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Fortschritt für den Patienten

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Heinz-Jürgen Rüßmann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener diabetologisch tätiger Ärzte der DDG und Facharzt für Allgemeine Medizin, im Rahmen der diesjährigen Herbsttagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) in Berlin.

Neue Diabetes-Medikamente bewähren sich im Praxisalltag

Der Stufenplan der medikamentösen Therapie des Typ-2-Diabetes sieht in den Leitlinien vor, dass neben der Basistherapie Ernährung, Gewichtsreduktion, Schulung und Bewegung ein Zielwert HbA1c-Wert < 6,5 % erreicht werden soll, ansonsten eine Intervention ab einem HbA1c-Wert von 7,0 % durchgeführt werden soll.

Neben der Monotherapie mit Metformin mit Nichterreichen des HbA1c-Zielwertes kann eine Monotherapie mit Glibenclamid bzw. Glimepirid durchgeführt werden. In einem dreimonatigen Zyklus wird dann weiter entschieden, ob eventuell weitere Kombinationstherapien mit Arcabose, Gliniden, Glitazone oder Sulfonylharnstoffen durchgeführt werden sollen.

Sollte auch hierunter der HbA1c-Wert < 7 % nach 3 Monaten nicht erreicht werden, so ist eine zusätzliche Insulintherapie erforderlich.

Seit dem 26.1.2007 kann das Glitazon Pioglitazon in Kombination mit Insulin verabreicht werden bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus, deren Stoffwechsel mit Insulin unzureichend eingestellt und bei denen Metformin aufgrund der Kontraindikation oder Unverträglichkeit ungeeignet ist. Durch das exogene Insulinangebot kann bei gleichzeitiger Gabe von Pioglitazon die Insulinsensitivität erhöht werden. Hierdurch kann die Insulinwirkung verstärkt werden, was sich in einem verbesserten HbA1c-Wert in besseren Nüchtern- und postprandialen Blutzuckerwerten zeigt und vor allen Dingen eine deutliche Reduktion der Insulindosis möglich macht.

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass neben der verbesserten Blutzuckersituation auch eine Verbesserung des Fettstoffwechsels, des Blutdrucks und auch weniger Entzündungsprozesse in der Gefäßwand sich nachweisen ließen. Die Ergebnisse der Outcome Studie PROactive zeigt im gesamten Beobachtungszeitraum, dass die Insulindosis im Mittel um mehr als 10 % reduziert werden konnte. Bei 9 % der Patienten konnte Insulin ganz abgesetzt werden. In der Praxis profitieren von der Kombinationstherapie Insulin + Pioglitazon insbesondere Patienten mit Insulinresistenzen, hohem kardiovaskulärem Risiko, eingeschränkter Nierenfunktion sowie hohen Insulindosen.

Insulinresistenz und Insulinsekretionsstörung - alleinige Ursache des Typ-2-Diabetes?

Derzeit findet ein Paradigmenwechsel im pathophysiologischen Verständnis des Typ-2-Diabetes statt. Das glukozentrische Denken haben wir längst abgelegt. Schon bei Diagnosestellung Diabetes mellitus Typ 2 besteht bereits ein 50%iger Betazellfunktionsverlust. In der prädiabetischen Phase haben wir bereits einen Beginn der Betazelldysfunktion sowie den Beginn der Insulinresistenz, d. h. schon viele Jahre vor der Diabetesmanifestation - zwischen 7 und 12 Jahre sind bereits Patho-Mechanismen im Gange - die den Diabetes mellitus Typ 2 ausmachen. In der weiteren Karriere des Diabetes mellitus Typ 2 kommt es dann zu einer chronisch progredienten Betazelldysfunktion letztendlich, was einen weiteren Anstieg der Hyperglykämie bedeutet. Es handelt sich um den Hauptfaktor, der den Anstieg der Plasmaglucose und Progression der Erkrankung des Typ 2 ausmacht.

Reduzierte Betazell-Masse bei Diabetes mellitus

Beim Gesunden haben wir eine 100%ige Betazellmasse. Bei der Impaired fasting Glucose (IFG) besteht bereits ein 50%iger Betazellverlust, während bei der Diagnosestellung Diabetes mell. Typ 2 bereits ein ca. 65%iger Betazellmassenverlust besteht. Beim Typ 1 haben wir einen über 90%igen Betazellmassenverlust.

Aus diesem pathophysiologischen Verständnis heraus sollte sich deshalb die orale Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 orientieren.

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Inkretinhormone

Wichtige Inkretinhormone sind heute:

GLP-1: Glucagon like Peptid
GIP: Gastric inhibitory Polypeptide

Beide regulieren die Glukosehomöostase durch Effekte auf die Inselzellfunktion.

Bei Stoffwechselgesunden stimulieren Inkretinhormone bis zu 70 % die Insulinsekretion nach einer fetten und kohlehydratreichen Mahlzeit.

Inkretine regulieren die Glukosehomöostase über ihre Wirkung auf die Inselzellfunktion. Kommt es zu einer normalen Zuführung einer Mahlzeit, werden im Darmtrakt aktives GLP-1 und GIP freigesetzt. Dadurch kommt es zu einer glukoseabhängigen Insulinfreisetzung in den Betazellen sowie zu einer erhöhten peripheren Glukoseaufnahme in die Muskulatur und Fettzellen. Gleichzeitig werden die Alphazellen supprimiert und Glukagon glukoseabhängig vermindert ausgeschieden.

Wirkungen von GLP-1 und GIP

Im Vordergrund der Regulation der Glukosehomöostase steht GLP-1.

GLP-1 - Verschiedene Wirkungen

Typ-2-Diabetiker haben eine reduzierte GLP-1-Sekretion, jedoch noch erhaltene GLP-1-Funktion. Die macht man sich heute in der Therapie mit DPP-4-Inhibitoren Sitagliptin (Januvia) und GLP-1 Analoga Exenidin-4/Byetta zunutze.

GLP-1 Wirkung

GLP-1 Wirkung als Stimulator der Insulinsekretion - glukoseabhängig - ist beim Typ-2-Diabetes noch erhalten, allerdings kommt es durch das DPP-4-Enzym (Dipeptidyl-Peptidase IV) zu einer Schnellinaktivierung.

Aktuelle Strategien zur Verbesserung des therapeutischen Potenzials von GLP-1:

  1. Substanzen, die die Wirkung von GLP-1 initiieren (Inkretin Mimentika)
  2. DPP-4-resistente GLP-1-Derivate
    Beispiel: GLP-1-Analoga, albumingebundenes GLP-1
  3. Substanzen, die die Wirkung von GLP-1 initiieren (Inkretin Mimentika)
  4. DPP-4-resistente GLP-1-Derivate
    Beispiel: GLP-1-Analoga, albumingebundenes GLP-1
  5. Peptide, die einige der glukosereguliernden Wirkungen von GLP-1 initiieren. Exenatide (Byetta)
  6. Substanzen, die die Aktivität von endogenen GLP-1 verlängern. DPP-4 Inhibitoren - Sitagliptin (Januvia)

Physiologischerweise wird GLP-1 durch das DPP-4-Enzym schnell inaktiviert, in ca. 2-4 Minuten. Dies ist von der Evolution auch genau richtig vorgesehen, da wir ja nur kurze Zeit benötigen, um auf einen hyperglykämischen Reiz eine entsprechende Betastimulation über die GLP-1-Rezeptoren an der Betazelle zu erreichen. Man nutzt die Inhibierung dieses (Dipeptidyl-Peptidase IV) Enzyms aus, um einen längeren physiologischeren GLP-1-Effekt beim Typ 2 zu erreichen.

GLP-1 senkt den Blutzucker nur, wenn der Glukosespiegel über 65 mg/dl bzw. 3,6 mnol liegt. Es besteht hiermit kein Hypoglykämierisiko und auf der anderen Seite gilt das auch für die gegenregulatorische Sekretion von Glukagon. DPP-4-Inhibierung durch Sitagliptin (Januvia) hochselektiv. Wir kennen 9 Dipeptidyl-Peptidasen, die intestinale Hormone abbauen. Durch die selektive Inhibierung z.B. durch Sitagliptin (Januvia) haben wir einen positiven Effekt hinsichtlich der glukoseabhängigen Glukosehomöostaseregulation durch die Betazelle.

Der DPP-4-Inhibitor Januvia (Sitagliptin) bewirkt eine ca. 24-stündige Wirkung von GLP-1, durch

  1. Stimulierung der Insulinsekretion nur unter Hyperglykämiebedingungen, keine Hypoglykämiegefahr
  2. Hemmung der Glukagonsekretion
  3. Günstiger Effekt auf Körpergewicht (neutral) und
  4. Verminderung des Appetits
  5. Effektive und bedarfsgerechte Senkung des Blutzuckerspiegels
  6. Zunahme der Betazellmasse
  7. Verbesserung der Betazellfunktion (bisher nur vor allem in tierexperimentellen Daten)
  8. Geringe Nebenwirkungen (DPP-4-Hemmer haben eine geringe Inzidenz an Hypoglykämien und werden gut vertragen)
  9. Orale Gabe

GLP-1-Analoga - Exenatide (Exendin 4)

Bei Exenatide handelt es sich um eine synthetische Version eines Speichelproteins des Gilamonsters. Es zeigt sich eine 50%ige Übereinstimmung mit der GLP-1 des Menschen. Gleichzeitig bindet in vitro an bekannte GLP1-Rezeptoren auf Betarezeptoren des Menschen. Eine Inaktivierung durch DPP-4 ist nicht gegeben.

Stellt man die Substanzklassen DPP-4-Inhibitoren und Inkretin-Mimetika gegenüber, so bleibt festzustellen, dass DPP-4-Inhibitoren einmal oral am Tag gegeben werden müssen, während Inkretin-Mimetika 2 x subcutan injiziert wird. Die Wirkung auf den GLP-1-Spiegel ist beim DPP4-Inhibitor Sitagliptin physiologisch (hochphysiologich), während die Inkretin-Mimetika pharmakologisch wirken und damit eine höhere Konzentration von GLP-1 bewirken, die Blut-Hirn-Schranke durchbrechen und damit den verbesserten Effekt hinsichtlich der Gewichtsreduktion erklären. Die Antikörperbildung ist bei Inkretin-Mimetika vorhanden, während bei DPP-4-Inhibitoren dies natürlich fehlt. Bei Inkretin-Mimetika sieht man am Anfang eine relativ hohe Rate an Übelkeit (über 40 %), während bei DPP-4-Inhibitoren keine Nebenwirkungen vorhanden sind.

Einsatz von DPP4-Inhibitor Januvia und GLP-1-Analoga (Byetta)

Bei Diagnosestellung besteht bereits eine 50%ige Betazelldysfunktion sowie ein ca. 65%iger Betazellmassenverlust. Da es sich beim Diabetes mellitus Typ 2 um eine chronisch-progrediente Erkrankung handelt als Ausdruck der kontinuierlichen Betazelldysfunktion, muss dies in der Therapie Berücksichtigung finden. Wir benötigen deshalb eine betazellprotektive Therapie. Der DPP-4-Inhibitor (Januvia-Sitagliptin) sollte nach einer initialen Metformintherapie frühzeitig in Kombination gegeben werden. Des Weiteren ist die Kombination eines Glitazons mit Januvia möglich. GLP-1-Analoga (Byetta) sind in der Kombination mit Metformin und/oder Sulfonylharnstoffen zugelassen.

Durch das GLP-1-Analogon Byetta ist der spätere Einsatz nach initialer Metformin- evtl. Kombinationstherapie mit Sulfonylharnstoffen möglich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eventuell der Sulfonylharnstoff in Kombination mit Byetta reduziert werden muss, um ein eventuelles Hypoglykämierisiko zu vermeiden.

Durch die Kombination von Metformin mit Januvia besteht kein Hypoglykämierisiko, das Gleiche gilt für Byetta mit Metformin.

Durch die Kombination von Metformin mit Januvia (DPP-4-Inhibitor bzw. GLP-1-Analogon) Byetta könnten zum Beispiel andere orale Antidiabetika eingespart werden und vor allen Dingen die Blutzuckereigentestung dramatisch verhindert bis vernachlässigt werden, was eine günstige Kostenentwicklung darstellen würde.

zuletzt bearbeitet: 26.10.2007 nach oben

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