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Übergewicht/Adipositas ist der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für den Typ-2-Diabetes mellitus

Abstract zum Vortrag von Dr. med. Ralph Achim Bierwirth, Tagungspräsident, DDG-Vorstandsmitglied, stellvertretender Vorsitzender im Bundesvorstand der AND e.V. und Leitender Arzt des Ambulanten Diabetes-Zentrums am Elisabeth-Krankenhaus, Essen, im Rahmen der Pressekonferenz zur Veranstaltung: AND-Symposium für Praktische Diabetologie/Herbsttagung-DDG.

AND-Symposium für Praktische Diabetologie/Herbsttagung-DDG

Dr. med. Ralph Achim Bierwirth Unter der Adipositas wird eine pathologische Vermehrung des Körperfetts verstanden, die mit einem erhöhten Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko einhergeht und ein langfristiges Betreuungskonzept erfordert. Maßeinheit für die Berechnung des Körpergewichts ist der Body Mass Index (BMl), der sich aus Größe und Gewicht errechnet (kg/qm Körperoberfläche). Übergewicht ist definiert als BMI über 25 kg/qm, Adipositas als über 30 kg/qm {WHO 2OOO).

60 % aller erwachsenen Deutschen erreichen einen BMI von über 25 kg/qm und ca. 20 % einen BMI von über 30 kg/qm im Sinne der Adipositas. Schon in der Kindheit nimmt Übergewicht dramatisch zu. Weltweit sind bereits 22 Millionen unter fünf Jahren übergewichtig. In den USA hat sich dieses gerade in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. In Deutschland ist jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig. Vier bis acht Prozent aller Schulkinder sind sogar adipös.

Adipositas ist der bei weitem wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus. Adipositas ist daneben auch ein potenter Risikofaktor für die Entwicklung von Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung, Gicht und erhöhter Blutgerinnungsaktivität, und schließlich auch für koronare Herzkrankheit und Schlaganfall. Die Adipositas ist somit oft der Schrittmacher für das sogenannte Metabolische Syndrom. Von großer Bedeutung ist insbesondere das Fettverteilungsmuster für das kardiovaskuläre Risiko. Eine stammbetonte abdominelle Fettverteilung ist eng mit Stoffwechselerkrankungen vergesellschaftet. Bereits ein Taillenumfang von über 94 cm bei Männern und 80 cm bei Frauen zeigt ein erhöhtes Risiko für metabolische Störungen an.

Der pathophysiologische Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Typ-2-Diabetes ist bis heute unvollständig aufgeklärt. Neuere Studien zeigen, dass die vergrößerten Fettdepots Faktoren setzernieren (Adipokine), die möglicherweise direkt eine Insulinresistenz verursachen. Wahrscheinlich stellt die Insulinresistenz, der schlechte Wirkungsgrad des körpereigenen Insulins, das Bindeglied zwischen Adipositas und Diabetes dar. Zu den wichtigsten Ursachen der Adipositas zählt eine überkalorische, insbesondere zu fettreiche und ballaststoffarme Ernährung und Bewegungsmangel. Diese Lebensstilfaktoren haben auch einen direkten negativen Einfluss auf den Glukosestoffwechsel und die Insulinwirkung. Daneben steht außer Frage, dass bislang nicht identifizierte genetische Faktoren das Adipositasrisiko in hohem Maße (zu 30-60 %) festlegen.

Eine Indikation für eine Gewichtsreduktion stellt ein BMI von über 30 kg/qm dar, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen, auch schon ein BMl von über 22 Kilogramm/Quadratmeter.

Sinnvolle Behandlungsziele sind:

Zur Behandlung der Adipositas stehen verschiedene wissenschaftlich evaluierte Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung:

Zur Frage, welche Adipositas-Präventionsmaßnahmen geeignet und effektiv sind, gibt es nur wenige Untersuchungen. Präventionsprogramme bei Erwachsenen, die auf eine gesunde Lebensweise und die Bekämpfung kardiovaskulärer Risikofaktoren zielen, zeigen hinsichtlich des Körpergewichts eine minimale Wirkung oder waren unwirksam (Taylor 1991, Luepker 1996, Hoffmeister 1996). Hingegen zeigen Studien bei Kindern. dass ein effektives Betreuungsprogramm zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt, wenn die Eltern der Kinder als Zielgruppe für Verhaltensänderung einbezogen sind (Epstein 1994).

Erst wenn ein individuelles hypokalorisches Ernährungsprogramm und ein Programm zur Bewegungssteigerung und Verhaltensmodifikation nach sechsmonatiger Anwendung nicht zum individuellen Therapieziel führen konnte, können zusätzlich gewichtssenkende Medikamente unter Beachtung der Kontraindikationen eingesetzt werden. Dafür kommen lediglich in Frage:

Goldstandard ist heute die mäßig hypokalorische Mischkost. Angestrebt wird ein Energiedefizit von 500 bis 600 kcal/Tag mit bevorzugter Einsparung von Nahrungsfetten. Stattdessen wird eine hohe Zufuhr von ballaststoffreichen Obst- und Gemüsesorten sowie Vollkornprodukten empfohlen. Die Eiweißmenge sollte bei 0,8 g/kg Körpergewicht liegen.

Eine andere Maßnahme bzw. Alternative bei dringlicher Indikation zur raschen Gewichtsabnahme ist die Verwendung sehr niedrig-kalorischer Diäten (zum Beispiel Formuladiäten) von insgesamt 800 bis 12OO kcal/Tag. Damit lässt sich eine Gewichtsabnahme von 6 bis 12 kg monatlich über maximal 3 Monate erzielen. lm Anschluss sollte darauf geachtet werden, dass die Umstellung auf eine gewichtsstabilisierende, fettarme Kost mit Verhaltensmodifikation erfolgt.

Die neuerdings propagierten kohlenhydratarmen Diäten sollen über eine Kohlenhydratreduktion zu Gewichtssenkung führen. Wegen des damit verbundenen erhöhten Verzehrs von gesättigten Fetten und tierischen Eiweißen und der begrenzten Lebensmittelauswahl darf diese Diät nur kurzfristig durchgeführt werden und ist nicht generell zu empfehlen. Langzeitstudien fehlen hierzu bislang.

Die Bewegungssteigerung stellt einen wesentlichen Baustein in der Adipositastherapie dar. Vorzugsweise ist eine Steigerung der Alltagsaktivität zu empfehlen, bei sportlich aktiven Menschen auch eine sportliche Betätigung mit vorzugsweise gelenkschonenden Sportarten. Hauptnutzen liegt in der langfristigen Stabilisierung des Gewichtserfolgs sowie in der Prävention einer Wiederzunahme.

Die Adipositaschirurgie kommt bei extrem adipösen Patienten mit einem BMI von über 35 - 40 kg/qm in Frage. Es kommen funktionelle Magenverkleinerungen bzw. Bypasstechniken zur Anwendung, die sich als sehr wirksam erwiesen hoben und von denen eine drastische Besserung der diabetischen Stoffwechselstörung erwartet werden kann (Sjöström, Lindroos, Peltonen, 2004). Der Therapieerfolg hängt entscheidend von der Patientenauswahl und der Erfahrung des Chirurgen ab.

Folgender Nutzen ist bei Diabetikern von einer Gewichtsabnahme in der Größenordnung von 10 kg zu erwarten:

Der langfristige Behandlungserfolg wird durch die Motivation des Patienten, andererseits durch ein kompetentes und engagiertes Behandlungsteam und durch das soziale Umfeld bestimmt.

Bildunterschrift: Dr. med. Ralph Achim Bierwirth
Bildquelle: Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG)

zuletzt bearbeitet: 02.09.2005 nach oben

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