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Die Rolle der Fettsäuren bei Diabetes mellitus

Abstract zum Vortrag von Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland im Rahmen eines Symposiums von Abbott Diabetes Care auf der 41. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) in Leipzig.

Der entscheidende Unterschied: gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren

Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland Die Empfehlungen der amerikanischen Herzgesellschaft (AHA), der amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) und der Europäischen Diabetes-Gesellschaft (EASD) decken sich in Bezug auf die Empfehlungen zu den Fettsäuren in der Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus dahingehend,[1-3] dass der Gehalt an gesättigten Fettsäuren (SFA) und trans-ungesättigten Fettsäuren zusammen unter 10 % der Gesamtenergiezufuhr liegen bzw. die SFA möglichst, insbesondere auch bei erhöhten LDL-Cholesterinspiegeln im Serum, < 7-8 % von der täglichen Energiezufuhr betragen sollten. Hierzu sollte die Gesamtfettaufnahme nicht über 30 bis maximal 35 % sein. Einfach ungesättigte Fettsäuren (MUFA) können 10-20 % der Gesamtenergie ausmachen, die Menge der mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) aber nur bis zu  10 %.

Die klinische Rationale für diese Empfehlungen ist unter anderem, dass verschiedene Studien gezeigt haben, dass der Gehalt von SFA in der Ernährung eine wesentliche diätetische Determinante für den LDL-Cholesterinspiegel ist, und dass eine Ernährungsweise mit niedrigem Gehalt von SFA mit einer anhaltenden Senkung des LDL-Cholesterins assoziiert ist. Dies ist bei Patienten mit Diabetes mellitus wichtig, da ein Zielwert von < 100 mg/dl (2,6 mmol/l) wegen des hohen kardiovaskulären Risikos empfohlen wird. Zudem senken sich nicht nur die LDL-Cholesterinspiegel, sondern auch die Insulinresistenz, ein pathophysiologisches Schlüsselphänomen des Typ-2-Diabetes und des sogenannten metabolischen Syndroms, wenn SFA durch einfach ungesättigte Fettsäuren (MUFA) in der Ernährung ersetzt werden. Entsprechend reduziert sich die Prävalenz des metabolischen Syndroms und auch das kardiovaskuläre Risiko durch eine dies berücksichtigende mediterrane Ernährungsweise. Bei der Senkung des kardiovaskulären Risikos spielt möglicherweise auch der Gehalt von PUFA eine entscheidende Rolle. Individuen mit einem hohen Verzehr von PUFA bzw. Omega-3-Fettsäuren, z. B. durch 1-2 Fischmahlzeiten pro Woche, haben ein geringeres Risiko für die Entwicklung eines Diabetes und kardiovaskulärer Komplikationen.

Auf Grund dessen ist zurzeit ein zentrales Thema der Stoffwechselforschung und Ernährungsmedizin zu verstehen, wie Fettsäuren auf zellulärer und molekularer Ebene wirken.[4] Fettsäuren sind nicht nur ein Brennstoffmolekül, sondern auch ein integraler Baustein von Plasmamembranen. Sie bestimmen durch posttranslationale Modifikation die subzelluläre Lokalisierung von Proteinen und beeinflussen die Signaltransduktion als Hormonderivate und intrazelluläre Botenstoffe. Kürzlich sind eine ganze Reihe von Entdeckungen gemacht worden, die zeigen, dass Fettsäuren auch das genetische Programm einer Zelle und damit die Funktion eines Organs durch Modulation sogenannter Transkriptionsfaktoren verändern können.[5-7].

Transkriptionsfaktoren sind intrazelluläre Stellgrößen, die u. a. die Antwort einer Zelle oder eines Organismus auf äußere Reize regeln. Damit bestimmen sie auch die individuelle Suszeptibilität gegenüber Nahrungsbestandteilen. In diesem Zusammenhang werden wir auf dem Symposion u. a. neueste Daten aus unserer Arbeitsgruppe vorstellen, die zeigen, dass Veränderungen von solchen Transkriptionsfaktoren in der Leber, einen entscheidenden Einfluss auf die periphere Fettmenge- und -verteilung haben. Damit ist aus unserer Sicht die Leber nicht nur ein Integrator von Stoffwechselwegen, sondern erhält auch eine zentrale Rolle dabei, wie Ernährungsweisen die Fettverteilung und ggf. die Entwicklung anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren und ihrer klinischen Komplikationen beeinflussen.

Die Zukunft wird darin liegen, neue Mechanismen und molekulare Grundlagen der genetisch bestimmten individuellen Suszeptibilität gegenüber Nahrungsbestandteilen zu definieren, um damit eine individuell basierte Ernährungstherapie und präventive Medizin effektiv und sinnvoll zu gestalten.

Quellen

  1. Expert Panel on Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Cholesterol in Adults. Executive summary of the third report of the National Cholesterol Education Program (NCEP) expert panel on detection, evaluation, and treatment of high blood cholesterol in adults (adult treatment panel III). JAMA 2001; 285: 2486-2497; final version NIH Publication No. 02-5215, September 2002, 3143-3421..
  2. American Diabetes Association: Standards of Medical Care in Diabetes. Diabetes Care 2006; 29, Supplement 1: S4-S42..
  3. Toeller M. Evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und Prävention des Diabetes mellitus. Autorisierte deutsche Version nach der DNSG der EASD. In Abstimmung mit der DDG, DAG, DGEM und DGE. Diabetes und Stoffwechsel 2005; 14:75-94.
  4. Thijssen MA, Mensink RP. Fatty acids and atherosclerotic risk. In: Atherosclerosis: Diet and Drugs, ed. A. von Eckardstein; Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, S167-194.
  5. Jump DB, et al. Fatty acid regulation of hepatic gene transcription. J Nutr 2005; 135: 2503-2506.
  6. Sampath H, Ntambi JM. Polyunsaturated fatty acid regulation of genes of lipid metabolism. Annu Rev Nutr 2005; 25: 317-340.
  7. Kotzka J, Müller-Wieland D. Sterol regulatory element-binding protein (SREBP)-1: gene regulatory target for insulin resistance? Expert Opin Ther Targets 2004; 8: 141-149.

Bildunterschrift: Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Direktor des Instituts für Klinische Biochemie und Pathobiochemie, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung.
Bildquelle: Abbott Diabetes Care

zuletzt bearbeitet: 25.05.2006 nach oben

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