Das unabhängige Diabetes-Portal DiabSite

Home > Aktuelles > Diabetes-Nachrichten > Archive > 2008 > 080710

Diabetestherapie gestern und heute:

Pressemitteilung: BERLIN-CHEMIE AG

Mit Diabetes-Schulung Schule machen

Ein Blick zurück lohnt sich immer dann, wenn man hierdurch den eigenen Standpunkt relativieren und so zu neuen Einsichten gelangen kann. Dies hatte die BERLIN-CHEMIE AG im Sinn, als sie zur traditionellen Dinner-Session, anlässlich der diesjährigen DDG-Tagung in München Diabetologen aus Klinik und Praxis eingeladen hat. Unter dem Motto "70 Jahre Schulungserfahrung - Reflexion und Perspektiven" wagten Experten den Rückblick in die Geschichte der Diabetestherapie. Dr. med. Andreas Lueg, Internist und Diabetologe aus Hameln und Dipl.-Psych. Dr. Bernhard Kulzer vom Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim diskutierten unter der Leitung von Prof. Dr. med. Rüdiger Petzoldt, Bad Oeynhausen, vor historischer Kulisse und interessierten Kollegen aus Klinik und Praxis.

70 Jahre Diabetologie - was bedeutet diese Zeitspanne eigentlich? Zunächst einmal verlor der Diabetes mellitus seinen Schrecken, als man 1921 das Insulin entdeckte und die Krankheit im Griff zu haben glaubte. Die Insulintherapie wurde in den nachfolgenden Jahren immer weiter verbessert. Heute ermöglichen moderne Analoginsuline den Patienten eine weitgehende Flexibilität im Alltagsleben.

Erweitert wird das therapeutische Spektrum heute zusätzlich durch orale Antidiabetika, die in den ersten Typ-2-Diabetes-Jahren eine Behandlungsalternative zum Insulin darstellen. Doch allen medikamentösen Fortschritten zum Trotz: Es nützt nicht viel, die Rechnung ohne den Wirt zu machen. Denn die Geschichte der Diabetestherapie lehrt uns vor allem eines: Das Maß für eine erfolgreiche Therapie ist immer der Patient. Ohne sein Verständnis, seine Mitarbeit und seine Motivation ist jede therapeutische Anstrengung zum Scheitern verurteilt.

nach oben

Aufklärung: gestern wie heute ein Schlüssel zum Therapieerfolg

Wie wichtig daher die Aufklärung über die komplizierten Zusammenhänge der Erkrankung ist, hat man schon früh erkannt. Diabetes-Schulung wandte sich jedoch zunächst nur an ein medizinisches Fachpublikum. Beispielhaft hierfür mag ein Lehrfilm von 1937 über "Die Grundlagen der Insulintherapie" sein.

Der Film ist von erstaunlicher didaktischer Qualität; Vieles, was er zeigt, gilt auch heute noch. Doch werden im Unterschied zu damals heute vor allem die Patienten geschult. Schließlich sind es die Patienten selbst, die ihre Therapie eigenständig zu Hause weiter fortführen müssen. Und dabei geht es für die meisten von ihnen um nichts Geringeres als darum, mal eben sein Leben zu ändern.

"Wir versuchen etwas, was unmöglich scheint, wenn wir 40 Jahre falsche Angewohnheiten wegprogrammieren wollen", sagt Andreas Lueg, niedergelassener Internist und Diabetologe aus Hameln. Daher ist ein Diabetologe vor allem auch in der psychologischen Patientenführung gefragt. Doch hierzu fühlen sich viele Diabetologen nicht ausreichend ausgebildet. "Es ist aber unser Job als Experten, dem Patienten das beste Angebot zu machen", sagt Lueg.

Schulung ist ohne Blutzucker-Selbstkontrolle nicht möglich

Von unschätzbarem Wert für die Diabetestherapie ist die Blutzuckerselbstkontrolle, ein Verfahren, das vor 70 Jahren noch nicht zur Verfügung stand. "Leider wird die Blutzuckerselbstkontrolle immer noch zu undifferenziert eingesetzt", bedauert Bernhard Kulzer vom Diabeteszentrum Bad Mergentheim. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Diabetes-Schulung hat man in den letzen Jahren jedoch erkannt, welch ungeheuren didaktischen Nutzen die Blutzuckerselbstmessung in Wirklichkeit hat.

"Selbstkontrolle ist die Voraussetzung für die Vertiefung von Schulungsinhalten. Gerade eventbezogene Messungen zeigen dem Patienten, welchen Einfluss er selbst auf das Therapiegeschehen hat und was er daraus lernen kann", so Kulzer. Er befürwortet daher, die Blutzuckerselbstkontrolle in den ersten Jahren der Erkrankung verstärkt einzusetzen. Denn gerade zu Beginn der Therapie könnten die Patienten von einem gelungenen Selbstmanagement am meisten profitieren. "Lieber am Anfang viel machen und dann etwas zurück fahren", sagt Kulzer.

nach oben

Heute heißt Schulung, dass der Patient selbst etwas macht

Während die Kostenträger langfristiges Planen lernen müssen, wollen Patienten die Erfolge ihrer Therapie sofort sehen, betont Lueg. Deshalb müssen Ärzte lernen, den Patienten vor allem dort abzuholen, wo er steht. Die Vorteile der therapeutischen Intervention sollten so lebensnah wie möglich vermittelt werden. Hinweise wie z. B "Sie werden weniger schwitzen, wenn Sie Ihr Gewicht reduzieren" sind Botschaften, die verstanden werden. Dies verlangt vom Arzt, sich in die Lebenswirklichkeit des Patienten hineinzuversetzen, ihn z. B. auch als Mensch mit all seinen Schwächen zu sehen.

Viele Patienten, die einen Diabetes mellitus haben, haben es verlernt, selbstbestimmt zu leben. Sie können den vielen Versuchungen, die unsere Konsumgesellschaft für sie bereit hält, nicht widerstehen. Lueg empfiehlt, dem Patienten den Unterschied zwischen Verführung und Selbstbestimmung klar zu machen. Etwa dann, wenn er vom Einkaufsbummel kommt und die nächste McDonald's-Filiale lockt. "Lassen Sie nicht ein Fast-Food-Restaurant darüber bestimmen, was Sie wann, wo und wie essen wollen, sondern bestimmen Sie das selbst", rät Lueg seinen Patienten.

Diabetestherapie heute: Mehr Chance als Schicksal

Die Kontrolle über sich selbst zu behalten - das heißt Selbstbestimmung. Auch hierfür ist Blutzuckerselbstmessung ein sehr gutes Instrument. Durch die Blutzuckerselbstmessung kann man den Patienten ein neues Menschenbild vermitteln: durch Selbstkontrolle selbstbestimmt zu leben. Um Enttäuschungen vorzubeugen, müssen die Patienten aber vor allem lernen, Wünsche von Zielen zu unterscheiden. Gute Schulungsprogramme können sie darin unterstützen und damit zu einem gelungenen Selbstmanagement beitragen.

Dennoch muss man sich auch im Klaren darüber sein, dass man als Arzt nicht alle Diabetiker erreichen kann. "Für etwa 20 % der Patienten finden wir kein zufriedenstellendes Ergebnis", so die Experten. Aber für die überwiegende Mehrheit der Patienten sind moderne Diabetes-Schulungsprogramme und Blutzuckerselbstmessungen eine sehr gute Hilfe zur Selbsthilfe - heute mehr als vor 70 Jahren!

zuletzt bearbeitet: 10.07.2008 nach oben

Unterstützer der DiabSite:

Birgit Ruben

Birgit Ruben

Weitere Angebote:

Spendenaufruf Ukraine

Hilfeaufruf Ukraine

Diabetes-Portal DiabSite startet Spendenaufruf für Menschen in der Ukraine.