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Sozialer Abstieg durch Krankheit?

Pressemitteilung: Universität Trier

Ein historischer Beitrag zu einer aktuellen Debatte

Das Verhältnis von Armut und Krankheit in der Geschichte ist eines der Forschungsthemen im Sonderforschungsbereich 600 "Fremdheit und Armut" an der Universität Trier. Krankheit war einer der wichtigsten Gründe für Armut. Mit der Etablierung der Sozialversicherung Ende des 19. Jahrhunderts sollten die Risiken von Krankheiten, Unfällen und Alter abgemildert werden.

Die Krankenversicherung als eine zentrale Errungenschaft des Sozialstaates ermöglicht es heute allen Bevölkerungsschichten, bei Krankheiten einen Arzt aufzusuchen oder im Krankenhaus medizinisch behandelt zu werden. Das war nicht immer so: Bei der Diskussion um Finanzierung, Inhalte und Instrumente des Gesundheitswesens sollte nicht vergessen werden, dass die Absicherung im Krankheitsfall bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für den weit überwiegenden Teil der Menschen keine Selbstverständlichkeit war.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war Krankheit neben dem Alter die Hauptursache für Bedürftigkeit. War man krank, verletzt oder behindert, konnte man oft den Lebensunterhalt nicht mehr verdienen oder hatte für Arzt und Krankenhaus hohe Rechnungen zu begleichen. Armut konnte gestern wie heute die Folge sein. Diesen kausalen Zusammenhang aufzubrechen, war Ziel der 1883 im Deutschen Reich eingeführten Krankenversicherung. Sie war Bestandteil eines Systems sozialer Sicherheit, das zunächst die Arbeiter, später immer weitere Bevölkerungsteile vor den negativen Folgen von Alter, Unfällen oder eben Erkrankungen schützen sollte. Damit hatten Versicherte einen verbindlichen Leistungsanspruch und waren im Fall von krankheitsbedingter Bedürftigkeit nicht mehr auf das Wohlwollen der kommunalen Armenverwaltung oder anderer wohltätiger Institutionen angewiesen.

Die Errichtung von Ortskrankenkassen ermöglichte es auch ärmeren Bevölkerungsteilen, Versicherungsansprüche zu erwerben und über die medizinische Behandlung in einem gewissen Rahmen, beispielsweise durch die freie Wahl des Arztes, mitzuentscheiden. Zeitgleich verbesserte der Neubau von Krankenhäusern und die Professionalisierung der Krankenpflege die medizinische Versorgung. Zu diesen Forschungsergebnissen kommt Martin Krieger, Historiker im Sonderforschungsbereich 600 "Fremdheit und Armut" an der Universität Trier.

Er untersucht in seiner Dissertation, die im Projekt B5 "Armut im ländlichen Raum" unter Leitung von Prof. Dr. Lutz Raphael entsteht, die Versorgung armer Kranker in den Regierungsbezirken Trier und Koblenz am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die "Erfolgsgeschichte" der Krankenversicherung muss jedoch differenziert werden, so Martin Krieger: Gerade in den ländlichen Gemeinden der Eifel und des Hunsrück waren viele Menschen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht versichert. Viele der hier ansässigen Kleinbauern oder Tagelöhner konnten sich die Beiträge schlicht nicht leisten. Die Leistungen der Krankenkassen waren zudem oft so gering, dass auch Versicherte im Krankheitsfall auf die Armenfürsorge angewiesen waren.

Die Absicherung im Krankheitsfall wird aktuell im Zuge der Gesundheitsreform kontrovers diskutiert. Jüngst trafen Vorschläge, zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung die Einkommensteuer zu erhöhen oder eine Sozialsteuer einzuführen, auf Kritik. Die Versicherten selbst mussten zum Jahreswechsel gestiegene Beiträge bei gleichzeitiger Einschränkung der Leistungen hinnehmen. Wie die aktuelle Debatte um soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft zeigt, geht die zunehmende "neue Armut" mit einer besorgniserregenden Verschlechterung des Gesundheitszustands der Betroffenen einher. Können sich Geringverdiener eine ausreichende Gesundheitsversorgung bald nicht mehr leisten?

Weitere Informationen unter: www.sfb600.uni-trier.de.

Diese Pressemitteilung wurde über den - idw - versandt.

zuletzt bearbeitet: 02.02.2007 nach oben

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