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Zuckerkrankheit kann sich während der Schwangerschaft entwickeln

Gefahr fürs ungeborene Kind

Ungefähr bei jeder 20. Schwangeren entwickelt sich während der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit, ein Schwangerschaftsdiabetes. Es ist bekannt, dass einige Schwangere zum Beispiel wegen Diabetes in der Familie ein höheres Risiko für Schwangerschaftsdiabetes haben. Meist können die Ärzte jedoch nicht genau vorhersagen, welche Frau davon betroffen sein wird.

Die Folgen für das Kind können erheblich sein. Früherkennung ist möglich - allerdings nicht im Rahmen der von den Krankenkassen finanzierten Schwangerenvorsorge, wie die Arbeitsgemeinschaft maternofetale Medizin (AGMFM) der DGGG und der Arbeitskreis Diabetes und Schwangerschaft der Deutschen Diabetes-Gesellschaft betonen.

Die Kinder im Mutterleib werden durch den erhöhten Zuckergehalt des mütterlichen Blutes, das sie ernährt, übergewichtig. Es kommt durch das Übergewicht der Kinder vermehrt zu schwierigen Geburtsverläufen, häufiger zu Kaiserschnitten. Etwa bei jedem 10. Kind, das vor der Geburt stirbt, ist ein unentdeckter Schwangerschafts-Diabetes zumindest mit beteiligt, wie Dr. Ute Schäfer-Graf, Fachärztin an der Geburtsklinik des Vivantes Klinikums Berlin-Neukölln und Sprecherin des Arbeitskreises, betont. Es wird geschätzt, dass somit etwa 300 bis 400 Totgeburten in Deutschland pro Jahr durch einen unentdeckten Schwangerschaftsdiabetes verursacht werden. Viele Kinder müssen nach solchen Schwangerschaften wegen Blutzuckerschwankungen länger im Kinderkrankenhaus bleiben. Kinder, deren Zuckerstoffwechsel schon in der Gebärmutter - der sensibelsten Entwicklungsphase des Menschen - belastet wurde, haben ein erhöhtes Risiko, später Übergewicht und Diabetes zu entwickeln.

Um Schwangere mit einem Risiko für Schwangerschaftsdiabetes zu entdecken, wird der Urin jeder Schwangeren bei den Vorsorgeuntersuchungen mit einem Diagnostik-Streifen auf seinen Zuckergehalt untersucht. Allerdings ist dieser Test nicht zuverlässig, da Zucker im Urin erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auftritt und die Ausscheidung von Zucker im Urin in der Schwangerschaft individuell sehr unterschiedlich ist. Eine zuverlässigere Methode ist die Bestimmung des Zuckers im Blut nach einen Zucker-Belastungstest.

Als Alternative kann auch erst ein Suchtest durchgeführt werden, für den die Frau nicht nüchtern sein muss und nur nach einer Stunde der Blutzucker gemessen wird. Ist dieser Blutzuckerwert erhöht, muss über den Belastungstest der Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes bestätigt oder ausgeräumt werden. Bei diesem Belastungstest wird der Schwangeren morgens in nüchternem Zustand Blut abgenommen; dann bekommt sie einen Zuckertrank, und nach einer oder zwei Stunden wird erneut der Blutzucker gemessen. Ein zu starker Anstieg des Blutzuckerspiegels zeigt einen diabetischen Stoffwechsel an. Es kann dann eine Therapie eingeleitet werden mit einer veränderten Ernährung und Lebensweise und gegebenenfalls auch mit Insulin, das in den richtigen Händen für das Kind keine Gefahr, sondern einen großen Segen darstellt.

Der Blutzuckerbelastungstest (auch Glukosebelastungstest = GTT) wird im Rahmen der normalen Vorsorgeuntersuchungen derzeit von den Krankenkassen nicht bezahlt. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft und die Arbeitsgemeinschaft für materno-fetale Medizin (AGMFM) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) bemühen sich seit langem intensiv um eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien, damit der Glukosebelastungstest - einmalig mit 24-26 Schwangerschaftswochen - in das Schwangerenscreening aufgenommen und damit auch erstattungsfähig werden.

Im November 2003 hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossen, die Verhandlungen über eine Aufnahme einer zuverlässigen Diagnostik auf Schwangerschaftsdiabetes in die deutschen Mutterschaftsrichtlinien aufzuschieben. Dieser Beschluss löste bei Frauenärzten, Diabetologen und Kinderärzten und auch den Betroffenen Unverständnis aus. Denn durch das Urinzuckerscreening werden 9 von 10 Fälle von Schwangerschaftsdiabetes übersehen.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen lehnte ein Blutzuckerscreening mit der Begründung ab, dass es derzeit keine ausreichend gesicherte Daten über den Nutzen dieser Untersuchung gibt. Das Prüfungsverfahren orientierte sich am Prinzip der "Evidenz (= Beweis) basierten Medizin". Damit gilt nur als erwiesen und wahr, was durch Studien mit sehr hohem wissenschaftlichen Niveau belegt ist. Das wären zum Beispiel Studien, die einem Teil der Schwangeren eine Therapie vorenthalten, um durch den Vergleich mit der behandelten Gruppe zu beweisen, dass die Therapie sich günstig für Mutter und Kind auswirkt. Das ist allerdings ethisch nicht zu vertreten. Zudem wäre ein beträchtlicher Teil unserer - sinnvollen und notwendigen - Routineuntersuchungen in der Schwangerschaft niemals in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen worden, hätte man immer nach den strengen Kriterien der Evidenz basierten Medizin geurteilt.

Die Verhandlungen über die Aufnahme der Blutzucker-Untersuchungen in die Mutterschaftsrichtlinien sollen nach Vorliegen der Ergebnisse einer großen weltweiten Studie, die die Auswirkungen von Schwangerschaftsdiabetes untersucht, wieder aufgenommen werden. Allerdings besteht die Befürchtung, dass diese Ergebnisse - entgegen den Annahmen des Bundesausschusses - frühestens 2006/7 vorliegen werden; bis dahin werden weiterhin 90 % aller Fälle von Schwangerschafts-Diabetes unentdeckt bleiben mit all ihren Folgen für die Kinder und ihre Mütter.

So lange die Untersuchung auf eine schwangerschaftsbedingte Zuckerkrankheit nicht von den Krankenkassen bezahlt wird, dürfen Ärzte diese Leistung zwar erbringen, die Schwangeren müssen sie allerdings selbst bezahlen. Die Kosten belaufen sich auf 15-35 Euro für den Glukose-Belastungstest inklusive Beratung.

zuletzt bearbeitet: 25.02.2004 nach oben

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