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Wohin bewegt sich die deutsche Diabetiker-Versorgung?

Zusammenfassung des Symposiums "Quo Vadis Diabetikerversorgung" im Rahmen des DDG-Kongresses in Leipzig

Bei Typ-2-Diabetikern wird eine Therapieintensivierung, etwa durch die Kombination oraler Antidiabetika mit Insulin, oft zu lange hinausgeschoben, so Professor Oliver Schnell aus München auf der Tagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Leipzig. Künftig könnten medizinische Versorgungszentren die Versorgung der Patienten verbessern - der Gesundheitsfonds dagegen eher nicht. Eingeladen zu der Veranstaltung "Quo Vadis Diabetikerversorgung?" hatte die B. Braun Melsungen AG. Das Unternehmen ist als Systemanbieter in der Diabetikerversorgung etabliert.

Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Fondsfinanzierung

Eine gute Stoffwechseleinstellung ist für Diabetiker wichtig, um Folgeschäden der Krankheit vorzubeugen. Insulin ist dabei ein wesentliches Element. So zeigten Studien bekanntlich eine Verbesserung mikrovaskulärer Endpunkte bei insulinbehandelten Patienten, wie Professor Michael Roden aus Düsseldorf berichtete.

Neuen Daten der UKPDS (United Kingdom prospective Diabetes Study) zufolge kann auch die Prävention makrovaskulärer Komplikationen davon gewinnen. Die Erstauswertung vor einigen Jahren habe dafür noch keine signifikanten Unterschiede ergeben, so Roden. Die Analyse 25 Jahre nach der Randomisierung weist aber darauf hin, dass langfristige Insulintherapie solchen Schäden vorbeugen kann: Im Vergleich mit der konventionellen Behandlung, in der vor allem Diät eingesetzt wurde, waren Herzinfarkte bei intensiver Therapie auf Sulfonylharnstoff (SH)- oder Insulinbasis signifikant seltener.

Auch der Intensivarm mit Metformintherapie zählte weniger Infarkte. Mikrovaskuläre Ereignisse dagegen wurden nur im SH-/Insulin-Arm signifikant reduziert - trotz ähnlicher HbA1c-Werte, so Roden. Die Bedeutung der Reduktion der Infarkte zeigt eine Zahl: 75 Prozent der Typ-2-Patienten sterben an kardiovaskulären Komplikationen.

Insulin macht zufriedener

Patienten mit Insulinbehandlung sind zufriedener mit ihrer Therapie als solche, die nur Tabletten einnehmen. Das ist das Ergebnis einer Arbeit mit 257 Typ-2-Patienten. Die Insulingruppe hatte erwartungsgemäß im Mittel eine Diabetesschulung mehr erhalten als die Gruppe mit Tabletten. Die insulinbehandelten Patienten wiesen - vielleicht als Folge der besseren Schulung - eine deutlich höhere Therapiezufriedenheit auf. Bisher ging man immer vom Gegenteil aus. "Das Dogma, mit Tabletten eingestellte Patienten seien zufriedener, stimmt also nicht", stellte Roden fest. Damit entfällt ein Argument, mit dem der Insulinstart häufig hinausgezögert wird.

Letztlich geht es aber nicht nur um Blutzuckersenkung, sondern um eine multifaktorielle, intensivierte Betreuung, betonte er. Das kann Folgeschäden mindern, wie die Steno-2-Studie belegt hat. An ihr nahmen Typ-2-Patienten mit Mikroalbuminurie teil. Die Behandlung zielte neben den Blutzuckerwerten auch auf den Blutdruck, die Blutfette und eine Thrombosehemmung. In der intensiver behandelten Gruppe, in der Blutdruck, Lipide und HbA1c stärker verbessert wurden als in der Vergleichsgruppe (wobei der HbA1c-Wert nicht unter 6,5 Prozent gesenkt werden konnte), nahm das Risiko für kardiovaskuläre und mikrovaskuläre Ereignisse um rund die Hälfte ab.

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24 Arztbesuche im Jahr ...

Die umfangreiche Medikation und die Untersuchungen verlangen eine gewisse Vorarbeit vom Patienten: Er muss oft zum Arzt. "Diabetiker sind terminlich ziemlich ausgelastet", sagt Dr. Matthias Riedl aus Hamburg bei einem Symposium von B. Braun.

Für einen Diabetiker mit Polyneuropathie und Retinopathie fallen jährlich rund 24 Besuche bei Fachärzten an, denn der Patient muss Leitlinien-gerecht alleine viermal zum Diabetologen, viermal zum Augenarzt und zwölfmal zum Podologen. Das kostet jedes Mal Zeit, Geld für Arztfahrten und Kraft, die gerade alten Menschen oft fehlt. "Da unterbleiben manche Termine einfach", so der Diabetologe. Viele Typ-1-Diabetiker haben deshalb gar keinen Hausarzt. "Sie sind mein Hausarzt" kommt häufig als Antwort auf entsprechende Nachfragen.

...oder ein MVZ nur für Diabetiker

Eine gute Lösung solcher Probleme bietet das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) "medicum" Hamburg: Es vereint die für Diabetiker wichtigsten Fachärzte an einem Ort, vom Diabetologen über Kardiologen und Augenarzt bis zum Allgemeinmediziner. Die Patienten erhalten Koppeltermine bei bis zu fünf Ärzten am Tag. Das nutzen vor allem alte, überlastete und junge Diabetiker- es spart Zeit, erleichtert das Einhalten von Terminen und macht die Versorgung zügig. So erreicht die augenärztliche Abdeckung im Diabetes-MVZ 98 Prozent (Hamburg gesamt: 68 Prozent), weil der Patient nur ins Zimmer nebenan geschickt werden muss. Dabei hat jeder Patient seine persönlichen Ärzte. Termine werden in der Regel in drei Tagen vergeben. Insgesamt, so Riedl, fühlen sich die Patienten besser und zeitsparender versorgt.

Weil die Fachärzte eng zusammenarbeiten, können außerdem Informationen zwischen ihnen schneller fließen und die Botschaften an den Patienten besser abgestimmt werden. Das ist wichtig, denn die Patienten verunsichert es, wenn der eine Arzt einen HbA1c von sieben Prozent empfiehlt und der andere schon vor Folgeschäden warnt, falls der Wert sechs Prozent überschreitet.

Gesundheitsfonds verhindert die langfristige Versorgungsplanung

Diabetes erfordert eine Dauertherapie, zu deren wichtigen Zielen mittel- und langfristig das Vermeiden von Folgeschäden gehört. Doch obwohl seit Januar 2009 für den (gesamten) ambulanten Bereich rund 3,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen, befinden sich die Krankenkassen zur Zeit "in einer Art Schockstarre", so Professor Herbert Rebscher von der Deutschen Angestellten Krankenkasse Hamburg. Denn: "Wir sind seit dem 1. Januar völlig abhängig von der Zuweisung aus dem staatlichen Fonds." Gemeint ist der zu Beginn des Jahres gestartete Gesundheitsfonds. Darin werden alle Krankenkassen-Beitragszahlungen gesammelt, mit dem Zuschuss des Bundes aufgestockt und dann an die Krankenkassen verteilt. Was die einzelne Kasse aus dem Fonds erhält, orientiert sich am Bedarf ihrer Versicherten. Das klingt zunächst gut, hat aber einen Haken: Den Kassen fehlt damit der Anreiz, in Versorgungen zu investieren, die zwar langfristig sinnvoll sind, aber zunächst einmal vorfinanziert werden müssen - zum Beispiel Bewegungs- und Sportprogramme.

Das Geld hierfür müsste die Krankenkasse sich von ihren Mitgliedern holen. Die bestehen aber zu rund 80 Prozent aus Gesunden. Junge und gesunde Versicherte sehen in solchen Programmen keinen persönlichen Nutzen, die Finanzierungsbereitschaft dafür fehlt ihnen also oft, kritisierte Rebscher die fondsgebundene Finanzierung. Die Kassen versuchen deshalb, solche Zusatzprämien zu vermeiden, um ein Abwandern der gesunden Versicherten zur Konkurrenz zu verhindern. Der Gesundheitsfonds kann also eine sinnvolle, langfristig orientierte Versorgungsplanung verhindern. Und das betrifft nicht nur den Bereich Diabetes.

Hintergrundinformationen

B.Braun engagiert sich in der Diabetestherapie unter anderem mit Insulinen Insulinspritzen, -pens, Penkanülen und Blutzuckermessgeräten. Nach der Sommerpause kommt das Omnican fine Set dazu, das neben den Penkanülen auch einen Behälter zur sicheren Kanülenentsorgung enthält. Services und vieles mehr für Patienten, Diabetes-Fachpersonal und Ärzte bietet das Unternehmen über eine eigene Fachwissens-Seite zum Thema Diabetes unter www.diabetes.bbraun.de an.

zuletzt bearbeitet: 08.06.2009 nach oben

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