsbedarf. "Die Aufrechterhaltung des gesteigerten Ausmaßes an körperlicher Aktivität muss gestärkt werden, damit es ein dauerhaft aktiver Lebensstil wird. Hier brauchen die Patienten noch mehr Unterstützung."

Es gibt bereits Bewegungsprogramme, die in die bereits etablierten Disease Management Programme (DMP) eingebunden sind. Aber noch viel zu wenige. "Aktuelle Studien haben gezeigt, dass es mit dem Einbinden von Bewegungsprogrammen in das DMP gelingt, insbesondere diejenigen zu erreichen, die es nötig haben, und auch entsprechende Effekte, beispielsweise auf die Lebensqualität, zu erzielen", erläutert Wagner.

Terminhinweis

Pressekonferenz der DDG im Rahmen der 6. Herbsttagung
Termin: Freitag, 16. November 2012, 12.30 bis 13.30 Uhr
Ort: Raum 43 im ICC Berlin

Vorläufiges Programm

Neues DDG Zertifikat: Wie Kliniken sich auf die "Nebendiagnose Diabetes" spezialisieren können
Professor Dr. med. Stephan Matthaei
Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Chefarzt des Diabetes-Zentrums am Christlichen Krankenhaus Quakenbrück (CKQ)

Programm-Highlights der Diabetes Herbsttagung: Neues aus der Forschung für die Praxis
Professor Dr. med. habil. Peter Schwarz
Tagungspräsident, Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Diabetes bei geriatrischen Patienten: Was ist anders, was ist schwierig?
Dr. med. Ann-Kathrin Meyer
Chefärztin der Abteilung Geriatrie Asklepios Klinik Wandsbek, Hamburg, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Geriatrie der DDG

Prävention des Typ-2-Diabetes im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Professor Dr. med. Dr. h. c. Hans-Ulrich Häring, Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München

Personalisierte Medizin: Wie bringt man Menschen mit Diabetes in Bewegung?
Univ.-Professorin Dr. Petra Wagner
Direktorin des Instituts für Gesundheitssport und Public Health, Leipzig

Zuckerkrank und Autofahren: Was tun, wenn der Blutzuckerspiegel absinkt?
Dr. med. Hermann Finck, Niedergelassener Diabetologe, Schenklengsfeld, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Soziales der DDG

zuletzt bearbeitet: 27.10.2012 nach oben

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