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Negative Bewertung der Blutzuckerselbstmessung nicht nachvollziehbar

Diagnostica-Verband: Bericht ist patientenfeindlich und rückwärtsgewandt

Als rückwärtsgewandt und patientenfeindlich hat der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) den heute veröffentlichten Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über den Nutzen der Blutzuckerselbstmessung bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern bezeichnet. Der Bericht ignoriere, dass Medizin und Gesundheitspolitik längst auf den informierten selbstbestimmten Patienten setzen, der an seiner eigenen Behandlung mitwirkt, kritisierte VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger in Berlin.

Walger betonte, die Bewertung des IQWiG, das der Blutzuckerselbstmessung keinen Nutzen bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern attestiert, sei nicht nachvollziehbar, rückwärtsgewandt und erkläre sich allenfalls aus methodischen Schwächen des Berichts. Zum einen habe das IQWiG die Blutzuckerselbstkontrolle ausdrücklich nicht als integralen Bestandteil eines umfassenden Schulungs- und Behandlungskonzepts beurteilt, wie dies zum Beispiel sein britisches Pendant, das National Institute of Clinical Excellence (NICE), fordert. Die Blutzuckerselbstmessung entfalte nur dann ihre volle Wirkung, wenn die Patienten intensiv geschult werden und die Methode in ein übergreifendes Konzept eingebettet sei.

Zum anderen seien sogenannte randomisierte kontrollierte Studien, auf die sich das IQWiG bei seiner Bewertung konzentrierte, bei der Blutzuckerselbstmessung unzureichend. Sie könnten bei Medikamenten eingesetzt werden, da diese direkt im Körper wirkten. "Die Blutzuckerselbstmessung liefert hingegen eine Information, aus der der Patient die richtigen Schlüsse ziehen muss", so Walger. Die Messung ermögliche es, den Therapieerfolg zu kontrollieren und die eigenen Lebensgewohnheiten bei verfehltem Erfolg gegebenenfalls anzupassen. Um diesen Nutzen zu belegen, seien Versorgungsstudien besser geeignet.

Der VDGH erkennt zwar an, dass sich das IQWiG mit den zum Vorbericht abgegebenen kritischen Stellungnahmen befasst hat. Er teilt aber nicht die Schlussfolgerungen des Instituts. So sei es zum Beispiel nach wie vor nicht nachvollziehbar, warum das Institut der in Studien festgestellten Senkung des "Blutzucker-Langzeitgedächtnisses" HbA1c keine klinische Bedeutung beimisst. Auch seien mögliche Gefährdungen im Straßenverkehr durch Hypoglykämien (Unterzuckerung) nicht angemessen geprüft worden. Erst vergangene Woche habe das Verwaltungsgericht Mainz entschieden, einem Diabetiker die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil er nicht regelmäßig vor Fahrtantritt Blutzuckerkontrollen durchführte.

"Jetzt liegt der Ball beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Ihm obliegt es, den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zu konkretisieren", so Walger. Hier werde eine Richtungsentscheidung darüber getroffen, wie ernst es Politik und Selbstverwaltung mit der Prävention und der Eigenverantwortung der Patienten ist. "Wie bei keiner anderen Erkrankung braucht es beim Diabetes den informierten selbstbestimmten Patienten, der seinen Lebensstil - am besten schon im Frühstadium - ändert, um teure Folgeerkrankungen und -medikationen zu vermeiden. Hierzu darf man ihm das wichtigste Werkzeug, die Blutzuckerselbstmessung, nicht entziehen." Walger appellierte an den G-BA, sich den fachlich fundierten Argumenten des VDGH nicht zu verschließen.

Der Verband weist darauf hin, dass der Bericht an der bisherigen Rechtslage für die Verordnung und Erstattung von Blutzuckerteststreifen nichts ändert. Ärzte können sie also auch nicht-insulinpflichtigen Diabetikern wie bisher verschreiben. Das IQWiG stellte zudem klar, dass es die Bedeutung der Selbstmessung bei insulinpflichtigen Diabetikern nicht in Zweifel zieht. Sie sei bei Ärzten und Wissenschaftlern seit langem anerkannt.

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zuletzt bearbeitet: 14.12.2009 nach oben

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